FC Bayern:Mehmet Scholl, der junge Veteran

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Der 32-Jährige verlängert nach zuletzt vielen Verletzungspausen die Karriere über 2004 hinaus und trotzt dem Ansturm der Talente beim FC Bayern München.

Philipp Selldorf

Leipzig - Es passiert nicht oft, dass Ottmar Hitzfeld ein profaner Ausruf des Erstaunens über die Lippen kommt. Hitzfeld und ein Laut der Sorte "boah", das ist eine Kombination wie Frack und Gesundheitssandalen, es passt schlecht. Gestern auf dem Trainingsplatz des FCBayern in Leipzig ist es ihm trotzdem widerfahren, als der Trainer erlebte, wie Nachwuchsstürmer Zvjezdan Misimovic den Ball mit Volleyschuss in den Winkel beförderte. Hitzfeld konnte nicht anders: "Boah", entfuhr es ihm, und dann applaudierte er so eifrig, als ob er ein Kunststück im Zirkus gesehen hätte.

Zvjezdan Misimovic, 21, nennt Ronaldo, Mijatovic und Maradona als Vorbilder. Seine Idole wären stolz auf ihn, wenn sie den in München geborenen, für Serbien-Montenegro spielenden Juniorprofi beim Training in Leipzig beobachtet hätten. Er trifft mit links und mit rechts, und es kümmert ihn nicht, dass ihm Oliver Kahn das ziemlich übel nimmt. Hitzfeld bezeichnet Misimovic, nicht überraschend, als großes Talent; garantiert werde der Angreifer "eines Tages in der Bundesliga spielen". Ähnliches sagt er aber auch über die anderen Neulinge: über Pjotr Trochowski, 19, ("kann deutscher Nationalspieler werden") und Christian Lell, 18, ("kann ich ohne Bedenken in der Bundesliga einsetzen"). Zählt man dazu noch die halbwegs etablierten Markus Feulner, 21, und Bastian Schweinsteiger, 18, den neuen Ersatztorwart Michael Rensing, 19, sowie die Einkäufe Tobias Rau und Martin Demichelis, beide 21, dann entsteht der Eindruck, der FC Bayern habe dem Team eine Antifaltenkur verordnet.

Unter all den jungen Kerlen muss sich Mehmet Scholl, 32, wie ein Veteran vorkommen, zu Beginn seiner elften Saison bei den Bayern. Mit Kahn, Linke und Lizarazu könnte er den Ältestenrat bilden. Scholl kann die Spuren seines Alters nicht leugnen (man sieht sie auf seinem Glatzkopf), aber er fühlt sich frisch genug, um dem Ansturm des Nachwuchses standzuhalten. Solange er seine Fähigkeiten ausleben kann, dürfte das auch kein Problem sein. "Wenn er fit ist, gibt es gar keine Diskussion, dann ist er für jede Mannschaft eine Verstärkung", meint Hitzfeld. Aber ob er fit bleibt? Scholl meint, die letzte Saison habe ihm wegen mehrerer Verletzungen "nicht viel gebracht" und die davor schon gar nicht. Aber sie hat ihn immerhin zu der Einsicht geführt, dass er seine Karriere um einige Jahre verlängern möchte. Überraschend kommt das, auch er selbst spricht von einem "Sinneswandel", denn eigentlich wollte er im Sommer 2004 aufhören. Doch in den Wintermonaten hat Scholl festgestellt, "dass ich nicht nur mithalten, sondern ein Spiel auch dominieren kann", und außerdem, so sagt er, "macht mir Fußball einfach viel zu viel Spaß. Ich genieße jede Sekunde im Training und jede Sekunde vom Spiel."

Scholl darf sich einigermaßen sicher sein, dass ihm Uli Hoeneß gern eine Vertragsverlängerung anbieten würde, obwohl der frühere Nationalspieler vorsorglich einen Wechsel ins Ausland in Aussicht stellt ("es gibt Interessenten aus Europa") und verschärfte Observierung befürchtet: "Ich weiß", sagt er, "dass die Bayern-Bosse mich genau beobachten werden." Die nächste Saison wird entsprechend schwer werden für Mehmet Scholl, selbst wenn Hitzfeld erklärt: "Man kann noch viel erwarten von ihm." Doch wo? Für Variationen im Mittelfeld, in dessen Zentrale Michael Ballack und Jens Jeremies ziemlich krisensichere Posten innehaben, ist wenig Platz. Scholl tritt in Konkurrenz zu Salihamidzic, Deisler, Hargreaves und Schweinsteiger. Im Sturm, wohin er ausweichen könnte, wird es genauso eng, erst recht, wenn Roy Makaay hinzukommen sollte, über dessen Transfer Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge eben mit La Coruñas Präsident Lendoiro verhandelt haben. "Wir haben eine große Konkurrenzsituation", sagt Hitzfeld. Makaay würde ihm "optimal in die Planung passen".

Knapp 20 Spiele hatte Scholl in der vergangenen Saison bestritten, "viel zu wenig", wie er findet, weshalb er nur dieses Ziel verfolgt: "Schauen, dass ich irgendwie auf meine Einsätze komme." Die Konkurrenz fürchtet er nicht, und von den Bemühungen um Makaay nimmt er keine Notiz. "Jeder Spieler beim FCBayern", sagt er, "vertraut auf seine Klasse - das muss man einfach. " Denn Misimovic und Co. stehen schon bereit.

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