EM 2008:"Schnitzel Cordoba"

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Das mögliche deutsche EM-Aus ist ein Fest für Satiriker. Im Internet feiert ein Lied schon das Ausscheiden der Deutschen - es gibt aber noch ein zweite Variante.

Werner Bloch

Mies, fies, bösartig und gut - das ist das Image des Kabarettisten Thomas Pigor. Der Mann gibt gern den zynischen Dandy, den intelligenten, bitterbös-galligen Kommentator mit der schmalzigen Napoleon-Locke. Und er liebt es, sich nach Herzenslust unbeliebt zu machen.

Österreich brachte Deutschland schon einmal zu Fall: bei der Weltmeisterschaft 1978. (Foto: Foto: dpa)

Diesmal aber ist er wohl einen Schritt zu weit gegangen. Mit dem bei YouTube veröffentlichten Video "Deutschland ist draussn" vergreift sich Pigor am Allerheiligsten der bundesdeutschen Gesellschaft: dem Fußball. Und das auch noch im rot-weiß-roten Gewand der "kleinen Nation", des nach Anerkennung gierenden, vom Minderwertigkeitskomplex geschüttelten und sich stets am großen Bruder reibenden Österreich.

"Wir müssen stänkern"

Nicht genug, dass in Wien derzeit "Schnitzel Cordoba" mit Erdäpfeln auf der Speisekarte mancher Lokale steht - nun macht uns der in Berlin lebende Franke Pigor den nörgelig-schmierigen Österreich-Fan im weißen Jackett und roten Trikot, der mit höhnischem Grinsen sein "Deutschland ist draussn" in die Kamera rotzt. Warum er das Lied mit österreichischem Akzent und Wiener Schmäh dahinhudelt und auch unsere "Experten" Netzer und Klopp abwatscht ("Das ist das Ende eurer Schönrednereien"), ist für den Kabarettisten klar: die Unlust am schwarz-rot-goldenen Fahnenrausch und sein Ruch gegen den winzigen nationalistischen Keim, den er darin vermutet.

"Ich frage mich ja immer, warum nicht mehr Fähnchen abgebrochen werden, auch meine Freunde sind ganz in dieser nationalen Euphorie. Ich bin der Einzige, der auf eine deutsche Niederlage setzt", sagt Pigor beim Gespräch in seinem Berliner Lieblingscafé Reza, "wir Kabarettisten dürfen niemals affirmativ sein. Wir müssen was dagegenhalten, wir müssen stänkern."

Das gelingt Pigor meisterhaft. Kein Wunder: Als bisher einziger Ausländer hat er den österreichischen Kabarettpreis gewonnen, zusätzlich zum deutschen Kleinkunstpreis, dessen Titel er allerdings hasst ("Kleinkunst, das klingt nach Kleingärtner, Halbmarathon und Küssen ohne Zunge"). Aufgewachsen ist er mit den Platten seines Vaters, der die verqueren Wiener Kabarettisten Qualtinger und Kreisler regelmäßig hörte.

Pigor kennt die spezifisch österreichische Variante des Humors, der immer mit herrlich schlechter Laune garniert wird: "Der ist immer ein bisschen schwärzer als bei uns. In Wien wird immer ein bisschen mehr gelacht als in Deutschland, wenn es richtig böse wird."

Niederlage der "Piefkes"

Jetzt hofft Pigor, dass die deutsche Nationalmannschaft sich gegen Österreich ordentlich blamiert und auf keinen Fall wieder als Sympathieträger dastehen wird wie bei der WM 2006. Sonst hätten die Menschen nicht so viel Spaß an der Häme, glaubt er: "Für mich wäre es schon schön, wenn die Fußballer so arrogant wären wie früher." Nach dem letzten Spiel gegen Kroatien darf man ja auf alles gefasst sein - auch dass Pigor wie ein Rumpelstilzchen den Triumph des Ausscheidens feiert.

Sollte die Niederlage der "Piefkes" eintreten, wäre die Alpenrepublik auf Wochen hinaus nicht wiederzuerkennen. Bisher galten ja Fußballfans dem Wiener, wie eine große Zeitung schrieb, als alkoholisierte Steinzeitmenschen und potentielle "Wildpiesler", die man lieber auf die Donauinsel verbannen sollte. Fürs Fähnchenraushängen am Auto bedurfte es gar einer Sondergenehmigung der Obrigkeit - als könnte man als normaler Wiener nicht ganz einfach mal seiner Fußballlust freien Lauf lassen. Dazu kommt der Hang der Österreicher zur Schwarzseherei, zum Fatalismus, die glühende Liebe zur Niederlage.

Thomas Pigor hat zur Sicherheit noch ein zweites Lied geschrieben, das ebenfalls auf YouTube zu sehen ist. Es heißt "Österreich ist raus", hat dieselbe Melodie wie "Deutschland ist draussn", und gesungen wird auf Hochdeutsch. Ein Song, mit dem sich die "Piefkes" an den Österreichern rächen. "Die Ösis, die Ösis", lacht da ein kaspernder, blubbernder Thomas Pigor am Ende und verschwindet ins Nichts.

Und wenn die Deutschen doch nicht rausfliegen? Hat er seinen Schmäh-Song umsonst geschrieben? Keineswegs, meint Thomas Pigor: "Dann schreib ich das Lied um für den European Song Contest. Da wird es auf jeden Fall stimmen."

© SZ vom 14.06.2008/pes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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