DOSB-Tagung:Deutliches Votum, wenig Klarkeit

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Versammlung mit fadem Beigeschmack: Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann. (Foto: Peter Gercke/dpa)

Der Deutsche Olympische Sportbund sagt Ja zur Reform des Spitzensports. Aber viele Fragen bleiben offen - und es beginnt der Kampf ums Geld.

Auf einmal tat sich Ungewöhnliches in dem Sitzungssaal eines Magdeburger Hotels, in dem der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zu seiner jährlichen Tagung zusammen gekommen war. Es gab flammende Appelle, Rede und Widerrede - und sogar die mutmaßliche engste Abstimmung in der für gewöhnlich Einigkeit zelebrierenden deutschen Sportfamilie (150:134). Aber all das tat sich erst ganz am Ende, als es um solch spannende Fragen wie die Aufnahme des Cheerleading-Verbandes CCVD in den DOSB oder einen Antrag des Kanu-Verbandes zur Korrektur der Fördersystematik für die nicht-olympischen Spitzenverbände ging (beides abgelehnt).

Bei der zentralen Frage des Tages hingegen herrschte die übliche Zustimmungsrate. Eine einzige Gegenstimme und fünf Enthaltungen gab es bei dem Votum über das neue Reformkonzept für den Leistungssport. 98,6 Prozent stimmten trotz der erhitzten Debatte und der vielen Kritikpunkte der vergangenen Monate zu. DOSB-Präsident Alfons Hörmann sprach von "Steilvorlage und Rückenwind". Aber: Was bedeutet der Beschluss jetzt genau?

Das Ministerium war der Treiber, der Sport musste mitziehen

Das lässt sich abschließend noch nicht beantworten. Zwei Jahre lang verhandelten der DOSB und das Bundesinnenministerium (BMI) als größter Geldgeber des Bundes (Etat derzeit zirka 160 Millionen Euro) über ein neues Konzept. Das Ministerium war eindeutig der Treiber, der Sport musste mitziehen. Im Kern geht es darum, dass die deutschen Athleten mehr Medaillen gewinnen sollen. Zunächst soll gemäß Konzept eine sogenannte Potas-Kommission anhand von 60 Kriterien Disziplin für Disziplin bewerten und alle Disziplinen einteilen. Strukturgespräche und die Förderkommission aus BMI und DOSB verfügen auf dieser Grundlage, wer wie viel Geld erhält. Disziplinen mit großen Erfolgschancen erhalten eine umfassende Förderung, die schwächeren Disziplinen nahezu nichts.

DOSB-Boss Hörmann, der aufgrund diverser umstrittener Aktionen in der jüngeren Vergangenheit im deutschen Sport gerade sehr kritisch beäugt wird und in Magdeburg nicht sonderlich viel Applaus für seine Ausführungen erhielt, kündigte an, sich "ab Montag" um die Umsetzung der Reform kümmern zu wollen. "Nicht woher der Wind weht, sondern wie wir die Segel setzen, entscheidet über die Zielerreichung", sagte er.

Viele Detailfragen sind allerdings noch offen. Die Spitzenverbände zeigen sich in gebremster Euphorie, weil manche von ihnen Einschnitte befürchten. Bemerkenswert ist in jedem Fall der auf Drängen der Verbände in die Beschlussvorlage eingefügte Passus, nach dem das Konzept "einer Fortschreibung der Inhalte sowie einer Weiterentwicklung und Spezifizierung der Maßnahmen bedarf". Etwas unkomplizierter, aber dafür etwas zugespitzter übersetzt heißt das: Wir sagen jetzt einmal ja, aber wir haben noch einige Erwartungen - was hindert uns daran, Stopp zu sagen, wenn uns etwas nicht passt? Mancher Delegierte sprach hinterher von einer "Zustimmung unter Vorbehalt".

Diesen Begriff vermied die Verbandsspitze um Präsident Hörmann und Vorstandschef Michael Vesper. Aber auch sie erklärten, dass noch Dinge zu verhandeln seien. Das wissenschaftliche Attributsystem und die Olympiastützpunkte zählen ohnehin dazu - aber auch bei der Attributenliste für das Potas-System wünscht sich der Sport noch Verfeinerungen, sagte DOSB-Vorstandschef Michael Vesper.

Der Sport macht einen Schritt - und wartet aufs Geld

Die zentrale Frage ist nun das Geld. Der Sport hat sich dem Druck des BMI nach Veränderungen vor allem deswegen gebeugt, weil er hofft, auf diesem Weg zu einem ordentlichen Anstieg seiner Mittel zu kommen. Der für Sport zuständige Innenminister Thomas de Maiziere, wegen der Teilnahme an der Trauerfeier seines engen CDU-Parteifreundes Peter Hintze nicht anwesend, wiederholte in einer Video-Botschaft seine Ansage: Bei der Umsetzung der Reform werde er sich für eine substanzielle Aufstockung stark machen.

Aber die Frage ist, ab wann diese Aussage greift. Der Sport vermittelt den Eindruck: Wir haben jetzt einen Schritt gemacht, jetzt muss das BMI auch mehr Geld zusagen. Beim BMI hingegen sehen sie das deutlich anders: Jetzt hat der Sport zugestimmt, jetzt muss erst einmal die Reform inklusive konkreter Umsetzungen erfolgen, und danach kann es mehr Geld geben.

Ein formales Ja zur Reform ist nun da. Der große Kampf um die künftige Gestaltung des Leistungssports hat aber erst begonnen.

© SZ vom 04.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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