FC Ingolstadt:Tore dank Matthäus

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Treffer: Almog Cohen bejubelt einen seiner beiden Kopfballtreffer gegen den FC Augsburg. (Foto: Philippe Ruiz/imago)

Ingolstadt schöpft vor dem Duell gegen den Letzten Darmstadt wieder Hoffnung im Abstiegskampf. Auch weil sich der Sechser Almog Cohen zur treffsicheren Führungsfigur entwickelt.

Von Johannes Kirchmeier

Eine Geschichte über den Fußballspieler Almog Cohen muss natürlich nicht zwangsläufig mit Lothar Matthäus beginnen. Sie könnte auch mit dem ehemaligen italienischen Mittelfeldspieler Gennaro Ivan Gattuso beginnen. Oder mit einem Thunfisch-Sandwich. Oder mit Cohens beiden Kopfballtoren beim 3:2 für Ingolstadt in Augsburg am Mittwochabend, die dem FC Ingolstadt die Chance eröffnen, den Klassenverbleib in dieser Bundesliga-Saison doch noch zu schaffen. Doch all die anderen Dinge haben sich in Almog Cohens Leben erst ergeben, weil er zuvor Lothar Matthäus getroffen hatte.

Und so beginnt diese Geschichte über den Fußballspieler Almog Cohen, 28, der zum Retter von Ingolstadt werden könnte, mit Lothar Matthäus, genauer gesagt: dem Trainer Lothar Matthäus. Ganz so viele Erfolge hat Matthäus in seiner zehnjährigen Trainertätigkeit ja nicht vorzuweisen: Er leitete mal den serbischen Spitzenklub Partizan Belgrad an und erreichte 2003 in der Champions League ein 0:0 daheim gegen Real Madrid, im Sommer 2004 besiegte er mit Ungarn Deutschland in einem Freundschaftsspiel 2:0. Recht viel mehr war da aber nicht. Ein Jahr lang, von 2008 bis 2009, trainierte Matthäus auch den israelischen Verein Maccabi Netanya und traf dort auf den jungen Almog Cohen. Die beiden verstanden sich erst nicht, obwohl oder gerade weil Cohen dem vier Zentimeter größeren Matthäus ähnlich war: ein Mittelfeldspieler, der hinten aufräumt, aber auch den Drang verspürt, sich vorne einzuschalten. Erst nach mehreren Monaten sprachen sich die beiden aus, Matthäus gab Cohen den Tipp: Probier dich doch in Europa!

Nach den langen Haaren ist Almog Cohen auch seinen Spitznamen "Gattuso" los

Als 21-Jähriger, lange Haare und Bart, landete der Israeli in Nürnberg. Er blieb, bis auf eine fünfmonatige Leihe nach Tel Aviv, bis heute. Nur spielt er inzwischen nicht mehr für den Zweitligisten Nürnberg, sondern seit dreieinhalb Jahren für den FC Ingolstadt, mit dem er in die Bundesliga aufgestiegen ist und für den er in dieser Saison als defensiver Mittelfeldspieler sechs der insgesamt 28 Ligatore erzielt hat. Seinen Willen, Tore zu kreieren, stellte er am Mittwoch in Augsburg eindrucksvoll unter Beweis: Denn trotz seiner Körpergröße von 1,70 Metern köpfelte er gegen die deutlich größeren Innenverteidiger Kevin Danso (1,90 Meter) und Martin Hinteregger (1,84 Meter) zwei Treffer beim wichtigen Sieg im Kellerduell. "Ich denke schon, dass ich ein guter Kopfballspieler bin", sagte er anschließend. "Einen Doppelpack habe ich aber nicht mal in Israel geschafft."

Ingolstadt liegt vor allem dank des kleinen Kopfballspezialisten Cohen, der hinten die Defensive sortiert und vorne die Tore macht, nur noch vier Punkte hinter dem FCA. Am Sonntag nach dem Duell gegen den Letzten Darmstadt (17.30 Uhr) könnte der FCI den Abstand womöglich sogar auf einen Zähler verringern. "Die haben jetzt den Druck - Augsburg Hamburg, Wolfsburg, Mainz. Nicht mehr wir", sagt Cohen. "Wir kennen den Abstiegskampf." Cohen hat in Deutschland eine Entwicklung durchgemacht. Hier ist er vom Jüngling zum Stabilisator gereift. "Er ist unglaublich ehrgeizig", sagt sein Trainer Maik Walpurgis. "Er reißt die Mannschaft mit, ist ein Vorbild." Anders als zu Nürnberger Zeiten spricht er mittlerweile fließend Deutsch. Das anfängliche Problem für den Juden, in Deutschland koscheres Fleisch zu bekommen, hat er gelöst. Er ernährt sich daher auch ausgewogener als zu Beginn seiner Zeit in Deutschland, als er ob dieses Problems vor allem Thunfisch-Sandwiches und Nudeln vertilgte. Und anders als zu Nürnberger Zeiten trägt er kurze Haare, seiner Frau zuliebe. Allerdings ist er damit den Spitznamen "Gattuso" los, zeichneten den ehemaligen italienischen Sechser Gennaro Gattuso, Cohens Idol, doch ebenfalls lange dunkle Haare aus.

So ganz passte der Spitzname aber auch nicht: Cohen wirkt in seinem Wesen ruhiger und abgeklärter als der forsche Gattuso, der sich in seiner Karriere eher durch harte Zweikämpfe als durch Tore Respekt auf dem Rasen verschafft hatte.

Cohen wird dagegen weiter treffen müssen, um den FCI noch vor dem drohenden Abstieg zu retten, da die Stürmer in dieser Saison schwächeln und anders als Cohen oft nicht den direkten Weg zum Tor einschlagen. Der Israeli scheint derzeit selbstbewusster zu sein, er bekräftigte vor der Partie gegen Darmstadt: "Keiner will zweite Liga spielen, keiner will von sich sagen: Okay, ich bin mit Ingolstadt abgestiegen." Das klang fast so eindrücklich wie die Aussagen seines ehemaligen Trainers Lothar Matthäus. Man glaubt es Almog Cohen.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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