Erster Dopingfall bei der Tour:Dumm oder dreist

Lesezeit: 3 min

Erster Dopingfall auf der Tour: Luca Paolin wurde positiv auf Kokain getestet. (Foto: Nicolas Bouvy/dpa)

Die positive Kokain-Probe beim italienischen Radprofi Luca Paolini wirft einen Schatten auf die Image-Bemühungen der Tour. Dass der Fall das Katjuscha-Team betrifft, überrascht nicht.

Von Johannes Aumüller, Bordeaux

Als die Tour am frühen Freitagabend das Etappenziel in Fougères erreichte, da fuhr Luca Paolini, 38, mal wieder ein paar Sekunden hinter dem großen Feld ins Ziel. Der Italiener aus der russischen Katjuscha-Mannschaft ist ein sehr guter Radfahrer, aber seine Spezialdisziplin sind die Frühjahrsklassiker, so war er etwa in diesem Jahr beim Windrennen Gent - Wevelgem erfolgreich. Bei der Tour ist es seine Aufgabe, anderen aus seiner Mannschaft zu helfen, in diesem Jahr vor allem Alexander Kristoff den Sprint vorzubereiten oder Joaquim Rodriguez auf den flachen Abschnitten zu unterstützen. Paolini selbst fällt in der Masse der Fahrer während der Frankreich-Rundfahrt in der Regel nur wegen seines markanten rötlichbraunen Bartes auf.

Seit dem späten Freitagabend steht er aber nun doch im Mittelpunkt. Denn da verschickte der Radsport-Weltverband (UCI) eine Mitteilung: erster Dopingfall der Tour, Paolini auf der vierten Etappe positiv auf Kokain getestet.

Erster offizieller Doping-Fall seit 2012

Für die Verantwortlichen der Tour und die UCI-Spitze um Brian Cookson, der immer von einem erneuerten und saubereren Radsport spricht, ist das ein schwerer Tag. Paolinis Positivprobe ist die erste Dopingaffäre während der Frankreich-Rundfahrt seit 2012. Damals waren gleich zwei Fahrer ausgeschlossen worden: der Franzose Remy di Gregorio, den sein Team suspendierte, weil ihn die französische Polizei wegen des Vorwurfs des organisierten Handels mit Dopingmitteln verhörte. Und zum anderen der Luxemburger Frank Schleck, bei dem sich in einer Probe das Diuretikum Xipamid fand - das dient häufig dazu, um andere Dopingmittel zu verschleiern.

Die Reaktionen der Betroffenen waren so eindeutig wie vorhersehbar. "Ich bin fassungslos. Ich habe nicht Kokain genommen", sagte Paolini selbst. Teamsprecher Philipp Martens teilte der Nachrichtenagentur AFP mit: "Wir sind sehr überrascht, da Kokain keine Substanz ist, die die Leistung steigert." Sie wollen nun die Öffnung der B-Probe abwarten. Kokain ist nicht im Training verboten, sondern nur im Wettkampf und ein Klassiker unter den verbotenen Substanzen: Schon in den Anfangsjahren der Tour de France nahmen es die Fahrer, später wurden unter anderem Gilberto Simoni oder Tom Boonen damit erwischt.

Normalerweise ist Kokain vier bis zehn Tage nach der Einnahme im Blut nachweisbar. Anti-Doping-Experten verweisen allerdings noch auf eine andere generelle Möglichkeit, wie solche Substanzen in Proben gelangen können: Wenn ein Fahrer beispielsweise kurz nach einem - gemäß Doping-Regularien - nicht illegalen Konsum von Kokain im Training Blut lagern und sich dieses später wieder zurückführen lässt, kann das Kokain immer noch nachweisbar sein. Jedenfalls muss man dumm oder dreist sein, um mit Kokain zu dopen.

Team mit schlechtem Ruf

Dass es einen Katjuscha-Mann erwischt hat, verblüfft kaum jemand. Die Mannschaft genießt im Radsport einen ähnlich schlechten Ruf wie die kasachische Astana-Truppe. Chef ist Wjatscheslaw Jekimow, langjähriger Domestike von Lance Armstrong, als dessen US-Postal-Team ein umfangreiches Dopingprogramm betrieb. Zu den Ärzten gehört unter anderem Andrej Michailow, der Ende der Neunziger gestehen musste, in seiner Zeit als Arzt der TVM-Mannschaft das Blutdopingmittel Epo von Spanien nach Frankreich transportiert zu haben. Er sagte, es sei für ein Kinderhospital in Russland gedacht gewesen, das Gericht verurteilte ihn wegen organisierten Dopings zu einem Jahr auf Bewährung und einer Geldstrafe.

In den vergangenen Jahren gab es auch diverse Dopingfälle: Der Österreicher Christian Pfannberger, der Spanier Antonio Colom und der Russe Denis Galimsjanow wurden positiv auf den Blutdopingklassiker Epo getestet. Alexander Kolobnew wurde bei der Tour 2011 die Einnahme von Diuretika nachgewiesen. Ende 2012 wollte die UCI, damals noch unter der Leitung des affärengeplagten Iren Pat McQuaid, dem Rennstall die Lizenz verweigern - offiziell wegen der vielen Dopingfälle. Dieser plötzliche Sauberkeitsdrang war gänzlich ungewohnt, und in Russland argwöhnte sie damals, dass der Schritt wohl eher im Zusammenhang mit den sportpolitischen Aktivitäten von Katjuscha-Eigner Igor Makarow stehe, die sich angeblich gegen McQuaid richteten. Jedenfalls legte die Equipe Einspruch ein und bekam vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) recht. Seitdem gab es bei Katjuscha auch keine positiven Fälle mehr - bis zur Probe von Luca Paolini während der Tour.

© SZ vom 12.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: