Einzelkritik:Frisur ist nicht das richtige Wort

Lesezeit: 3 min

Lehmanns Fehler, Podolskis Tore und die Haare von Torsten Frings: die deutschen Spieler in der Einzelkritik.

Jens Lehmann: Bekam beim Aufwärmen einen Ball aufs Auge und musste kurz von Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt behandelt werden. Brauchte während der Partie jedoch lange nicht seine volle Sehkraft, denn es gab sehr wenig zu tun. Beim Gegentor sah er allerdings nicht gut aus - wenn er die Linie bei einer Flanke verlässt, dann muss er den Ball auch haben. Recht lustig dabei erscheint, dass Lehmann seinerzeit den Vorzug vor Kahn erhielt, unter anderem, weil er als besserer Strafraumspieler gilt. Der ist er normalerweise auch, nicht so jedoch an diesem Abend.

Philipp Lahm: Der 22-Jährige agierte mal wieder so abgeklärt, als spiele er seit 1871 in der Nationalelf. Es ist immer eine Freude, im zuzusehen. Gab im perfekter Mischung aus Gefühl und Vorahnung die Flanke, die Kapitän Michael Ballack per Kopf zum 2:0 nutzte. Defensiv fehlerlos, offensiv kreativ. Kurz: der beste deutsche Verteidiger. Klug genug, sich im späteren Verlauf der Partie zu schonen.

Arne Friedrich: Die gute Nachricht ist, dass er nichts falsch machte. Fühlt sich in der Innenverteidigung deutlich wohler als auf der Außenbahn, auf der er während der Weltmeisterschaft immer wieder einmal für allerlei haarsträubende Szenen sorgte. Hatte gegen die harmlosen Slowaken kaum Gelegenheit, einen Fehler zu begehen. Auf einen Beitrag zum Aufbauspiel verzichtete er klug.

Manuel Friedrich: Die gute Nachricht ist, dass er fast nichts falsch machte. Stand beim Gegentor allein gegen drei Slowaken, weil die gesamte Mannschaft zu unkoordiniert aufrückte. Nutzte ansonsten in Anbetracht der harmlosen Slowaken die Möglichkeit, mit A. Friedrich das Stellungsspiel ohne gegnerische Einwirkung zu üben.

Clemens Fritz: Leitete das 1:0 ein - nun gut, er brachte den Ball per Einwurf ins Spiel. Agierte sehr diszipliniert und bereits erstaunlich souverän. Fand stets die Balance zwischen Offensive und Defensive und scheint die Lösung der Zukunft auf der bisherigen Problemposition des rechten Außenverteidigers zu sein. Zeigte Härte, als es nötig war.

Bernd Schneider: Der Routinier überzeugte mit einiger Lässigkeit im rechten Mittelfeld, zudem mit exzellenten Pässen. Immer wieder zu sehen: Der Ball ist ihm ein guter Freund. Kann sich dennoch vom Ball trennen: Bereitete Podolskis 1:0 mit einem brillanten Zuspiel auf Klose vor. Ebenso Podolskis 4:1 - mit einem Zuspiel auf Klose. Probierte es auch mit einigen Fernschüssen, um seine Bilanz von lediglich drei Länderspieltreffern zu verbessern.

Michael Ballack: Der Kapitän arbeitete viel in der Defensive und fand dennoch Zeit, immer wieder ordnend ins Offensivspiel einzugreifen. Das 2:0 erzielte er per Kopfball selbst, vor dem 3:0 gab er den Schuss ab, der den slowakischen Torwart Contofalsky zum entscheidenden Fehler - nun ja, nicht zwang, aber doch verleitete. Als es nach dem Anschlusstreffer eine Weile hektischer wurde, half er er bisweilen in der Abwehr und überzeugte durch körperliche Robustheit.

Torsten Frings: Trägt noch immer seine WM-Frisur, wobei Frisur nicht unbedingt das richtige Wort für die Ansammlung an Haaren ist. Steht ihm aber selbstverständlich gut, und er fühlt sich damit so wohl, dass er sich zu einer Autorität im defensiven Mittelfeld entwickelt hat. Souverän besonders in der ersten Halbzeit, in der zweiten Halbzeit war etwas weniger von ihm zu sehen. Nahm sich wie Lahm etwas zurück, weil er weiß, dass in den kommenden Wochen noch viel Arbeit im Verein auf ihn wartet.

Bastian Schweinsteiger: Die Saison läuft wirklich gut für ihn. Stammspieler im Klub und Stammspieler auch in der Nationalelf. Nicht ganz so überzeugend wie in den Testspielen, war dennoch an entscheidenden Szenen beteiligt: Er legte Lahm den Ball vor, bevor dieser die Flanke vor Ballacks 2:0 schlug, besorgte das 3:0 aus spitzem Winkel - auffällig wieder einmal seine gute Schusstechnik.

Lukas Podolski: In seinem Klub, dem FC Bayern, ist er derzeit nur Einwechselspieler, deshalb sind Spiele der Nationalelf für ihn stets ein Therapieaufenthalt. Vollstreckte cool zum 1:0 nach Klose Zuspiel, vollstreckte etwas holprig zum 4:1 nach Kloses Zuspiel. Fühlt sich im Kreise dieses Teams offensichtlich sehr wohl. Erhielt in der 85. Minute einen Sonderapplaus, als er seinen Platz für den Wolfsburger Mike Hanke räumte.

Miroslav Klose: Sollte beim FCBayern München nach einer Prämie für die freundlichen Dienste fragen, die er Podolski erweist. Legte ihm zwei Tore auf und bemühte sich auch sonst immer wieder, seinen Sturmpartner in Szene zu setzen. Wirkte selbst nicht so spritzig wie so oft bei Werder Bremen, ist vermutlich etwas müde. Dennoch wichtigster deutscher Stürmer.

© SZ vom 12.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: