Espanyol Barcelona:Im Steinbruch der Leidenden

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Spaniens Mittelklasseklubs sind die besten in Europa: Jahr für Jahr werden Teams wie Espanyol Barcelona im Uefa-Cup für ihren Einfallsreichtum belohnt.

Ronald Reng

Der einzige auch international berühmte Fußballer von Espanyol Barcelona trägt beim Training an diesem Morgen Sonnenbrille und Baseballmütze. Er kann es sich erlauben. Der einzige auch international berühmte Fußballer von Espanyol Barcelona ist der Torwarttrainer. Thomas N'kono aus Kamerun, Torwart mit langen Hosen in der spanischen Hitze, denn er war keine kurzen gewohnt, war der erste afrikanische Star einer Weltmeisterschaft. Das war 1982. Espanyol verpflichtete ihn direkt von der WM weg. 25 Jahre sind vergangen, N'kono ist nun 50, nur um festzustellen, dass sich eigentlich nichts geändert hat: ,,Espanyol ist und war immer ein Klub der Leidenden.''

Espanyol Barcelona: Gerangel ums internationale Geschäft. (Foto: Foto: dpa)

Einmal im Finale

Unvermittelt taucht der ewig übersehene von Barcelonas zwei Profiklubs an diesem Donnerstag im Uefa-Cup-Halbfinale gegen Werder Bremen auf Europas Bildschirmen auf. Einmal in 25 Jahren, 1988 und noch mit N'kono im Tor, stand der Klub im Uefa-Cup-Finale, gegen Leverkusen, das der Klub nach Elfmeterschießen verlor. Er gewann zweimal den spanischen Pokal, das Gesamtbild prägten jedoch die Niederlagen dazwischen. Auch die derzeitige Elf, Zehnter in Spanien, ist weder spektakulär noch außergewöhnlich und trotzdem - oder gerade deshalb - ein vorzügliches Beispiel, warum spanische Mittelstandsklubs die erfolgreichsten ihrer Art in Europa sind.

Dass dieses Jahr gleich drei spanische Abgeordnete - auch CA Osasuna und Pokalverteidiger FC Sevilla - im Uefa-Cup-Halbfinale stehen, braucht niemand für die unsinnige Debatte zu missbrauchen, ob nun die spanische oder die englische Liga die beste der Welt ist. Vielmehr kann der spanische Erfolg den Mittelklasseklubs überall in Europa zeigen, wie man dem Alltag entflieht, zumindest für ein Jahr, für ein paar große Abende. Anders als die vom Geld regierte Champions League belohnt der Uefa-Cup regionale Klubs, die mit Einfallsreichtum bei Taktik und Spielerausbildung ihre natürlichen Grenzen überwinden.

Zum Training an diesem Morgen kommt Espanyols Stürmer Walter Pandiani mit dem Mercedes. Ob seinen Erstwagen heute die Frau fährt? Einen Laster. Der Uruguayer Pandiani, einst Müllmann, besitzt etwa zehn Autos, ist mit exakt so vielen Toren der beste Torjäger dieser Uefa-Cup-Saison - und, streng genommen, bei Espanyol nur Ersatzspieler. In der Liga ist Raúl Tamudo als Mittelstürmer gesetzt, der dort auch zehnmal traf. Pandiani spielt nur im Pokal. Zwei Klassestürmer - die gemeinsam in dieser Saison erst ein Spiel begannen. Das ist der interessanteste Grund spanischer Stärke: Geredet wird heute, bei 50 Partien pro Saison, überall viel von Spielerrotation, die nötig sei, um einen Leistungseinbruch zu verhindern; doch wirklich permanent und radikal wechseln die Trainer zwischen all ihren 25 Spielern nur bei ein paar internationalen Großklubs - und in Spanien. Drei Tage, nachdem Espanyol im Viertelfinale Benfica Lissabon ausgeschaltet hatte, war die Elf in der Liga gegen Bilbao auf zehn Positionen verändert.

Möglich ist diese Spielerrotation, ohne dass die Elf entscheidend an Qualität verliert, weil spanische Mittelstandsklubs die hinteren Positionen der Teamhierarchie mit Lehrlingen aus der eigenen Ausbildung besetzen, die technisch und taktisch exzellent geschult sowie immer noch bezahlbar sind. ,,Der Steinbruch ist unser Herz'', sagt N'kono. Steinbruch, la cantera, heißt in Spanien die Jugendschule; sie ist vorbildlich. N'kono zählt Espanyols Profis aus der eigenen Produktion auf, er kommt bis neun, aber es sind wohl noch ein paar mehr: ,,Und der eine, wie heißt er noch?''

Urteile und Vorurteile bleiben auf Espanyols Weg durch den Uefa-Cup auf der Strecke. Ein Urteil: Ausgedient habe das Prinzip des Achtziger-Jahre-Fußballs, drei Meister und acht Zuarbeiter machen schon eine passable Elf. Espanyol funktioniert so. Für das Besondere sind allein zuständig: Raúl Tamudo beziehungsweise sein Double Pandiani, ihr - im Hinspiel gegen Werder gesperrter - Angriffspartner Luis García sowie das 31 gewordene einstige Wunderkind Ivan de la Peña, der sich heute tief ins Mittelfeld fallen lässt, um mit seinen Steilpässen das Offensivspiel quasi alleine zu organisieren. Ein Vorurteil: Ohne Geld keine Chance. Fünf Millionen Euro pro Jahr verdienen etwa beim Bundesliga-Dreizehnten Dortmund mehrere Spieler. Bei Espanyol erhält niemand mehr als 1,2Millionen. Mehr als 40 Millionen gibt das Jahresbudget nicht her. Damit, jammert die Mehrheit der Bundesliga, könnten sie nichts mehr erreichen; damit ziehen Jahr für Jahr bescheidene spanische Klubs wie zuletzt Alavés, Villarreal, selbst Rayo Vallecano ins Uefa-Cup-Halbfinale ein oder gar ins Endspiel.

Das Halbfinale gegen Werder, sagt Torwarttrainer N'kono, ,,ist unser Fest''. Denn lange oben halten kann sich kaum einer der Bescheidenen aus Spanien, dies ist das Paradox ihres guten Niveaus: Sie verdrängen sich gegenseitig. Nächstes Jahr wird Real Saragossa die Rolle des Aufsteigers im Uefa-Cup übernehmen. Espanyol wird dann schon zurück sein, im schmerzhaft aussichtslosen Alltag eines Mittelstandsklubs.

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