FC Bayern im Uefa-Cup:Wieder Abdul-Salam Bilal

Lesezeit: 4 min

Von Belgrad bis Braga: Die Gegner in der Uefa-Cup-Gruppenphase bescheren den Bayern reizvolle Reisen, ein Spiel im Marakana und Kaninchen mit Bohnenkraut.

Mitbringsel vom Fabrikverkauf

Abdul-Salam Bilal, alias Nicolas Anelka (Mitte), feiert in der ersten Runde des Uefa-Cups gegen FK Rabotnicki Kometal Skopje mit seinen Boltoner Mitspieler ein Tor. (Foto: Foto: AP)

Beim Schuhstreit im deutschen Fußball haben sich bisher alle Beteiligten nur um die Hersteller Nike und Adidas gekümmert. Das ist fahrlässig, denn viel cooler, weil weniger verbreitet, ist Schuhwerk der Firma Reebok. Wenn der Besuch aus der englischen 140.000-Einwohner-Stadt Bolton anrückt, sollten die Bayern die Gelegenheit nutzen, sich Schnäppchen aus dem Fabrikverkauf mitbringen zu lassen. Denn in Bolton begann Joseph William Foster im Jahre 1885, Sportschuhe zu schneidern. 1958 wurde das Unternehmen nach der afrikanischen Gazelle benannt. Mittlerweile steht nur noch RbK auf den Schuhen, weil das noch viel cooler klingt.

Neben Schuhen ist Bolton bekannt für seine Städtepartnerschaft mit Paderborn und für seinen Fußballklub: Die Bolton Wanderers (Heimspiel, 8. November) spielten jahrzehntelang in der höchsten englischen Spielklasse. Nur in der achtziger Jahren stürzten sie kurzzeitig bis in die vierte Liga ab und retteten sich vor dem Bankrott, indem sie einen Teil ihres Stadions in einen Supermarkt umwandelten. Der Burnden Park wurde allerdings 1997 abgerissen und durch eine Reebok Arena in Horwich, außerhalb von Bolton, ersetzt. Mit Neubau-Stadien am Stadtrand kennen sich die Wanderers also aus. Ihr bekanntester Spieler ist Abdul-Salam Bilal, der wiederum noch bekannter ist unter dem Namen Nicolas Anelka. Im August 2006 verpflichteten die Wanderers den zum Islam konvertierten französischen Stürmer für die klubinterne Rekordablöse von acht Millionen britischen Pfund von Fenerbahçe Istanbul. Das könnte sich jetzt auszahlen: Anelka trug in der Saison 1999/2000 als Angreifer von Real Madrid mit zwei Treffern zum Halbfinal-Aus des FC Bayern in der Champions League bei.

Mit Gottes Hilfe

Auch Bragas Spieler erflehen Hilfe von oben, hier Jorginho im Spiel gegen Hammarby. (Foto: Foto: Reuters)

Ein uraltes Sprichwort sagt über die Städte Portugals: "Coimbra studiert, Lissabon lebt, Porto arbeitet und Braga betet." Die Gläubigen werden den örtlichen Fußballverein vor dem Spiel gegen den FC Bayern sicherlich in ihre Stoßgebete einschließen. Zum Glück dürfen die Bayern diese Partie auswärts absolvieren. Denn in Braga gibt es köstliche Spezialitäten zu kosten, zum Beispiel Enten-Reis (Arroz de Pato à Moda de Braga), Stockfisch (Bacalhau) und Kaninchen in Bohnenkraut (Coelho com Segurelha). Außerdem steht dort eines der spektakulärsten Stadien Europas. Das Estádio Municipal de Braga wurde für die Europameisterschaft 2004 in ein Felsmassiv gebaut. Nur an den Seitenauslinien stehen Tribünen. Hinter einem der Tore ragen Felsen empor, auf der anderen Seite öffnet sich das Stadion vom Monte Castro, dem höchsten Punkt der Stadt, hin zur Landschaft. Weniger spektakulär scheint die Mannschaft von Sporting Braga (auswärts, 29. November) zu sein: Der prominenteste und teuerste Spieler ist ein Österreicher - das kann nichts Gutes bedeuten. Aber Scherze sind nicht angebracht: In der ersten Uefa-Cup-Runde gegen Hammarby IF hat Roland Linz schon zwei Mal getroffen, in der Liga ebenfalls. Und er stammt aus der bekanntlich respektablen Nachwuchsabteilung des Bayern-Lokalrivalen TSV 1860. Wenn sie nicht weiterkommen, trösten sich die Einwohner von Braga mit der Vorfreude auf ihr größtes Fest, den Johannistag am 24. Juni. "Die ganze Stadt ist auf den Beinen", berichtet das Tourismusamt. "Mit Plastikhämmern schlagen sich die Leute gegenseitig auf den Kopf."

