FC Ingolstadt:Endlich eklig

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Im Kellerduell gegen den HSV hofft er wieder auf etwas mehr "Matchglück", wie er sagt: Ingolstadts Trainer Maik Walpurgis. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Oberbayern finden unter ihrem neuen Trainer Maik Walpurgis zum konkurrenzfähigen Fußball zurück.

Von Johannes Kirchmeier, Ingolstadt

Der Presseraum im Ingolstädter Stadion ist klein. Normalerweise lässt sich dort jede Regung der Trainer vernehmen. Am Samstagabend fiel das jedoch schwer. Denn da regte sich nicht viel bei Ingolstadts Maik Walpurgis und Wolfsburgs Valérien Ismaël: Walpurgis bearbeitete nach dem 1:1 (1:0) mit seiner Oberlippe ein bisschen die vorgezogene Unterlippe, Ismaël saß starr auf dem Podium und wartete, bis er die Runde mit seiner Analyse eröffnen durfte: "Es war ein glücklicher Punkt für uns. Wir brauchen nicht drumherum zu reden, denn wir haben eine katastrophale erste Hälfte geboten", sagte der geknickte Franzose. Schnell wurde deutlich, dass auch der Ostwestfale Walpurgis geknickt war - allerdings aus anderem Grund: "Ich denke schon, dass wir drei Punkte verdient gehabt hätten heute."

So ähnlich der Gemütszustand der Trainer nach dem Spiel war, auf so eine unterschiedliche Leistung ihrer Teams blickten sie zurück: Während die Ingolstädter beim ersten Heimspiel ihres vor zwei Wochen verpflichteten neuen Trainers "mit Herz, Charakter und fußballerischer Klasse" (Walpurgis) ihre beste Saisonleistung zeigten, fehlten Ismaëls Mannschaft all diese Komponenten im Kellerduell komplett. Auch weil Walpurgis vor allem auf Altbekanntes setzt: "Wir haben zu unseren alten Tugenden zurückgefunden", sagte Linksverteidiger Markus Suttner in den Katakomben. Die Ingolstädter spielen wieder wie im vergangenen Jahr im oftmals als "eklig" titulierten Pressing-Stil von Ralph Hasenhüttl, der nun den Tabellenführer RB Leipzig anweist. "Jeder weiß, wie er zu laufen hat, zu attackieren hat und zu spielen hat", präzisiert Suttner.

Am Samstag hetzten die Ingolstädter Spieler wie aufgescheuchte Hunde hinter dem Ball her und entnervten dabei die Wolfsburger, die zwar am Ende deutlich mehr Ballbesitz hatten, mit einer namhaften und nicht ganz billigen Offensive um Mario Gomez, Daniel Didavi und Julian Draxler bestückt waren, aber trotzdem erst tief in der zweiten Halbzeit erstmals aufs Tor schießen konnten. Wie rostige alte Autos stotterten die Gäste über den Rasen und hatten Glück, beziehungsweise den starken Torhüter Diego Benaglio, dass sie die Ingolstädter nicht mit einer deftigen Niederlage in die Heimat entließen. Benaglio hielt einen Foulelfmeter von Moritz Hartmann (18. Minute), insgesamt dreimal trafen die Oberbayern das Torgestänge, ihren Treffer köpfelte der aus Leipzig ausgeliehene Anthony Jung (31.), der unter Walpurgis zum Stammspieler geworden ist. Die hoch honorierten VfL-Spieler wirken dagegen überfordert mit ihrer prekären Situation, gerade einmal zehn Punkte erwirtschafteten sie in zwölf Ligaspielen. Sie stecken mitten im Abstiegskampf, den Ausgleichstreffer in Ingolstadt erzielte Daniel Caligiuri spät und mit viel Glück, nachdem FCI-Verteidiger Marcel Tisserand den schwachen Ball abgefälscht hatte (78.).

Man habe "keine Antwort" auf die ungewohnten Anforderungen, "das ist erschreckend und enttäuschend", sagte Geschäftsführer Klaus Allofs. Der derzeit noch eine weitere Krise moderieren muss: Nach der Abgasaffäre überdenkt Sponsor Volkswagen angeblich sein millionenschweres Engagement. Der Klub rechnet mit erheblichen Einsparungen. Kürzlich deutete Allofs bei einem Auftritt im Fernsehen an: "Man wird sehen müssen, welche Ziele Volkswagen hat: Fußball am Standort oder Bundesliga-Spitze?"

Künftig könnte der Verein mehr auf eigene Jugendspieler statt auf teure Einkäufe setzen müssen. Ein erster Schritt dazu mag die Berufung Ismaëls, der zuvor die U23 trainierte, zum Cheftrainer sein. Ismaël wartet jedoch im fünften Spiel immer noch auf seinen zweiten Sieg, was auch den Druck auf seinen Förderer Allofs erhöhen dürfte, der auf einige unglückliche Entscheidungen blickt: Gomez hält bei einem Tor, zwei weitere teure Zugänge Yannick Gerhardt und Jeffrey Bruma verunsichern die Abwehr mehr, als dass sie sie verstärken, und den seit einem Jahr in Wolfsburg kickenden Draxler wird seit Langem nachgesagt, dass er den Klub möglichst bald verlassen will. Am Samstag sprach er wohl auch deswegen am offensten von allen: "Wir stehen zurecht da unten", sagte er. "Das Problem liegt in den Köpfen."

Von einem "Kopf-Problem" sprach auch Ismaël, dessen Team sich künftig von den Ingolstädtern inspirieren lassen muss. Denn auch im Abstiegskampf geht es darum, dass die Akteure ihrem Beruf mit Freude nachgehen. Und beim FCI tun sie das nach zuvor zwei Remis in zehn Spielen unter Walpurgis (vier Punkte in zwei Partien) nun wieder: "Die Arbeit mit ihm macht uns richtig Spaß", sagte der breit lächelnde Torschütze Jung - gänzlich ohne "Kopf-Probleme".

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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