Fechten:Maßvoll verärgert

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Enttäuscht: Britta Heidemann nach ihrem Aus bei den Europameisterschaften in Montreux. (Foto: Jean-Christophe Bott/dpa)

Die deutschen Athleten starten bei der EM in Montreux enttäuschend. Aber die Team-Wettkämpfe werden mit Blick auf die Olympia-Qualifikation wichtiger genommen

Von Volker Kreisl, Montreux

Es ging schon früh los mit der deutschen Enttäuschung dieses ersten Tages der Fecht-EM. Sie deutete sich streng genommen schon nach den ersten Minuten des ersten wichtigen Gefechts an, zu einer Zeit, zu der sonst kaum einer an Profisport denkt: Samstag, 9.30 Uhr. Der deutsche Florettfechter Peter Joppich war gegen den Briten Richard Kruse auf die Planche gerufen worden. Kruse hat lange Beine und lange Arme, er nutzt seine Reichweite gut aus, und obwohl der viermalige Weltmeister Joppich ihn bisher drei Mal geschlagen hatte, lag er an diesem Samstag schon um 9.35 Uhr mit 0:4 zurück. Um ca. 9.50 Uhr stand es dann 5:15, und Medaillenhoffnung Joppich war ausgeschieden.

Ähnlich deprimierend ging es weiter für die Delegation des Deutschen Fechterbundes. Das Ziel war es, ein bis zwei Fechter in die Finalrunden der besten Acht zu bringen, aber weiter als bis unter die besten 16 kamen die Deutschen am ersten Tag nicht. Außer Joppich scheiterten noch die Florettfechter Sebastian Bachmann, Andre Sanita und Moritz Kröplin. Wenig später verlor am Degen auch Britta Heidemann, 2008 Olympiasiegerin, 2012 Olympiazweite und 2016 - so ihre Hoffnung - auch wieder eine Olympiamedaillengewinnerin. Sie schied sogar in der Runde der letzten 32 aus, wenn auch gegen die ungarische Weltranglistenerste Emese Szasz. Ihre Team-Gefährtinnen Ricarda Multerer und Monika Sozanska kamen auch nicht weiter. Kurz vor drei war es dann so weit, die deutschen Fechter hatten ein erstes Scheitern zu analysieren.

Fechter lassen Niederlagen ein paar Minuten wirken, manche reagieren sich laut ab, manche starren vor sich hin - dann reden sie. Doch wirklich am Boden zerstört war keiner der genannten Verlierer. Joppich, Heidemann und auch der Degen-Bundestrainer Piotr Sozanski wirkten nur maßvoll verärgert, keineswegs zerknirscht. Denn eine verpasste Medaille bezeichneten zwar alle unisono als "immer ärgerlich", aber sie schauten noch am Samstag gleich wieder direkt nach vorne: Wichtiger bei dieser EM ist ja der Erfolg mit den Mannschaften ab kommendem Dienstag.

Es gilt, Punkte für Rio zu sammeln

Bei einem Kontinentalturnier gibt es die doppelte Menge an Weltranglistenpunkten im Vergleich zu Weltcups, und die Ausbeute sollten sie sich nicht entgehen lassen. Seit Anfang April tickt die Uhr, seitdem sammeln die Fecht-Teams weltweit Punkte für die Olympiaqualifikation. Nur die besten acht Mannschaften sind dabei, und alle ihre Mitglieder treten automatisch auch in den Einzeln von Rio 2016 an. Eine Sondererlaubnis für Solisten zu bekommen ist zwar möglich, etwa für den neuen Florett-Europameister Andrea Cassara (Italien), aber sehr ungewiss.

Es wird also fest zusammengehalten in diesen Wochen und Monaten und der Teamgeist beschworen. Lange, fast eine Ewigkeit lang, sind die deutschen Mannschaften von denselben Topleuten abhängig gewesen. Anführer-Rollen haben Heidemann, Joppich, Ex-Degen-Europameister Jörg Fiedler und Ex-Säbel-Weltmeister Nicolas Limbach zwar immer noch. Doch die Talente dahinter sind international sicherer geworden.

Britta Heidemann muss ihre Achillessehne schonen

Fast alle Trainer freuen sich darüber, dass die ehemaligen Jungen es immer öfter unter die besten Acht schaffen; und dass sich die teils zehn Jahre älteren Alten mit ihnen gut ergänzen. "Seit zwei Jahren", sagt Degen-Trainer Sozanski, "ist diese Mannschaft jetzt zusammen. Die Stimmung ist sehr gut." Ähnlich optimistisch ist Joppich: "Wir haben ein ausgeglichenes Team." Und sogar Bundestrainer Didier Ollagnon, der seit seiner Rückkehr 2009 darum kämpft, wieder eine schlagkräftige deutsche Männer-Degen-Gruppe zu formen, schöpft neuerdings Hoffnung: "Wir haben endlich einen Pool von acht Fechtern."

Die neue Ausgeglichenheit sollte sich aber bald bewähren, sonst ist die Teilnahme an den Spielen in Rio für viele Athleten des ambitionierten Deutschen Fechterbundes gefährdet. Am besten, sie bewährt sich schon in Montreux, auch wenn die bekannteste deutsche Fechterin, Britta Heidemann, zurzeit leicht hinkt. Auch deshalb hatte sie ja das Duell gegen Szasz verloren: Heidemanns linke Achillessehne hat sich in den vergangenen Wochen entzündet, die Schmerzen lassen noch keine längeren Belastungen auf höchstem Niveau zu. "In der Trainingshalle werde ich hier eher nicht zu sehen sein", sagt sie. Heidemann will ihr linkes Bein bis zum Teamwettkampf am Dienstag schonen. Und wenn der Rest ihres Teams im Wettkampf kräftig punktet, wird sie auch nichts dagegen haben.

© SZ vom 07.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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