Finale der Diamond-League-Serie:Endlich Urlaub

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27 Zentimeter am Gesamtsieg und am Jackpot vorbei: Der deutsche Kugelstoßer David Storl. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

David Storl verpasst knapp den Gesamtsieg der Diamond-League-Serie, ist aber froh, dass die Saison endlich vorbei ist.

Von Martin Schneider, Brüssel/Berlin

Als David Storl die 40 000 Dollar verloren hatte, sagte er, er müsse jetzt erst mal zum Arzt. "Ich werde mich bei Dr. Müller-Wohlfahrt behandeln lassen, mal sehen, was dabei herauskommt", sagte der Kugelstoßer am Freitagabend in Brüssel. "Klar ärgerst du dich", sagte er noch.

In einer Sportart mit vielen Halb-Amateuren und Sportsoldaten nimmt man so eine Summe, die es für den Gesamtsieg der Diamond-League-Serie gibt, natürlich ganz gerne mit. Schon im vergangenen Jahr verpasste Storl den Sieg und das Preisgeld knapp. Aber der 25-Jährige war den Umständen entsprechend noch ganz zufrieden mit seinem vierten Platz und den 21,09 Metern im Finale der Diamond-League-Serie am Freitag, die dann wegen fehlender 27 Zentimeter nicht zum Gesamtsieg und zum Jackpot reichten.

Den holte sich Weltmeister Joe Kovacs aus den USA, der Storl schon bei der WM in Peking geschlagen hatte. "Mehr war nicht mehr drin", sagte Storl. Er quäle sich schon seit einem Jahr mit Schmerzen. Eine Woche zuvor beim Istaf in Berlin bat er schon darum, die Pressekonferenz ausfallen zu lassen: Mit seinem lädierten Knie schaffte er es die vielen Treppen nicht mehr hinauf.

Schwanitz einzige deutsche Diamond-League-Siegerin

So bleibt Kugelstoßerin Christina Schwanitz die einzige deutsche Diamond-League-Siegerin in diesem Jahr, aber das stand schon seit dem Meeting in Zürich vergangene Woche fest. Beim zweiten Finale der Serie bei dem traditionsreichen Memorial van Damme im König-Baudouine-Stadion sah man neben den Favoritensiegen in den meisten Disziplinen vor allem die große Schwäche dieses Finales der Wettbewerbs-Serie.

Spitzenathleten bauen ihr Training über die Saison so auf, dass sie an einem Punkt topfit sind. Dieser angepeilte Punkt war bei vielen natürlich die WM in Peking Ende August. Wenn der Höhepunkt vorbei ist, fahren Kopf und Körper runter. Einige versuchen dann noch ihre Form "herüberzuretten", was mal mehr, oft aber weniger gut klappt. Wer Wettkämpfe Anfang September ansetzt, der bekommt also Leistungen, die halt herauskommen, wenn urlaubsreife Athleten bei Herbstwetter starten.

So war vermutlich Usain Bolt der große Gewinner dieses Meetings. Weil er den begrenzten Nutzen erkannte und direkt ganz absagte. Er müsse "seinen Akku aufladen" sagte der Sprint-Weltrekordler. Olympia in Rio nächstes Jahr sei wichtiger. Sein Rivale Justin Gatlin trat dagegen an und behauptete vor den 100 Metern gewohnt selbstbewusst, er glaube, er könne nächstes Jahr noch besser werden, obwohl er dann 34 Jahre alt sein wird. "Der Abstand zwischen mir und Bolt wird geringer", sagte er. Das war eine schöne Interpretation der Tatsache, dass Gatlin eigentlich dieses Jahr konstant schneller lief als der Konkurrent aus Jamaika, ihm aber im entscheidenden 100-Meter-Rennen in Peking die Nerven abgingen. In Brüssel gewann der zweifach positiv auf Doping getestete US-Amerikaner die 100 Meter in für ihn langsamen 9,98 Sekunden und kopierte dann die Taktik seines Rivalen: Er sagte seinen Start über 200 Meter kurzerhand ab und verabschiedete sich in den Urlaub.

Schippers will Weltrekord angreifen

Dafne Schippers, Sensations-Weltmeisterin über 200 Meter aus Peking, dürfte dagegen wohl sogar froh gewesen sein, dass sie keine Fabelzeit hinlegte. Die Niederländerin gewann in 22,12 Sekunden vor Allyson Felix aus den USA, aber die Zeit war natürlich kein Vergleich mit ihren 21,63 Sekunden bei der WM. Vor dem Wettkampf hatte sie angemerkt, öfter daran zu denken, den Weltrekord von Florence Griffith-Joyner (21,34 Sekunden) anzugreifen, was keine allzu glückliche Ankündigung war. "Flojo" lief den Rekord 1988 bei den olympischen Spielen in Seoul. Zehn Jahre später starb sie mit 38 Jahren im Schlaf unter nicht vollständig geklärten Umständen.

Es gibt zahlreiche Aussagen, die die Frau mit den langen Fingernägeln mit Anabolika oder Wachstumshormonen in Verbindung bringen. Die Weltrekorde der Frauen zu dieser Hochzeit des Steroid-Dopings gelten seither als vergiftet, und so fragt man sich, was das nun bedeutet, wenn Schippers sagt, sie wolle diese angreifen. Zumal in Zeiten, in der sich der Weltleichtathletik-Verband durch die Recherchen der britischen Zeitung Sunday Times und der ARD mit einer Liste konfrontiert sieht, die den Verdacht nach laxem Anti-Doping-Kampf erhärtet. Fakt ist aber auch: Die Niederländerin ist nie positiv getestet worden oder mit Doping in Verbindung gebracht worden. Sie selbst sagt, dass sie sauber sei. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Zuschauer in Brüssel, darunter viele Niederländer, feierten ihre Siegerin jedenfalls lautstark.

Auch Holzdeppe freut sich über das Saisonende

Und sonst? Da waren noch die deutschen Speerwerfer Andreas Hofman, Johannes Vetter und Thomas Röhler, die in Brüssel die Plätze sieben, vier und zwei belegten und die in Peking ein bisschen untergegangen sind. Sie holten dort zwar ein erstaunliches Teamergebnis mit den Plätzen vier (Röhler), sechs (Hofmann) und sieben (Vetter), aber eben keine Medaille. Thomas Röhler ist bis heute übrigens einer von nur zwei deutschen Männern, die in einer Diamond-League-Serie gewonnen haben. 2014 war das, der andere war Matthias de Zordo 2011, auch ein Speerwerfer.

Der Rest der deutschen Athleten schwamm im stimmungsvollen und trotz der kurzfristigen Absage von Usain Bolt vollen Stadion so mit. Nadine Müller wurde im Diskus Dritte, Cindy Roleder wurde über 100-Meter-Hürden Fünfte, und Raphael Holzdeppe verabschiedete sich als Sechster vom Stabhochsprungwettbewerb. Die Zeiten, Weiten und Höhen waren kaum der Rede wert, und so fasste Holzdeppe den Wettkampf wohl am akkuratesten zusammen: "Mein Ziel war, gesund durchzukommen. Das habe ich geschafft. Aber nach der langen Saison hat mein Körper nicht ganz auf mich gehört", sagte er, "ich bin froh, dass jetzt erst mal Schluss ist."

© SZ vom 13.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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