FC Ingolstadt:Trauriges Speeddating

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Nach der Niederlage gegen Bremen gibt sich der FCI betont optimistisch, lobt die eigenen Tugenden, verschweigt aber eine deutliche Erkenntnis: Der Abstieg ist nah.

Von Thomas Gröbner

Wenn man den beiden Trainern nach dem Spiel zuhörte, konnte man schon auf den Gedanken kommen, dass die Bundesliga gerade einen tollen Einfall gehabt hätte und flugs eine Regeländerung beschlossen habe: Ab jetzt gibt es einfach für beide Mannschaften drei Punkte. Da saß nämlich Ingolstadts Trainer Maik Walpurgis neben Bremens Trainer Alexander Nouri und beide lobten ihre Mannschaft. "Das war spielerisch und taktisch ein sehr, sehr gutes Spiel von uns", sagte Walpurgis. Und dann führte er weiter aus: "Die Leistung macht Mut, sie spricht für die Mannschaft." Das Problem bei all den Elogen ist ja, dass Ingolstadt gegen Bremen verloren hat. Und ein Blick auf die Tabelle verrät: Punkte gibt es auch weiterhin nicht für Niederlagen, seien sie auch noch so unglücklich.

Was sollte Walpurgis nach dem 2:4 (2:1) denn auch sagen, er hatte halt nicht diesen Max Kruse auf seiner Seite. Gleich vier Mal hatte der getroffen (45., 81., 87., 90.+4). Und damit all die Hoffnungen auf einen Sieg im Abstiegsschneckenrennen, das sich der FCI mit Augsburg, Mainz, Hamburg und Wolfsburg liefert, zerstört.

Walpurgis war ja schon mit Sorgenfalten im Stadion erschienen, er hatte großflächige Umbaumaßnahmen vornehmen müssen, weil ihm gleich drei Stützen im Abwehrverbund weggebrochen waren: Kapitän Marvin Matip, Romain Brégerie und Markus Suttner fehlten allesamt gesperrt. Das Fundament bröckelte, ausgerechnet gegen jene Bremer, die das überfallartige Anrennen zur Kunstform erhoben hatten. Gerade Markus Suttners feiner Fuß wurde schmerzlich vermisst. Dank seiner Präzisionsarbeit am ruhenden Ball hat sich Ingolstadt ja zu einer gefürchteten Spezialeinheit für Eckbälle und Freistöße entwickelt. Und auch diesmal gab es reichlich aussichtsreiche Gelegenheiten - doch das erwartungsvolle Raunen im Publikum verstummte bald. Schnell war offensichtlich, dass weder Roger noch Pascal Groß im Moment die Standardsituationen ähnlich effektiv wie Suttner ausführen können. Doch auch so ging zunächst Walpurgis' verwegener Plan auf, die Abwehr mit Offensivmann Mathew Leckie aufzufüllen. Der Australier geisterte aber trotzdem ständig am gegnerischen Strafraum herum und stiftete auf Bremens rechter Abwehrseite reichlich Verwirrung. Nach einer halben Stunde traf Lezcano dann technisch anspruchsvoll zur Führung, doch noch vor der Pause schlug Bremen zurück: Tisserand fällte in höchster Not Fin Bartels im Strafraum - der Ingolstädter hätte dafür auch vom Platz fliegen können. Den fälligen Elfmeter verwandelte Kruse eiskalt. Dann ergaunerte Almog Cohen einen Strafstoß, den Pascal Groß zur erneuten Führung nutzte. Ingolstadt hatte Bremen im Griff, bis Torwart Martin Hansen die Gäste zurück ins Spiel brachte: Unbedrängt faustete er den Ball vor die Füße von Kruse, der diesen ins Tor schob (81.). Danach überrannte die zwischendurch mit Claudio Pizarro und Serge Gnabry aufgefrischte Bremer Sturmreihe die Ingolstädter Verlegenheitsabwehr.

Ich habe eine unverdiente Niederlage gesehen", grummelte danach Walpurgis. "Es ist noch lange nicht gelaufen, es sind noch zwölf Punkte zu holen", versuchte sich Ingolstadts Max Christiansen als Motivator. Sein Kumpel und ehemaliger Mitbewohner Robert Bauer im Bremer Trikot wünschte dem Gegner dann, "dass die Jungs drinbleiben". Doch der Tabellenvorletzte benötigt bei vier verbleibenden Spielen und 28 Punkten schon ein kleines Wunder, um eine dritte Saison in der Fußball-Bundesliga zu erleben. Eine schöne Geschichte gab es dann doch noch erzählen. Der 17-jährige Patrick Sussek ist der erste Spieler, der in diesem Jahrtausend geboren ist und es schon in ein Bundesliga-Aufgebot geschafft hat. Sussek, am 8. Februar geboren, gilt bei den Schanzern als eines der größten Talente. "Ich wollte ihn jetzt einfach mal persönlich kennenlernen", sagte Walpurgis. Der Abstiegskampf, er ist eben auch eine Speeddating-Gelegenheit.

© SZ vom 24.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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