Dritte Fußball-Liga:Kämpfer zwischen den Pfosten

Lesezeit: 2 min

"Ich hatte bereits mit meinem Karriereende gerechnet." - Robert Wulnikowski plante einen Wechsel von Kickers Offenbach in die Autoindustrie. (Foto: Daniel Kopatsch/Getty Images)

Die Würzburger Kickers sind als Aufsteiger die Minimalisten der Liga - auch weil Torhüter Robert Wulnikowski mit 38 Jahren als ältester Spieler aller Mannschaften zu Höchstform aufläuft.

Von Fabian Swidrak

Während der Länderspielpause erlebten die Würzburger Kickers, was in ihrem Alltag sonst "nicht oft" vorkommt, wie Torhüter Robert Wulnikowski sagt. Trainer Bernd Hollerbach gab der Mannschaft zwei Tage am Stück frei, als Belohnung für den jüngsten 3:0-Erfolg bei Fortuna Köln, den bisher höchsten Saisonsieg des Drittliga-Aufsteigers. Hollerbach freute sich über das erst zweite Spiel, in dem seinem Team mehr als ein Tor gelungen war. Adam Jabiri und Nejmeddin Daghfous freuten sich über ihre ersten Saisontreffer. Und Wulnikowski darüber, dass er wieder einmal kein Gegentor kassiert hatte.

Mit seinen 38 Jahren ist der Würzburger Torhüter der älteste Spieler der dritten Liga. Auch ihm haben es die Kickers zu verdanken, dass sie nach knapp einem Drittel der Saison auf Rang elf in der Tabelle stehen und schon sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze haben. Wulnikowski ist in der dritten Liga der Schlussmann mit den wenigsten Gegentoren (vier bei elf Einsätzen) und den meisten Zu-Null-Spielen (sieben). "Natürlich bin ich darauf stolz. Aber das Alter spielt dabei keine Rolle", sagt der 1,92 Meter große Routinier, der noch zu Beginn des Jahrtausends für Union Berlin und Rot-Weiss Essen in der zweiten Bundesliga auflief.

Unter Trainer Hollerbach spielt Würzburg einen taktisch disziplinierten und für den Gegner unangenehmen Fußball. Die Abwehrarbeit beginnt schon weit in der Hälfte des Gegners, "das spielt mir in die Karten", sagt Wulnikowski. Mit Clemens Schoppenhauer hat er zudem einen der besten Innenverteidiger der Liga als Abwehrchef vor sich. Keine Mannschaft hat bisher weniger Tore kassiert (5), auch keine andere aber hat weniger Tore erzielt (8). Die Würzburger Kickers sind sozusagen die Minimalisten der dritten Liga.

Wulnikowski profitiert in seiner zweiten Würzburger Saison von der defensiven Ausrichtung der Mannschaft, kann Spiele aber auch selbst entscheiden. Im Rückspiel der Aufstiegsrelegation Ende Mai hielt er im Elfmeterschießen Saarbrückens letzten Strafstoß und brachte Würzburg so erst in die dritte Liga. Auch mit seiner enormen Erfahrung hilft er der Mannschaft. Wulnikowski ist der Spieler mit den neuntmeisten Drittligaspielen der Geschichte. Zuletzt übernahm er die Aufgabe als Kapitän für Torjäger Amir Shapourzadeh, der am Samstag nach einer Fünf-Spiele-Sperre gegen den VfL Osnabrück (14 Uhr) wieder mitspielen darf. Der nominelle Stellvertreter Christian Dermitas nämlich gehört aktuell nicht zur Stammbesetzung. Wulnikowski dagegen ist als Leistungsträger, Aufstiegsheld und Führungsspieler ein wichtiger Bestandteil der Würzburger Erfolgsgeschichte. Und das, obwohl seine Profikarriere vor zwei Jahren bereits vorbei zu sein schien.

Damals spielte Wulnikowski für die Offenbacher Kickers, die im Juni 2013 Insolvenz anmeldeten. "Von einem Tag auf den anderen war ich arbeitslos. Per Post bekam ich ein Schreiben, mit dem mir mein Vertrag gekündigt wurde", erzählt er. Der damals 36-Jährige klagte auf Wiedereinstellung und war monatelang vereinslos. "Ich konnte keine anderen Angebote annehmen. Erst im Januar war wieder ein Wechsel möglich." Doch er wartete vergeblich auf ein für ihn passendes Angebot. "Ich hatte bereits mit meinem Karriereende gerechnet und mir einen Plan B zurecht gelegt", erzählt Wulnikowski. Er habe damals in die Autoindustrie gehen wollen.

Erst im Februar, nach Ende der Transferperiode, wechselte er ohne Spielgenehmigung für die dritte Liga zu RB Leipzig. Wulnikowski trainierte mit den Profis und spielte für die zweite Mannschaft - in der Realität ein Wechsel in die sechste Liga. Gemacht habe er das nach dem Rechtsstreit mit Offenbach, "weil ich so nicht aufhören wollte mit dem Fußball. Kämpfen gehört zum Profi-Geschäft." Angesichts seines Alters glaubten nur wenige an eine Rückkehr in höhere Spielklassen - mehr oder weniger er selbst und Bernd Hollerbach. Ende Mai 2014 einigte sich beide auf eine Zusammenarbeit. Und Wulnikowski zahlt das Vertrauen nun mit Höchstleistungen zurück.

Sein Vertrag läuft nun zum Saisonende aus, doch noch denkt Robert Wulnikowski nicht ans Aufhören. "Vielleicht ist mein Job körperlich irgendwann nicht mehr machbar", sagt er. Aber bis es soweit ist, werde er im Tor stehen.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: