FC Ingolstadt:Oberbayerische Renaissance

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Der FC Ingolstadt erlebt in den 13 Wochen unter seinem neuen Trainer Stefan Leitl einen Aufschwung: Schon am Samstag könnte er die Führung in der inoffiziellen Leitl-Tabelle übernehmen.

Von Johannes Kirchmeier

Man konnte es am 25. August noch nicht ahnen, aber an jenem Freitag begann in der zweiten Fußball-Bundesliga eine neue Zeitrechnung. Stefan Leitl betrat als Trainer des FC Ingolstadt 04 bei der SpVgg Greuther Fürth die Bühne Profifußball, genauer gesagt betrat er sie als Interimstrainer, nachdem zuvor Maik Walpurgis nach drei Niederlagen zum Start und als Tabellenletzter entlassen worden war. Die Ingolstädter gewannen das Derby 1:0 und Leitl biss sich fortan an seinem Posten fest wie früher als Kicker im FCI-Trikot an den Gegenspielern. Der vormalige U21-Trainer, der seit zehn Jahren beim Klub angestellt ist, wurde wenige Wochen später zum Cheftrainer befördert und hat seinen Verein seitdem steil nach oben geführt.

Nach dem 1:0 im Spitzenspiel am Sonntag gegen den Tabellenzweiten Fortuna Düsseldorf belegen die Ingolstädter in der natürlich hoch inoffiziellen Leitl-Tabelle (alle Ergebnisse ab dem 4. Spieltag) seit dem 25. August den zweiten Platz. Seit sieben Spielen haben sie nicht verloren, die offizielle Tabelle nach 14 Spieltagen weist den FCI nun auch schon als Fünften aus, zwei Punkte Rückstand sind es noch auf den Relegationsplatz drei, den Union Berlin belegt. "Die Abläufe stimmen, das System passt und das Selbstvertrauen und der Glaube an die eigene Stärke sind zurück", sagt der Linksaußen Sonny Kittel, der unter Leitl aufblüht: Sieben Tore und acht Vorlagen verbucht er mittlerweile, er wird immer mehr zu dem 1,78 Meter großen offensiven Anführer im Sportpark, der sein Trainer noch vor ein paar Jahren selbst war, auch wenn die gleiche Körpergröße dabei vermutlich nur dem Zufall geschuldet sein dürfte.

Blieb auch nach dem Abstieg aus der Bundesliga in Ingolstadt: Almog Cohen (links, im Zweikampf mit Düsseldorfs Robin Bormuth). (Foto: Armin Weigel/dpa)

Neben der mehrwöchigen Kur fürs Selbstwertgefühl versteht Leitl es offensichtlich auch, schwierige Kaderfragen zu moderieren. In seinem 4-3-3-System hat er nur Platz für einen Stürmer, daher lautet die Sonntagsfrage in diesen schwierigen politischen Zeiten in Ingolstadt ja immer: Spielt Darío Lezcano oder Stefan Kutschke? Der FCI verfügt über zwei Mittelstürmer mit Bundesliga-Niveau. Am Sonntag startete Kutschke, Lezcano kam für ihn. Wie vor zwei Wochen in Nürnberg, als am Ende beide mit je einem Tor den 2:1-Sieg sicherten.

"Im Winter werden wir, falls es nötig ist, unser Ziel korrigieren", sagt Leitl

Während die beiden zu Beginn der Saison noch oft nur dazu da waren, lange, hohe Bälle wie im englischen Kick-and-Rush-Stil herunterzustoppen und zum nächsten Mitspieler weiterzupassen, bindet sie Leitl stärker ins System ein. Die spielfreudigen Ingolstädter sind dadurch zu einem der aktivsten Teams geworden in einer kampfbetonten Liga, in der nur wenige Mannschaften auf eine offensive Spielweise setzen. "Mittlerweile sind wir sehr variabel, nicht mehr so ausrechenbar", sagt der defensive Mittelfeldspieler Christian Träsch über die Änderungen von Leitl. Sie haben etwas Anlaufzeit in der neuen Liga gebraucht, aber nun füllen sie die Rolle des Favoriten jede Woche aufs Neue mit Leben aus.

"Wenn wir unser Spiel durchdrücken, dann sind wir nur schwer zu schlagen", sagt auch Leitl. Was man gegen die vor dem Spieltag noch Tabellenersten aus Düsseldorf beobachten konnte. Eine Chance an die andere reihte der FCI in der ersten Hälfte, folgerichtig erzielte Alfredo Morales nach schönem Zuspiel von Kittel kurz vor der Pause die Führung. Anschließend kam Düsseldorf nur noch zu einer guten Gelegenheit, auch die Verteidigung zeigt sich stabil wie zuletzt in der Bundesliga-Saison 2015/16 unter dem heutigen RB-Leipzig-Trainer Ralph Hasenhüttl, als sich die Ingolstädter den Beinamen "eklig" verdient hatten. "Wir haben nach einem schwierigen Saisonstart eine beeindruckende Serie gestartete", fasst daher auch Rechtsverteidiger Tobias Levels zusammen. "Dann kann man sich auch mal selbst auf die Schulter klopfen."

„Wenn wir unser Spiel durchdrücken, dann sind wir nur schwer zu schlagen“, sagt Stefan Leitl, der als Trainer den Ingolstädter Aufschwung verantwortet. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Viele Menschen dürften ob der oberbayerischen Renaissance derzeit nicht gegen den FC Ingolstadt wetten, wenn sie einen Aufsteiger benennen müssten. Der ansonsten selbstbewusste Trainer Leitl selbst schränkt jedoch ein: "Wir haben mit dem Aufstieg nichts zu tun." Womit er sicherlich vorläufig Recht hat. Sieben Punkte Vorsprung haben die beiden Ersten Kiel und Düsseldorf auf den FCI erwirtschaftet, ein Relikt des schlechten Starts.

In der exklusiven Leitl-Tabelle immerhin könnte der im Frühjahr 2017 zum Fußballlehrer Ausgebildete schon nach dem nächsten Spiel die Führung übernehmen. Am Samstag treten die Ingolstädter in Kiel an, dessen Trainer Markus Anfang am vergangenen Sonntag das Spiel im Sportpark verfolgte. Die KSV Holstein liegt mit 26 gesammelten Punkten seit dem 25. August nur drei Zähler vor dem FCI. Und noch vor Weihnachten können Leitls Jungs die Verhältnisse aus ihrer Sicht noch ein Stück mehr gerade rücken. Sie treten noch bei Union Berlin an, wo sich endgültig zeigen dürfte, ob aus dem Zwischenspurt unter dem neuen Trainer nachhaltiger Erfolg werden kann. "Im Winter werden wir, falls es nötig ist, unser Ziel korrigieren", sagt Leitl schon einmal in weiser Voraussicht. Dann dürfte aus dem FCI auch hoch offiziell ein Aufstiegsanwärter geworden sein.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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