Schmerzen und ein großes Vorbild

Auf der Homepage des serbischen Rekordmeisters Roter Stern Belgrad hat der berühmte Schauspieler Ljuba Tadic eine Art Liebeserklärung verfasst. "Du wirst vor Freude springen", wendet sich Tadic an alle Belgrad-Fans, "aber nicht ohne die Fingernägel zu kauen." Eine Liebe mit Schmerzen sei Roter Stern Belgrad (auswärts, 25. Oktober), und weil das den Löwen-Fans in der Stadt vertraut vorkommen mag, werden sie bei diesem Auswärtsspiel der Bayern dem 24-maligen Meister und 21-maligen Cup-Sieger aus Belgrad erst recht die Daumen drücken. Derzeit aber sucht Roter Stern als Ligavierter mit sieben Punkten Rückstand auf Tabellenführer Partizan noch nach der alten Dominanz. Die über 500 Schmuckstücke umfassende Trophäensammlung ist dennoch eindrucksvoll. Der Fußballer, der an etlichen Erfolgen von Roter Stern Anteil hat, steht heute dem Klub als Präsident vor: Dragan Stojkovic ließ einst Belgrad jubeln und hatte dann zwei Herzen in der Brust, als er, gerade neu bei Olympique Marseille, 1991 im Europapokalfinale der Landesmeister ausgerechnet Roter Stern unterlag. Seine Wechsel zu Marseille und Hellas Verona gelten den Talenten des für seine Nachwuchsarbeit gerühmten Klubs als die Karriere, die sie selbst erleben wollen. Eine Spielstätte, die den Charme der großen Fußballwelt besitzt, haben sie schon: Wegen seiner Ähnlichkeit mit dem berühmten Stadion in Rio de Janeiro heißt der Spielort von Roter Stern "Marakana". Auch die Leidenschaft und Enge ähneln dem Vorbild, denn obwohl offiziell 55000 Sitzplätze ausgezeichnet sind, kommen bei großen Spielen regelmäßig rund 30000 mehr. Der Zuschauerrekord vom Derby gegen Partizan aus dem Jahr 1963 liegt bei 110000 Menschen. Die größte Ehre, die der Klub zu vergeben hat, ist die Auszeichnung "Stern des Sterns" (Zvezdina zvezda), die bislang nur fünf Spielern zuteil wurde, zuletzt Stojkovic. Sollte Belgrad den FC Bayern besiegen, kommt vielleicht ein sechster Stern dazu.

(stein)

Kaiserliche Verteidigung

Wenn der Verein von der ost-griechischen Mittelmeerküste in die Stadt kommt, werden Münchens Griechen feiern. Denn Aris Thessaloniki (Heimspiel, 19. Dezember), einer von acht Vereinen der selbst ernannten ,,Schönen'', ist nicht nur einer der größten, sondern auch einer der populärsten Klubs der Halbinsel. Und Vorsicht, Bayern: Auch Aris Saloniki hat seinen Toni. Der 1,70Meter kleine spanische U20-Nationalspieler Toni Calvo Arandes kam erst im Juli für rund 150.000 Euro von der B-Jugend des FC Barcelona nach Saloniki, inzwischen wird der Marktwert des begabten Mittelfeldmannes bereits auf rund zwei Millionen geschätzt, was ihn bei einer Vertragsdauer bis 2010 zum respektablen Anlageprojekt macht. Den mit Abstand auffälligsten und geschichts-trächtigsten Namen auf dem kanariengelben Trikot von Aris trägt ein 24-jähriger Brasilianer: Wenn Marco Aurelio, seines Zeichens linker Verteidiger, mit der strategischen Übersicht und militärischen Härte antritt, für die sein Namensvetter, der römische Kaiser und Christenverfolger Marc Aurel bekannt war, dann muss Bayern-Manager Uli Hoeneß um seine von Fouls und anderen Angriffen bedrohte teure Bayern-Offensive fürchten - Kaiser Franz hin oder her. Saloniki ist jedenfalls stolz auf seine Fußballer und die Schönheit der Stadt, die für ihre seit der Bibelzeit erwähnten christlichen und byzantinischen Kirchen 1988 zum Weltkulturerbe der Unesco ernannt wurde. Bayerns Franck Ribéry wird sich grämen, dass er dorthin nicht zum Auswärtsspiel reisen darf, denn Saloniki nennt auch die berühmten Moscheen Hamsa-Bey-Tsami, Alatsa-Imaret-Tsami und Yeni-Tsami sein eigen. Ob das Fußballspiel des Klubs sich mit der Schönheit der Architektur messen kann, darf aber bezweifelt werden: Derzeit ist Aris nur Achter der ersten Liga.

(SZ vom 10.10.2007)

© stein - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: