Fankrawalle in Italien:Todesschütze wegen Mordes angeklagt

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Der Polizist, der den Fußballfan Gabriele Sandri getötet hat, soll gezielt geschossen haben. Hilfe gegen die Gewalt unter Fans erhoffen sich die Verantwortlichen derweil von der Kirche.

Der Todesschütze des italienischen Fußball-Fans Gabriele Sandri wird wegen Mordes angeklagt. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft von Arezzo am Donnerstag. Gegen den Verkehrspolizisten, der weiterhin seine Unschuld beteuert, war bisher wegen Totschlags ermittelt worden. "Es ist eine unverzeihliche Tat, weil Waffen die absolut letzte Lösung sein sollten", sagte Arezzos Staatsanwalt, Ennio di Cicco. Der Polizist solle aber vorerst nicht in Untersuchungshaft genommen werden, da keine Fluchtgefahr bestehe, sagte di Cicco weiter.

Die Anwälte des Beamten sagten, sie werden ihren Klienten "mit aller Macht verteidigen". Ein Freund des getöteten Sandri hatte der Tageszeitung La Repubblica gesagt, er habe gesehen, wie der Polizist mit "beiden Händen an der Waffe" auf sie gezielt habe. Der Polizist hatte am Sonntag auf einer Autobahnraststätte bei Arezzo Krawalle zwischen Lazio-Anhängern und Fans von Juventus Turin unterbinden wollen. Dabei traf ein Schuss des Beamten Gabriele Sandri durch die Fensterscheibe eines Autos. Der Schuss habe sich jedoch nach Angaben des Schützen versehentlich gelöst. Innenminister Giuliano Amato hatte dagegen in einer Ansprache vor dem Parlament behauptet, dass der Polizist mit gestrecktem Arm auf das Auto geschossen hatte.

"Der Mörder muss zahlen!"

Bereits zuvor hatte der Vater von Sandri drastische Worte gefunden. "Mein Sohn ist von einem Mörder getötet worden. Ich verlange Gerechtigkeit, der Mörder muss zahlen", sagte Giorgio Sandri und forderte eine harte Strafe. Sein Sohn habe nichts mit der Hooligan-Szene zu tun gehabt, fügte Sandri hinzu. Er reagierte somit auf Zeitungsberichte, nach denen sein Sohn 2002 in Mailand bei Krawallen von der Polizei festgenommen worden war.

Nach den Gewaltausbrüchen will Italien dem ausuferenden Vandalismus im Fußball kurzfristig durch Restriktionen Herr werden. Langfristig aber soll die Kirche, die das Leben der Menschen auf dem Apennin maßgeblich mitbestimmt, in die Bekämpfung der Gewaltproblematik eingebunden werden. Der Präsident der italienischen Fußball-Liga, Antonio Matarrese, hat Kardinal Tarcisio Bertone, Staatssekretär im Vatikan, aufgefordert, die katholische Kirche in einer Kommission zu vertreten, die Vorschläge für eine tiefgreifende Erneuerung des Calcio vorlegen wird. Dem Rat sollen desweiteren Klubpräsidenten, Vertreter der Sicherheitskräfte und Journalisten beitreten. "Kardinal Bertone ist ein großer Fußball-Fan. Sein Beitrag ist wichtig, um aus dieser kritischen Phase herauszufinden", sagte Matarrese in einem Interview mit der katholischen Internetseite Petrus. Bertone, der im September 2006 zur rechten Hand von Papst Benedikt XVI. aufgestiegen ist, gilt als leidenschaftlicher Anhänger von Italiens Rekordmeister Juventus Turin. Er war 2004 für das italienische Fernsehen sogar schon einmal als TV-Experte im Einsatz.

Kurzfristig plant die Regierung für den kommenden Spieltag am 24. und 25. November in allen Profiligen die Sperrung von Fankurven in verschiedenen Stadien. Ein entsprechender Beschluss soll noch in dieser Woche gefasst werden. Zudem wird das in einem ersten Maßnahmenpaket bereits am Montag beschlossene Reiseverbot für Ultras angewendet.

Die Autobahnraststätte, auf der Gabriele Sandri erschossen wurde, ist zur Pilgerstätte für italienische Fußballfans geworden. (Foto: Foto: Reuters)

Insgesamt finden an diesem Spieltag 70 Begegnungen in den Serien A bis C statt. In mindestens 15 Arenen sollen bestimmte Bereiche für Zuschauer gesperrt werden. Außerdem erhielten verschiedene Fan-Gruppen ein Reiseverbot zu Auswärtsspielen. Der Tod des 28-Jährigen Gabriele Sandri, Anhänger von Lazio Rom, auf einer Raststätte bei Arezzo durch die Kugel aus der Waffe eines Polizisten hatte Gewaltausbrüche in vielen italienischen Städten zur Folge. In Rom waren unter anderem eine Polizeikaserne, der Hauptsitz des Nationalen Olympischen Komitees (CONI) und das Olympiastadion Ziel hunderter Krawallmacher.

"Der Einsatz gegen Hooligans muss für uns alle die absolute Priorität sein"

In der Serie A dürfen die Ultras von Atalanta Bergamo am letzten November-Wochenende nicht ins Giuseppe-Meazza-Stadion zum Duell mit Spitzenreiter und Meister Inter Mailand reisen. Gleiches gilt für Anhänger des AS Rom, der beim FC Genua antritt, und von Catania Calcio, das zu Gast beim SSC Neapel ist. Auch gegen Tifosi von Sampdoria Genua, AC Florenz, FC Turin und US Palermo soll ein Reiseverbot verhängt werden. Das Spielprogramm in den Serien B und C am kommenden Wochenende war bereits am Montag abgesagt worden.

Unterdessen rief der Präsident des italienischen Fußball-Verbandes (FIGC), Giancarlo Abete, die Klubchefs zu einer Allianz gegen die Gewalt auf. "Der Einsatz gegen Hooligans muss für uns alle die absolute Priorität sein", sagte Abete. Er lobte die Initiative des Präsidenten von Atalanta Calcio, Ivan Ruggeri, der die Hooligans aus dem Stadion seiner Stadt Bergamo verbannen und jeglichen Kontakt zu ihnen verhindern will.

"In den letzten Jahren haben mehrere Klubs das Bedürfnis verspürt, verstärkt auf Distanz zu den Ultras zu gehen. Es gibt Klubchefs, die unter Polizeischutz stehen, weil sie von Hooligans bedroht werden", sagte Abete im Interview mit der italienischen Sporttageszeitung Gazzetta dello Sport. Die Ermittlungen gegen die Hooligans, die für die schweren Krawalle am Sonntag verantwortlich gemacht werden, laufen weiter auf Hochtouren. Nach Auffassung der römischen Ermittler habe es sich bei den Angriffen auf die Polizeikaserne in Rom und auf den Sitz des CONI um einen klaren Angriff auf die Staatsgewalt gehandelt. Dabei erhärtet sich die Auffassung der Ermittler, dass die Angriffe geplant gewesen seien. Noch nie sei der erschwerende Terrorismusvorwurf im Zusammenhang mit Verwüstungen der Ultras angewandt worden. Dieser Tatverdacht wurde gegen zwei der in Rom in Untersuchungshaft sitzenden Ultras gerichtet.

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