Fernando Alonso:"Mögen werden sie mich nie"

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McLaren-Mercedes und Weltmeister Fernando Alonso sind heillos zerstritten: Lewis Hamiltons Ausrutscher hat den Spanier wohl vor der sofortigen Kündigung bewahrt.

Elmar Brümmer

Die Stimme von Ron Dennis bebt, wenn er sich der Inquisition der spanischen Medien stellt, aber er bleibt fest. Wissend, dass es wenig nützt, in dieser Phase der Formel-1-Weltmeisterschaft und in diesem Stadium der Zerrüttung zwischen Fernando Alonso und seinem Team noch zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden zu wollen. Die Reporter brauchen noch weniger Beweise als der Rennfahrer, um McLaren-Mercedes zu diskreditieren. Nicht mal die numerische Logik durch den WM-Stand nach dem Großen Preis von China hilft - für Alonso ist mit nur vier Punkten Rückstand auf Hamilton wieder alles drin. Wäre der Rennfahrer aus Oviedo permanent benachteiligt worden, wie er glaubt, könnte er unmöglich so dicht hinter seinem Rivalen sein.

Die Beziehung von Fernando Alonso und seinem Team McLaren-Mercedes befindet sich auf der Zielgeraden. (Foto: Foto: AFP)

Trotzdem klagte der Spanier nach seinem zweiten Platz in Schanghai erneut: "Die zweite Saisonhälfte war schwierig, und sie ist es immer noch." Die spanischen Gesandten schrieben eifrig mit. Zwar rechnet Alonso nicht damit, dass ihm beim Saisonfinale in zwei Wochen in São Paulo eine Benachteiligung droht: "Was sie für mich empfinden und was sie über mich sagen, ist das eine, was auf der Strecke passiert, ist das andere. Normalerweise sind beide Autos gleich." Ganz prinzipiell glaubt er aber: "Mögen werden sie mich nie."

Die Situation ist quälend. Teamchef Ron Dennis verschleißt sich in ihr langsam so wie der rechte Hinterreifen an Hamiltons Auto in Schanghai. Noch nie hat sich ein Pilot solcher Klasse so gegen seinen Rennstall gestellt und die Massen aufgewiegelt. Die historisch bedingten Störungen taugen selbst den Betttuchmalern auf den Tribünen zu plakativen Drohungen an den störrischen Fahrer."McLaren - Englisch. Alonso - kindisch. Denk' an die Armada!" stand dort. Angesichts der Wetterverhältnisse bei den Rennen in Asien lag die Parallele zur Seeschlacht nahe.

Die Propaganda der Fans wird radikaler. Ron Dennis bekam in sein Büro am Schanghai International Circuit von Mercedes-Sportchef Norbert Haug das Foto eines Plakates gebracht. Darauf stand: "Ron, wir sind immer mit dir. Wir sind McLaren, wir sind stolz." Die Botschaft soll keineswegs der neue Spin doctor gemalt haben, den das Team kürzlich verpflichtete, sondern eine Gruppe enthusiastischer Fans aus China.

Zerreißprobe im Titelkampf

Die Zuspitzung des WM-Kampfs auf das Finale hin verstärkt das Martyrium in dem Top-Team noch. Der erste Ausfall von Lewis Hamilton und die Rückkehr des Schanghai-Siegers Kimi Räikkönen (Ferrari) in den WM-Kampf zwingen McLaren-Mercedes zu einer Fortführung des Systems der formalen Gleichbehandlung. Eine Zerreißprobe zwischen Sympathien und Loyalität, für beide Seiten. Nur der fatale Ritt von Lewis Hamilton auf der Karkasse sorgte überhaupt dafür, dass Alonso noch beim Brasilien-Grand-Prix antreten darf. Hätte Hamilton ihn in China wie erwartet als jüngster Champion der Formel-1-Geschichte abgelöst, wäre der längst erfolgten inneren Kündigung des Titelverteidigers wohl auch der offizielle blaue Brief vom Arbeitgeber gefolgt. Die Anwälte hatten schon eine Liste mit den Verstößen gegen das verabredete Miteinander in petto.

Das Vertragsverhältnis mit Alonso kann nach den jüngsten Eklats kaum noch bis in das formulierte Jahr 2008 dauern - egal ob der Ausweg für den Titelverteidiger Ferrari, Renault, Toyota oder Sabbatical lautet. Alonso kokettiert damit, dass zehn von elf Teams an ihm interessiert seien. "Ich hoffe, ich weiß sehr bald, wo ich nächstes Jahr fahren werde, damit ich mich darauf vorbereiten kann", sagt er. Würde er als Champion die Startnummer eins, die er vor 200 Tagen von Renault zu McLaren brachte, wieder zu einem anderen Team mitnehmen, wäre das ein weiterer Höhepunkt in der Boxengassen-Verfilmung des Klassikers vom Feind im eigenen Bett.

In Schanghai deutete Alonso an, dass ihn die Mechaniker vielleicht mit dem falschen Reifendruck in die Qualifikation geschickt hätten. Fehler machen in seiner Welt immer nur die anderen. Ron Dennis, der ihm angeblich ein Jahressalär von 14 Millionen Euro überweist, bezeichnete Alonso ungeniert als Lügner. "Ich habe viel mit David Coulthard, mit Juan-Pablo Montoya und mit Kimi Räikkönen gesprochen, die alle das Team verlassen haben und danach viel glücklicher waren. Dafür muss es doch einen Grund geben", sagt Alonso über die einzigen Zeugen, die er hat. Vielleicht hätte er aber besser vor der Vertragsunterzeichnung mit den dreien geredet. Dann hätte er begriffen, dass auch ein zweifacher Weltmeister bei McLaren ein normaler Angestellter zu sein hat.

Haug hat keine Angst

Der mangelnde Status ist die größte Hürde, die zwischen den so unterschiedlichen Temperamenten steht und zur wechselseitig größer werdenden Verzweiflung beiträgt. Der Chauffeur hat die Sichtweise des Teams nie adaptiert, der Rennstall ihn nie adoptiert. Irgendwie professionell, dass es beide trotzdem so weit gebracht haben. Jetzt ist die Beziehung auf der Zielgeraden. Noch ein einziges Mal müssen sie es miteinander probieren. Mercedes-Mann Norbert Haug sagt: "Man hat es uns in dieser Saison von keiner Seite leicht gemacht. Wir haben es uns auch selbst nicht immer leicht gemacht. Aber wir haben haben auch viel, viel richtig gemacht und wer das schafft, braucht keine Angst vor dem Finale zu haben."

© SZ vom 9.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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