FC Ingolstadt:Viel essen, viel arbeiten

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Mit Lizenz zum vorzeitigen Duschen: Frankfurts David Abraham (links) sieht nach diesem Tritt gegen Ingolstadts Dario Lezcano die rote Karte. (Foto: Jan Huebner/imago)

Der FC Ingolstadt spielt ekliger als Eintracht Frankurt und holt sich überraschend drei Punkte. Trainer Walpurgis preist preisverdächtig die Mentalität seiner Mannschaft.

Natürlich fiel irgendwann das M-Wort, alles andere wäre ja auch arg verwunderlich gewesen. Der Fußballbetrieb erlebt inzwischen kaum noch eine Spielanalyse, die ohne den Begriff "Mentalität" auskommt. Früher hieß es gern mal, ein Fußballer hat Vertrag, inzwischen hat er Mentalität. Und Maik Walpurgis hat gute Chancen auf den Matthias-Sammer-Gedächtnispreis (der dringend erfunden gehört) - wegen besonders häufiger Nutzung des M-Wortes. Nach dem Spiel bei Eintracht Frankfurt saß der Ingolstadt-Trainer Walpurgis in der Pressekonferenz und belobigte seine Mannschaft mal wieder für ihre, genau, tolle Mentalität.

Das klang zwar einerseits nach einer Wiederholung aus dem modernen Übungsleiter-Stehsatz. Andererseits war es Walpurgis nicht zu verdenken: Denn das, was die Branche gemeinhin unter Mentalität versteht, ist nun mal genau das, was den FC Ingolstadt an guten Tagen auszeichnet. Das hat nicht nur Walpurgis so schon öfter formuliert, sondern auch manch gegnerischer Trainer. Viel Wille, Einsatz und Courage vermag Walpurgis' Elf zu zeigen. Und diese nicht immer handelsüblichen Zutaten für einen Klub in Abstiegssorge reichert sie dann noch an mit der Rückkehr zu dem aus dem Vorjahr bewährten hohen Pressing sowie mit einer Dreierkette, mit der sich Räume besonders eng machen lassen. Als "eklig" empfindet diese Spielweise sogar Frankfurts Trainer Niko Kovac, dem eine Betonung des Mentalitätsfaktors sonst auch nicht fremd ist, aber "eklig" sei hier ausschließlich positiv zu verstehen.

Der Samstag jedenfalls war ohne Frage so ein Tag, an dem sich die Vorzüge der Mentalität dokumentierten: 2:0 bezwangen die Ingolstädter überraschend die Frankfurter. Und auch wenn es eine turbulente Partie war mit zwei roten Karten und zwei Elfmetern, mit einer Riesen-Chance für die Eintracht und manch umstrittener Entscheidung durch den Schiedsrichter Guido Winkmann, so durften die Ingolstädter ihren Sieg doch als verdient empfinden.

Das Tor ist leer - aber Hasebe trifft nur die Unterkante der Latte

"Das war ein Kampf um jeden Zentimeter Boden. Wir haben das sehr gut gemacht und sind immer ruhig geblieben", sagte Torschütze Pascal Groß: "Wir sind mittendrin im Kampf um den Klassenerhalt, wir leben noch." Sie sind weiter Siebzehnter, aber noch ein paar Mentalitätsspiele, dann könnte das was werden mit dem Liga-Verbleib. Groß und seine Kollegen klangen ja auch deswegen so erleichtert, weil die vergangenen Wochen nicht gerade für Ingolstadt verlaufen waren. Gegen Schalke hatte die Mannschaft durch ein Tor in der Nachspielzeit verloren, gegen die Hertha durch einen Sekundenschlaf ganz am Anfang, und gegen den FC Bayern wieder in der Nachspielzeit, allesamt Niederlagen nach durchaus guten Darbietungen.

Und in den nächsten Wochen stehen noch ein paar schwere Begegnungen an, ehe es gemäß den Launen der Spielplan-Gestaltung im April gleich an vier aufeinanderfolgenden Spieltagen gegen die direkte Konkurrenz (Augsburg, Darmstadt, Wolfsburg, Bremen) geht. Da wäre es besonders deprimierend gewesen, wenn auch gegen die Eintracht der Sieg entglitten wäre.

In Gefahr war er - trotz aller Mentalität - ja mächtig gewesen, dieser Sieg. Nach dem Führungstor durch Romain Brégerie (26.), das aus einem unberechtigten Eckball entstand, und einer frühen Überzahl-Situation (Rot für Frankfurts Innenverteidiger David Abraham, 34.) hätte die Eintracht nach einer knappen Stunde den Ausgleich erzielen müssen. Winkmann gab einen eher zweifelhaften Foulelfmeter - doch dann folgten die bitteren Sekunden von Frankfurts Defensivspieler Makoto Hasebe. Er vergab den Strafstoß und, schlimmer noch, ebenso den Nachschuss. Obwohl das Tor nahezu leer war, schoss er aus wenigen Metern nur an die Unterkante der Latte. "Es tut mir so leid, das ist meine Schuld", sagte Hasebe nach der ersten Heim-Niederlage der Frankfurter in der laufenden Saison, die Pascal Groß per Elfmeter (69.) zum 2:0 perfekt machte und an der sich auch nach dem Platzverweis für Ingolstadts Mathew Leckie (hohes Bein/81.) nichts mehr änderte.

"Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, damit einige mal sehen, dass wir noch viel, viel essen und viel, viel arbeiten müssen, damit wir uns als Spitzenmannschaft titulieren dürfen", sagte Trainer Kovac. Manche Frankfurter Fans wiederum hatten den Schuldigen für die Niederlage schnell ausgemacht. Nach einer der zahlreichen umstrittenen Entscheidungen von Winkmann erscholl aus der Kurve deutlich vernehmbar einer jener Standard-Schmähgesänge, der sich auf den Schiedsrichter bezieht und in dem das Wort "aufhängen" vorkommt. Die Eintracht ist in Sachen Fan-Verhalten ein schon mehrfach sanktioniertes Kind. Womöglich kommt das jetzt auch wieder auf die Liste des DFB-Kontrollausschusses.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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