FC Bayern München:Warten auf den Jahrmarkt

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Der Rekordmeister will seinen Kader verkleinern - Wechselkandidaten sind Hargreaves und Samuel Kuffour.

Von Philipp Selldorf

Gestern erreichte Uli Hoeneß im Trainingslager in Bonn ein Anruf aus der Branche, der ihn verwunderte. Der Manager eines englischen Vereins bekundete Interesse an einem Bayern-Profi, "die kaufen jetzt ihre Spieler", stellte Hoeneß ein wenig süffisant fest, denn der Manager des FC Bayern hat seine Transfer-Aufgaben längst erledigt. Dennoch ist er gern behilflich, wenn sich jemand an ihn wendet, die Handelsabteilung ist noch nicht geschlossen. Der FC Bayern will zwar niemanden mehr kaufen, aber möglicherweise einige Profis aus dem 26 Spieler umfassenden Kader veräußern.

"Wir wollen dem Trainer Entlastung bieten", sagt Hoeneß, "wenn bei unserem ersten Heimspiel am 14. August zu viele Spieler auf der Tribüne sitzen, gibt's den einen oder anderen Krach." Außerdem kennt er noch einen profanen Grund: "Wir haben handfeste wirtschaftliche Interessen", sagt der Manager, "wir haben 25 Millionen Euro für unsere Einkäufe bezahlt, wollten aber bloß zwölf bis 15 Millionen ausgeben. Wenn wir nichts tun, machen wir am Saisonende zehn Millionen Verlust. Das wollen wir nicht."

Es war allerdings kein Gesandter vom FC Arsenal, der Hoeneß angerufen hat, obwohl in England Spekulationen kursieren, dass der Meisterklub den Münchner Rechtsverteidiger Willy Sagnol kaufen will, um dessen Nationalelfkollegen Patrick Vieira zu besänftigen. Vieira gefällt die zurückhaltende Transferpolitik seines Vereins nicht, er droht mit dem Auswandern zu Real Madrid, das bereit wäre, mehr als 30 Millionen Euro Ablösesumme für den französischen Mittelfeldspieler zu bezahlen. An dieser Stelle wird Hoeneß aufmerksam. "Wenn Vieira zu Real geht", sagt er, "dann haben wir eine Chance." Und zwar, Owen Hargreaves für einen guten Preis an den FC Arsenal zu verkaufen.

Hargreaves würde gern nach England

Hargreaves, englischer Nationalspieler, gehört der großen Gruppe im Kader an, die sich um einen der vier bis fünf Mittelfeldplätze beim FC Bayern bewirbt. Sie ist so groß, dass Trainer Felix Magath Probleme hat, alle zehn bis elf Kandidaten aufzuzählen, und Hargreaves hat er dabei glatt vergessen. Der 24-Jährige, der im Jugendteam zum Profi aufgezogen wurde, würde gern in England spielen.

Dem Guardian sagte er vor einigen Wochen, dass er mit der deutschen Mentalität Probleme habe ("es gibt so viel Politik und so viele interne Kämpfe beim FC Bayern"), sich als Außenseiter im Team empfinde, und bei jedem englischen Länderspiel dem Arsenal-Profi Ashley Cole auftrage, er solle ihn bei seinem Klubtrainer Arsene Wenger empfehlen. "Ich bin sehr offen für den Wechsel", erklärte Hargreaves. Hoeneß meint dazu, ihn störe dieses Klagen "überhaupt nicht. Die Aussagen sprechen nur für seine Verwirrtheit. Er überschätzt sich." Auch Hoeneß würde sich über einen Anruf aus London freuen.

Hargreaves ist nicht der einzige, der die rauen Zeiten spüren muss. Sammy Kuffour, ebenfalls ein Zögling der Jugendabteilung und ein wahrer Sohn des Vereins, wurde zuletzt von Hoeneß schnöde zum Verkaufskandidaten erhoben. "Das hat seine Gründe, und die liegen in seinem Engagement. Mit dem sind wir nicht zufrieden", sagt der Manager. Zwar hat Kuffour zuletzt ziemlich zugelegt, allerdings an der falschen Stelle: Er hat kräftig zugenommen. "Möglicherweise kann man mit so einer Aussage auch die Leistung steigern", sagt Hoeneß, doch das ist kein Ausdruck von Milde mit dem gelegentlich putzigen Verteidiger, der doch eigentlich zum Vereinsinventar gehört.

Nachsicht verdient in Hoeneß' Augen ein sportlich zwar abgehängter, aber engagierter Spieler wie Jens Jeremies ("der identifiziert sich total mit dem FC Bayern"), ein Mann wie Oliver Kahn hingegen weniger. Kühl reagiert der Manager auf die Äußerungen des Nationaltorwarts, der davon erzählte, dass ihn der FC Bayern mit Rücksicht auf seine persönlichen Probleme mit der Sensationspresse notfalls ziehen lassen werde. "Dem FC Bayern", stellte Kahn pathetisch fest, "ist der Mensch heilig." Hoeneß ergänzt mitleidlos: "Der FC Bayern ist uns aber noch heiliger."

Kahn hat das womöglich noch nicht erkannt, vermutet Hoeneß: "Die Maxime heißt: Die Spieler müssen dem Verein dienen. Wir haben sie in den letzten Jahren viel zu sehr verwöhnt. Das wird unter Felix Magath anders werden, und dabei stehe ich ihm als linker Verteidiger, als rechter Verteidiger und, wenn's sein muss, auch als Vorstopper zur Seite." Als er vor der EM beim Golfspielen in Irland von Kahns Wechselabsichten erfuhr, erzählt der Manager, "da habe ich zwei schlechte Löcher gespielt, und dann ging's weiter." Er nennt Kahns Klagen über sein übles Dasein in Deutschland "Kokettieren".

Wie im echten Leben sind auch beim FC Bayern die Zeiten rauer geworden. Magath kann dem Rotationsprinzip, das seinem Vorgänger Ottmar Hitzfeld zur Friedenspolitik diente, nicht viel abgewinnen. Die Einsatzzeiten werden sich auf weniger Spieler verteilen. Bis jetzt ist der Trainer unbefangen und meint: "Jeder Spieler hat die Chance, sich für die ersten Elf zu qualifizieren. Der Kader ist sehr groß, aber die Konkurrenz ist auch gut für den FC Bayern."

Gegen Verkäufe würde sich Magath aber nicht wehren. "Ich habe keine Forderungen an den Verein." Hoeneß sagt, es sei "gar nichts geplant. Wir gehen nicht auf den Jahrmarkt und rufen: Wir haben diesen und jenen Spieler zu verkaufen." Aber sollte der Jahrmarkt nach München ziehen, ist er willkommen.

© Süddeutsche Zeitung vom 29.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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