Eklat um Robert Lewandowski:Schimpfen und Schmunzeln

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Von Feuereifer war Robert Lewandowskis Auftritt in Köln nicht geprägt. Aber ausgewechselt werden? War ihm auch nicht recht. So lieferte das 3:1 einen Eklat - über den Jupp Heynckes bald lachen konnte.

Von Philipp Selldorf, Köln

Der Sieg der Bayern in Köln (hier das 3:1 durch Corentin Tolisso) war erwartbar. (Foto: Ralf Treese/imago/DeFodi)

Unter den vielen, meist rätselhaften Plakaten, auf denen ein paar Kölner Fans ihre Probleme mit dem Vereinsvorstand bekundeten, trat am Samstag in Müngersdorf eines hervor, das ein ganz anderes Anliegen thematisierte. "Danke Dominic, Derbyheld op ewig" stand darauf. Gemeint war der Abwehrspieler Dominic Maroh, 31, der vor zweieinhalb Jahren beide Tore zum 2:1-Sieg in Leverkusen geschossen hatte und der nun unten auf dem Rasen stand, von den Fans frenetisch gefeiert wurde - und darüber so bitterlich heulte, dass er selbst immer wieder den Kopf schütteln musste.

Er konnte es offenbar nicht fassen, wie ihn diese Momente übermannten. Vor dem Spiel gegen Bayern München hatte er Blumen und ein (wie üblich künstlerisch fragwürdiges) Souvenir erhalten, im Sommer wird er den 1. FC Köln nach sechs Jahren verlassen. Zwar freut sich der Klub, dass ihn in die zweite Liga so viele seiner Stammspieler begleiten werden, doch man will das Team auch ein wenig umbauen. Maroh bekommt keinen neuen Vertrag.

Harte Arbeit war das Markenzeichen des Innenverteidigers, und diesem Prädikat entsprach er auch im Heimspiel gegen die Bayern, das überraschend begann - mit Kölner Torchancen in reicher Zahl -, aber erwartungsgemäß endete: mit einem 3:1-Sieg des Meisters, den der Trainer Jupp Heynckes als Ausweis von "Charakter und Moral" für seine enttäuschten Europacuphelden wertete. Maroh hatte dabei unter anderem die Ehre, einen Hauptdarsteller des Nachmittags zu betreuen. Er bekam es mit Robert Lewandowski, 29, zu tun, der allerdings seinem Trainer mehr Verdruss bereitete als dem Gegenspieler.

Dass Lewandowski auf dem Platz stand, war ein Zugeständnis an seine besondere Stellung im Bayern-Betrieb. Üblicherweise besetzte bei den Auswärtsspielen der Rückrunde Sandro Wagner die Münchner Angriffsspitze, doch in Köln sollte der polnische Mittelstürmer Gelegenheit bekommen, sein privates Tor-Konto aufzubessern. Nicht, dass er es dringend nötig hätte, die Krone des Schützenkönigs der Liga wird ihm keiner mehr nehmen. Aber Torjäger sind eine besondere Spezies im Fußball, und Lewandowski hat das in Köln gleich doppelt bestätigt. Einerseits, weil seine Vorstellung keineswegs von Feuereifer und drängendem Ehrgeiz geprägt war, andererseits, weil er es dennoch für beleidigend hielt, dass er eine Viertelstunde vor Schluss den Platz für Wagner räumen sollte. In seinem Ärger über die unwillkommene Arbeitszeitverkürzung entschied Lewandowski, den üblichen Handschlag mit Cheftrainer Jupp Heynckes zu unterlassen - quasi ein Akt der Majestätsbeleidigung. Der düpierte Trainer erklärte dem Profi an Ort und Stelle, dass ihm dessen Verhalten nicht gefallen habe. Mancher Augenzeuge fand diesen Zwist fast so amüsant wie das Eigentor von Verteidiger Niklas Süle zur Kölner 1:0-Führung, sein bereits drittes Selbsttor in dieser Saison. Geradewegs in den Winkel flog der Ball, auch der gute Torwart Sven Ulreich war da machtlos. "Den hat er natürlich fantastisch reingemacht", lobte Mitspieler Thomas Müller.

Doch mehr als über Süle ("der Junge ist einfach klasse") musste Heynckes später über Lewandowski sprechen. Wenn ein Spieler gegen eine Anweisung des weltweit anerkannten FC-Bayern-Regenten Don Jupp protestiert, dann grenzt das nicht an ein Politikum, dann ist es eines. Die Fußball-Talkshows am Sonntagvormittag widmeten dem vermeintlich brisanten Vorfall viel Aufmerksamkeit, zumal Lewandowski, gegen Real Madrid zweimal torlos geblieben, zuletzt ohnehin ins Gerede gekommen war. Wegen des sensiblen Themas probierte es Hasan Salihamidzic am Tatort in Köln zunächst mit Leugnen, als er zur Sache befragt wurde. Doch der Sportdirektor erkannte schnell, dass die Version nicht haltbar war und schaltete in einen anderen Tonfall. Den der Verharmlosung. Aus dem anfänglichen Da-war-nix wurde: "Wir haben drüber gesprochen." Und: "Alles in Ordnung." Salihamidzic verriet auch den Auslöser: "Lewy wollte natürlich mit zwei, drei Toren nach Hause gehen und war auf sich selber sauer, dass er das nicht geschafft hat."

Jupp Heynckes hingegen schmunzelte über das Vorkommnis. Eine halbe Stunde nach Spielschluss fand der Coach den Fall Lewandowski längst schon amüsant. "Ich bin ja auch Stürmer gewesen", setzte Heynckes an, bevor er die etwas jüngeren Zuhörer darauf hinwies, dass auch er früher sein Geld als Fußballprofi verdient habe. Jedenfalls, und darum ging es ihm: "Wir Torjäger sind alle ein bisschen egoistisch und gucken auf die Torquote." Spätestens jetzt stand fest: Lewandowski durfte Köln mit einem Freispruch erster Klasse verlassen. Heynckes stellte klar, dass er zwar immer und unter allen Umständen die Befehlsgewalt ausübe ("Ich bin der Boss!"), führte jedoch entlastend an, dass der Bundesliga-Schützenkönig Lewandowski auch "das europäische Ranking" im Blick habe, und dazu brauche er eben noch ein paar Treffer. Doch die gab es selbst beim Tabellenletzten nicht zum halben Preis.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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