FC Chelsea:Ballack ist schuld

Lesezeit: 2 min

José Mourinho hat die Sündenböcke für die verkorkste Saison ausgemacht: Es sind Michael Ballack und Andrej Schewtschenko.

Raphael Honigstein

Von den ,,good vibes'', den positiven Schwingungen in seiner Elf hat Sir Alex Ferguson am Wochenende geschwärmt. ,,Wir sind eine harmonischere Gruppe'', sagte er nach dem Gewinn der englischen Meisterschaft mit Manchester United. Was er meinte, war: im Vergleich zur Vorsaison. Für Sir Alex hatten Stürmer Ruud van Nistelrooy und Kapitän Roy Keane damals den ein oder anderen Reibungspunkt zu viel gesetzt - beide wurden kühl ausgemustert. ,,Niemand ist größer als der Verein'', so lautet das Motto des Teammanagers Ferguson.

Beim FC Chelsea ist die Situation anders, dort sind bekanntlich gleich zwei Darsteller größer als der Klub: José Mourinho, der Trainer, und Roman Abramowitsch, der Eigentümer. Die Schwingungen waren über die gesamte Saison nicht gut, doch nachdem die Beiden es nun ein letztes Mal miteinander versuchen wollen, muss die Schuld für Platz zwei in der Meisterschaft und das Aus im Champions-League-Halbfinale anderswo gesucht werden. Glaubt man der Daily Mail, so hat Mourinho, ähnlich wie damals Ferguson, zwei Profis als Sündenböcke benannt: ,,Mourinho verlangt Rausschmiss von Ballack und Schewtschenko'', schrieb das Blatt am Wochenende -, diesen Wunsch habe er Abramowitschs' Adjutanten Eugene Tenenbaum mitgeteilt. Chelsea dementierte, so ein Gespräch habe nicht stattgefunden.

Abramowitsch' Sekret

Doch Mourinho heizte die Diskussion am Sonntag nach dem 1:1 beim FC Arsenal gezielt an: ,,Wer unser Spiel gesehen hat, weiß, warum einige Spieler Erfolg haben und einige nicht'', sagte er, ,,man kann genau analysieren, was ein Spieler geleistet hat. Bei der Wahl zum Spieler des Jahres bekommen deshalb manche 20000 Stimmen, manche 20 und manche null.'' Jeder wusste, wer gemeint war: ,,Es scheint, als ob Mourinho versuche, Ballack und Schewtschenko im Sommer loszuwerden'', folgerte der Guardian.

Dem per Dekret von Abramowitsch verpflichteten Ukrainer hat Mourinho schon länger mangelnden Kampfgeist vorgeworfen. Ohne eigenes Verschulden und unabhängig von seinen Leistungen ist nun auch Michael Ballack bei dem impulsiven Ehrgeizling in Ungnade gefallen. Mourinho hatte lange seine schützende Hand über den Kapitän der deutschen Nationalelf gehalten, doch seit sich der 30-Jährige vor knapp zwei Wochen in München am Knöchel operieren ließ, ist das Verhältnis gestört. Chelseas medizinische Abteilung hatte die Schwere der Verletzung falsch beurteilt - eine Knochenabsplitterung im Gelenk wurde komplett übersehen -, aber nach einem Wutausbruch von Mourinho eisern an der Einschätzung festgehalten, die Operation sei unnötig, zumindest verfrüht gewesen.

Die Kabinen-Rädelsführer John Terry und Frank Lampard, die beide gerade um neue, lukrative Verträge verhandeln, machten ebenfalls kräftig Stimmung gegen den bestbezahlten Kollegen. Von Vereinsseite nahm den Deutschen niemand gegen diese Mauschelei in den englischen Medien in Schutz - die Furcht vor Mourinhos Zorn ist dort zu groß.

Ballack hat seinem Trainer in einem längeren Gespräch plausibel dargestellt, dass er ,,nicht aus Jux und Dollerei'' auf das Finale der Saison verzichtet hat, wie es aus seinem Umfeld heißt. Doch mit Fakten ist Mourinho nicht immer beizukommen. Hat sich der 44-Jährige erst einmal mit jemandem überworfen, gibt meist kein Zurück mehr. Dennoch soll an diesem Dienstag in London der um Ausgleich bemühte Chelsea-Geschäftsführer Peter Kenyon die Schlichtung versuchen. Es kann sein, dass nach Analyse der Fakten nicht Ballack, sondern ein Mitglied von Chelseas Medizinstab die Koffer packen muss. Mourinho hat bereits vor zwei Jahren einen Arzt gefeuert, der die Profis nicht schnell genug auf den Platz jagen wollte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: