Erster Grand-Slam-Titel:Das Spiel ihres Lebens

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Viel Leidenschaft und keinerlei Angst vor der Nummer eins der Weltrangliste: So glückte Angelique Kerber im Endspiel der Australian Open der Triumph über Serena Williams.

Die Zahlen nach zwei Stunden und acht Minuten lauten: 6:4, 3:6, 6:4. Mit diesem Ergebnis gewinnt Angelique Kerber am Samstag gegen die Weltranglistenerste Serena Williams ihr erstes Grand-Slam-Turnier in Melbourne. Was für ein Finale! Kerber zeigt gegen die beste Spielerin der Welt von Anfang an keine Angst. Im Laufe der Partie steigert sie sich immer weiter, spielt am Ende Weltklasse-Tennis. Nach 2:08 Stunden ist die Sensation perfekt. Einige entscheidende Momente im Rückblick.

Prolog

Der Weg aus den Katakomben der Rod- Laver-Arena zum Hauptplatz führt durch einen schmalen Gang, an dessen Wänden die Konterfeis früherer Sieger hängen. Auch an Steffi Graf, vor 22 Jahren die letzte deutsche Siegerin in Melbourne, läuft Angelique Kerber am Samstagabend um kurz vor 19.30 Uhr Ortszeit vorbei. Kerber lächelt und geht vor ihrer Gegnerin Serena Williams ins Stadion. Ein Zeichen ihres gewachsenen Selbstbewusstseins?

Die ersten Ballwechsel

Nicht viele Experten glauben vor der Partie an einen Sieg der Deutschen. Kerber ist Außenseiterin, sie steht zum ersten Mal überhaupt im Endspiel eines Grand-Slam-Finales. Zu erfahren wirkt Williams, die 21-malige Major-Siegerin, zu wuchtig spielt die 34-Jährige, zu schnell für Kerber, deren Stärke die Verteidigungskunst ist. Doch die ersten Ballwechsel zeigen, dass Kerber ihr Spiel verfeinert und auf ein höheres Niveau gehoben hat, sie steht jetzt näher an der Grundlinie, sie nimmt die Bälle früher, sie spielt unerschrocken, überhaupt nicht nervös - und macht viele direkte Punkte sowohl mi t der Vorhand als auch mit der Rückhand.

Das erste Break

Nicht Williams, sondern Kerber gelingt das erste Break in diesem Match. Die Deutsche führt 2:1. Williams ist allerdings von Kerbers Aggressivität zunächst wenig beeindruckt. Sie gleicht zum 3:3 aus. Doch beständiger, entschlossener ist die Deutsche, die den ersten Satz schließlich 6:4 gewinnt. Auch Kerbers Aufschlag, vermeintlich ihre Schwachstelle, kommt - ihr gelingen sogar fünf Asse.

Der zweite Satz

Im zweiten Satz spielt Kerber nicht schlechter, die Qualität der Ballwechsel steigt sogar noch an. Noch immer muss Williams für jeden Punktgewinn extrem arbeiten. Aber sie macht nun weniger Fehler, sie spielt konzentrierter und entscheidet den Durchgang mit 6:3 für sich.

Der beste Ballwechsel

Vor dem Finaldurchgang verlässt Kerber den Platz, sie geht auf die Toilette, sie atmet durch und kommt noch stärker zurück. Bei einer 1:0-Führung kommt es zum besten Ballwechsel, der typisch ist für dieses Finale, weil Kerber Williams mit ihrer Beweglichkeit und ihrem Willen in die Resignation treibt. Williams scheucht Kerber von einer Ecke in die andere und wieder zurück. Kerber erreicht auch noch die eigentlich unerreichbaren Bälle. Selbst einen Schmetterball der Weltranglistenersten spielt sie zurück, ehe sie mit einem Vorhand-Passierball den Punkt für sich entscheidet. Anschließend gelingt Kerber das Break, sie führt 5:2. Ist das schon der Sieg?

Das letzte Spiel

Williams gibt sich nicht auf, sie holt auf, Kerber führt nur noch 5:4. Lähmt sie die Nervosität nun doch? Ist es die berühmte Angst vor dem Sieg? Mitnichten. Mit einem Return wehrt Kerber nervenstark sogar einen Spielball ab. Der siebte Punkt in diesem Spiel bringt den ersten Matchball. Nicht Kerber verwandelt ihn, Williams spielt einen Vorhand-Volley ins Aus.

Epilog

Nach der Niederlage zeigt Williams Größe, eilt auf die Seite von Kerber, die nach dem letzten Punkt auf den Rücken gefallen war, aus Freude und Erschöpfung. Williams gratuliert und sagt: "Ich bin glücklich für dich, du verdienst es." Und Kerber? Sie strahlt, sagt: "Ich bin Grand-Slam-Champion, das ist verrückt."

Und plötzlich ist sie auch Weltranglistenzweite.

© SZ vom 01.02.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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