Erster Kölner Derby-Sieg seit 2011 -:Zwei Kopfnüsse

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Der Fallrückzieher von Kölns Anthony Modeste ging nicht ins Tor. Trotzdem traf Köln zweimal und gewann dass rheinische Derby. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Im rheinischen Duell entführt Köln beim 2:1-Sieg dank gelungener Standards drei Punkte aus Leverkusen. Der Werksklub muss dabei der aufwendigen Spielweise Tribut zollen.

Von Jörg Strohschein, Leverkusen

Es gab einfach kein Entrinnen für die Profis des 1. FC Köln. Trainer Peter Stöger schnappte sich jeden einzelnen seiner Spieler und drückte ihn so euphorisch an sich, dass die medizinische Abteilung des Klubs Schweißperlen auf der Stirn gehabt haben muss. Die Verletzungsgefahr schien erst nach dem rheinischen Derby ungewöhnlich groß für die FC-Profis zu sein. Der 2:1 (1:1)-Erfolg beim ungeliebten Nachbarn Bayer 04 Leverkusen setzte bei dem 49-Jährigen unmittelbar nach Abpfiff ungewohnte Emotionen frei. "Ich bin sehr zufrieden mit dem Auftritt. Vor allem, weil in den vergangenen Wochen unsere Spiele eigentlich ganz okay waren, die Ergebnisse aber nicht", sagte der Trainer gut eine Stunde nach dem Spiel, als sich seine Gefühlswelt wieder auf ein Normalmaß reduziert hatte.

Mehr als fünf Stunden war Stögers Team vor dieser Partie ohne Treffer geblieben, diesmal nutzten die Kölner zwei Standardsituationen für sich. Dies sorgte bei Stöger für doppelte Zufriedenheit. "Wir haben viel Engagement, viel Willen in diese Partie hineingelegt. Das war die Basis", sagte er. In der ersten Hälfte traf Dominic Maroh nach 17 Minuten aus kurzer Distanz für den FC zur Führung, nachdem Bayer-Verteidiger Kyriakos Papadopoulos einen Freistoß von Marcel Risse per Kopf unglücklich vor die Füße des Kölners verlängert hatte. In der 73. Minute traf Maroh dann erneut, diesmal per Kopf nach einem Eckball. Javier "Chicharito" Hernandez war nach 33 Minuten lediglich der zwischenzeitliche Ausgleich für die Werkself gelungen, die nicht verhindern konnte, dass es zur ersten Derby-Heimniederlage seit dem September 2011 gegen Köln (damals noch mit Lukas Podolski) kam.

Köln überflügelt auch in der Tabelle den Erzrivalen

"Solch einen Tag hat man nicht oft als Abwehrspieler. Das ist eine Mischung aus Erleichterung und Stolz", sagte Maroh, der nach einer langwierigen Verletzung erst langsam wieder in Tritt und Form kommt. Es war ein insgesamt verdienter Sieg der Kölner, die sich mit diesem Erfolg auf den siebten Tabellenplatz vorgeschoben und damit sogar die Werkself überflügelt haben. Ein Umstand, den die rund 6000 FC-Anhänger im Leverkusener Stadion bereits während des Spiels mit frenetischen "Die Nummer eins am Rhein sind wir"-Gesängen schadenfroh gefeiert hatten.

Bayer hatte gegen die sehr entschlossen, kompromisslos und überraschend offensiv auftretenden Kölner während der gesamten Partie große Probleme. Die beiden Angreifer der Gäste, Anthony Modeste und Philipp Hosiner, stellten mit ihrer Dynamik und ihrer Spielfreude die ohnehin fehleranfällige Leverkusener Abwehr häufig vor unlösbare Aufgaben. "Man muss einfach sagen, der FC hat das gut gespielt", gab Bayer-Sportdirektor Rudi Völler unumwunden zu. Und spätestens als Papadopoulos nach 53 Minuten nach Foulspiel an Modeste, der zu einem Alleingang auf das Leverkusener Tor angesetzt hatte, mit Rot des Feldes verwiesen wurde, "hatte man das Gefühl, dass der Akku bei den Spielern komplett leer war", räumte Völler ein.

Leverkusens Spieler wirken körperlich und taktisch überfordert

Die permanenten Aufholjagden in den vergangenen Wochen, zweimal gegen den AS Rom in der Champions League (4:4; 2:3) und gegen den VfB Stuttgart (4:3) in der Bundesliga kosteten die Leverkusener Spieler zu viel Kraft. Ihre überfallartige und laufintensive Spielweise, die viele Angriffe kreieren soll, aber mindestens genauso viel defensives Risiko in sich birgt, führt die Spieler derzeit an ihre körperlichen und auch taktischen Grenzen. "Die absolute Stabilität, die eine Mannschaft in den oberen Tabellenregionen auszeichnet, fehlt uns zurzeit natürlich", sagte Roger Schmidt. Leverkusens Trainer ist ein bedingungsloser Verfechter seiner Spielidee, von der er um keinen Millimeter abrücken will - ungeachtet der akuten Probleme, die sich im Zuge seines Spielsystems derzeit um sein Team ausbreiten.

14 erzielte Treffer in zwölf Partien bilden gerade einmal den biederen Durchschnitt in der Bundesliga - und sind für eine besonders offensiv ausgerichtete Mannschaft sicherlich kein zufriedenstellender Arbeitsnachweis. Mehr noch lassen allerdings die 16 Gegentreffer erste Zweifel daran aufkommen, ob Schmidts Mannschaft mit den vorgegebenen taktischen Rahmenbedingungen ihre Ziele verwirklichen kann. 17 Zähler reichen derzeit gerade einmal für Tabellenplatz acht. "Das ist sicher nicht die Punktausbeute, die wir uns vorgestellt haben", sagte Rudi Völler mit zerknirschter Miene.

Während die Leverkusener mit sich und der Welt unzufrieden waren, traten die Kölner die gerade einmal 15 Kilometer lange Heimreise bestens gelaunt an. Auch die vielen vergebenen Konterchancen ärgerten sie nicht mehr. "Wir hätten gerne noch öfter getroffen", sagte Matthias Lehmann. "Aber viel wichtiger war, dass wir keine Chancen mehr zugelassen haben." Ein diametral gegensätzlicher Ansatz zur Leverkusener Herangehensweise - und an diesem Nachmittag der deutlich effektivere.

© SZ vom 08.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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