Einzelkritik:Stürmertore und eine Schwalbe

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Die Bestnote für Philipp Lahm, ein Tadel für Arne Friedrich - die deutsche Elf gegen Costa Rica.

Andreas Burkert

Jens Lehmann Stärke: Kaugummi kauen. Unerreicht lässig. Hielt anderseits nicht einen einzigen Schuss. Das war allerdings auch nicht möglich gegen den defensiven Außenseiter - denn in den beiden Auge-in-Auge-Duellen mit Paulo Wanchope besaß Lehmann nicht wirklich eine Chance. Musste sich mit einer kurzen Behandlung (am linken Sprunggelenk) durch Teamarzt Hans-Wilhem Müller-Wohlfahrt sowie bei einigen harmlosen Flanken verdingen. Dabei ließ er in der Schlussphase einmal den Ball fallen. Etwas Spannung braucht Jens Lehmann wohl ganz offenbar. Immer.

Arne Friedrich Der Berliner bestätigte ziemlich eindrucksvoll seine Leistungen der vergangenen Wochen. Schwächster deutscher Spieler. Startete durchaus mutig, doch sein Aussetzer beim ersten Gegentor, als er gedankenverloren die deutsche Abseitsfalle aufhob, verwandelte ihn wieder in eine fahrige Fehlerquelle. Nutzte seine durchaus vorhandenen Räume in der Offensive leider nur zu Sicherheitspässen oder unpräzisen Hereingaben. Nach der Pause mit weniger Ballkontakten. Kein Nachteil für das deutsche Spiel.

Per Mertesacker Sang die Nationalhymne so laut mit wie niemand sonst. Lautstarke Kommandos zur Koordinierung einer Abseitsfalle waren von ihm nicht zu hören. Im Verbund mit dem Kameraden Metzelder leider ein Sicherheitsrisiko bei den wenigen Kontern des Gegners in die Spitze. Womöglich ein Problem der Absprache, denn ansonsten zeigte der WM-Debütant ein gutes Stellungsspiel, vor allem sein Timing in Kopfballduellen ist erstaunlich. Tauchte einige Male gefährlich im gegnerischen Strafraum auf.

Christoph Metzelder Nutzte das WM-Eröffnungsspiel vermutlich, um Spielpraxis zu sammeln. Schaute dem Schlawiner Wanchope ebenfalls zweimal verdutzt hinterher. Bisweilen unsicher bei den anfallenden Aufräumarbeiten und in der Spieleröffnung. Immer noch weit entfernt von seiner früheren Form, und wenn sich das Zusammenwirken mit Per Meisterkarte nicht verbessert, wird Lehmann so bald keine Chance auf eine Parade erhalten. Und Deutschland nicht Weltmeister (sic).

Philipp Lahm Mit seinen 1,70 Metern der Größte. Vor nicht einmal drei Wochen am Arm operiert - und gestern nach sechs Spielminuten erster Torschütze der Fußball-WM 2006. Seine Gegenspieler landeten immer wieder mit einem Schleudertrauma auf dem Hosenboden, so frech hatte er sie soeben mit seinen Soli und Flanken genarrt. Nebenbei leistete der Münchner in der Deckung mehrfach Erste Hilfe, wenn Friedrich, Mertesacker und Metzelder mal wieder nicht eins waren. Vorzüglich.

Torsten Frings Obwohl ihm inzwischen die Haarfransen vor den Augen baumeln, verlor der Bremer trotz der unsicheren Hintermänner selten die Übersicht. Trat den Ball notfalls auch auf die Tribüne. Sicherte das Mittelfeld ab. Robust in den Zweikämpfen und sicherer Ballverteiler. Machte zudem Lahms Hoffnungen zunichte, bei der nächsten Wahl zum Tor des Monats konkurrenzloser Bewerber zu sein. Ein wunderschönes Tor.

Bernd Schneider Anstelle von Ballack Mannschaftskapitän und mit einer ähnlich glanzvollen Darbietung wie bei seinem letzten WM-Spiel (dem Finale von Yokohama 2002 gegen Brasilien). Öffnete im Minutentakt seine Trickkiste, bereite dabei Kloses 2:1 vor und trieb die Kameraden auch mit Worten an. Neben Lahm bester deutscher Spieler.

Tim Borowski Stinksauer, als ihn der Bundestrainer nach gut 70 Minuten vom Feld holte. Nicht ganz zu unrecht. Ein zwar unauffälliges Spiel des Ballack-Doubles, aber keineswegs ein schlechtes. Rieb sich verdienstvoll gegen Costa Ricas Antreiber Fonseca und Solis auf, spielte viele unspektakuläre, aber sinnvolle Pässe.

Bastian Schweinsteiger War vor dem Eröffnungsspiel nicht mehr beim Frisör. Dominierte mit Lahm die linke Seite, ohne das deutsche Spiel derart spektakulär und strategisch zu prägen wie in den Testspielen. Lieferte dennoch die Vorarbeit zu zwei Treffern: die scharfe Hereingabe auf Klose zum 2:1 sowie den Querpass nach einem Freistoß zu Frings. Auch an mittelprächtigen Tagen nicht mehr wegzudenken aus dieser Elf.

Lukas Podolski Tat es seinem Spezl Schweini gleich und verzichtete diesmal auf besondere Überraschungsmomente. Deutlich im Schatten von Klose und nur mit einigen Distanzversuchen gefährlich. Trotzdem eine wertvolle Anspielstation, zudem überaus fleißig und einsatzbereit. Stellte sich damit in den Dienst der Mannschaft. Vorbildlich. Zeigte in der zweiten Hälfte die erste Schwalbe dieser WM. Nanana!

Miroslav Klose Geburtstagskind, seit Freitag 28. Beschenkte sich und die Nation mit zwei blitzsauberen Stürmertoren. Unermüdlich im Kampf um den Ball und bereit, sich notfalls das Schienbein zu brechen für einen Ballgewinn an der Seitenlinie. Werder Bremen sollte gut auf ihn aufpassen.

Sebastian Kehl Ersetzte Borowski beim Stand von 3:1, eine Minute später stand es 3:2. Versuchte darauf, mit seiner Körpersprache aufzudrängen. Weshalb Klinsmann ihn brachte, wurde dennoch nicht ganz klar.

Oliver Neuville Niemand hatte etwas dagegen, dass er mitspielte. Doch musste es anstelle Kloses sein? Wurde einige Male auf die Reise geschickt, lief dabei einmal ins Abseits. Aber: Beim Trikottausch dabei gewesen.

David Odonkor Stand nach dem Ende der regulären betend an der Seitenlinie - würde der Referee seine Einwechslung noch genehmigen. Kam dann in der 91. Minute für Bernd Schneider (der die Kapitänsbinde an Frings ab). Ein superschneller Sprint an der Seitenlinie, eine hübsche Hereingabe, ganz ordentlich für zwei WM-Minütchen. Lief allerdings erneut mit seinen kreischroten Schuhen auf. Nunja.

Jürgen Klinsmann Gab wirklich alles. Im Grunde 90 Minuten vor der Seitenlinie stehend, trieb er seine Männer immer wieder lautstark an. Dabei konnten sie ihn natürlich gar nicht verstehen. Versöhnte sich nach dem 1:0 mit Ballack mittels eines schwäbischen Remplers. Verbesserungswürdig: Noch so manches.

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