Dortmunds mühsamer 4:2-Sieg:Unerwarteter Wellengang

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Borussia Dortmund gewinnt auch sein neuntes Pflichtspiel der Saison. Beim 4:2 in Hannover profitiert der Tabellenführer aber auch von drei Fehlern eines gegnerischen Verteidigers.

Von Carsten Eberts, Hannover

Der Jubel war gewaltig, als die Spieler von Borussia Dortmund nach der Partie zur Gästekurve stolzierten. Wobei, was heißt Gästekurve: Der Bereich, in dem die schwarz-gelben Anhänger saßen, umfasste locker eine gesamte Kurve und zwei halbe Geraden. "Wer wird deutscher Meister - Borussia BVB", schmetterten die Fans den Profis entgegen. So viel Ausgelassenheit nach einem Auswärtssieg in Hannover?

Es war wohl vor allem der Spielverlauf mit all seinen Wellen, mit allen Aufs und Abs gewesen, der den Dortmunder Anhang so euphorisch hatte werden lassen. Der BVB hat in Hannover zwar sein viertes Spiel dieser noch jungen Saison mit 4:2 (2:1) gewonnen und damit die Tabellenführung verteidigt. Doch die Partie lief so völlig anders, als viele es erwartet hatten. Hannover, das bislang nur einen Punkt erwirtschaftet hat, präsentierte sich zur eigenen Überraschung lange ebenbürtig, steuerte durch Artur Sobiech (18., 53. Minute) zwei blitzsaubere Treffer bei.

"Hart erkämpft, aber verdient"

Der BVB musste alles aufbieten, um nach Toren von Pierre-Emerick Aubameyang (35., 84., jeweils Elfmeter), Henrikh Mkhitaryan (43.) und einem Eigentor von Felipe (67.) auch das neunte Pflichtspiel der Saison zu gewinnen. "Wir sind geduldig geblieben", lobte Trainer Thomas Tuchel, "dieser Sieg fühlt sich hart erkämpft, aber verdient an." Sein Trainerkollege Michael Frontzeck wollte kaum widersprechen: "Dass wir hier nicht den Sieg mitgenommen haben, ist der Qualität der Dortmunder geschuldet."

Zu Beginn drohte die Partie die erwartet einseitige Angelegenheit zu werden, denn es stürmte nur der BVB. In der achten Minute setzte Aubameyang einen Kopfball knapp am Hannoveraner Gehäuse vorbei; vier Minuten später benötigte Shinji Kagawa zu lange, um den Ball unter Kontrolle zu bringen - er verzog ebenfalls (12.). Ilkay Gündogans Distanzschuss (16.) gefiel ebenfalls. Der Führungstreffer schien nur eine Frage der Zeit.

Nach dem Führungstreffer fassten die Hannoveraner Mut

Wendepunkt: Beim Stand von 2:2 unterläuft Hannovers Felipe (l.) ein Eigentor - danach kann 96 dem überlegenen BVB nichts mehr entgegensetzen. (Foto: Nigel Treblin/Getty Images)

Es kam anders. Tuchel musste von der Seitenlinie mit ansehen, wie Hiroshi Kiyotake, der gerade erst von einer dringenden familiären Angelegenheit aus Japan zurückgekehrt war, die erste Hannoveraner Offensivaktion initiierte. Über Leon Andreasen kam der Ball in die Mitte zu Artur Sobiech, der den Ball an BVB-Keeper Roman Bürki vorbei ins Netz drückte (18.). Dem Spiel entsprach dieser Zwischenstand überhaupt nicht, doch Hannover hatte urplötzlich Mut gefasst. Und kämpfte. Und rackerte. Und stürmte bisweilen.

Dortmund benötigte etwas Hilfe, um ins Spiel zurückzufinden. Die kam, in Form eines Elfmeters, in der 35. Minute. Aubameyang verwandelte locker vom Punkt, Felipe hatte Jonas Hofmann am Oberschenkel erwischt - es war Felipes erste, unglückliche Aktion des Tages. Kurz vor der Pause mündete die Dortmunder Überlegenheit in den Führungstreffer: Matthias Ginter durfte unbedrängt in den Strafraum flanken, Mkhitaryan nahm den Ball aus 15 Metern mit Risiko und jagte ihn unhaltbar ins Netz (43.). Aus BVB-Sicht war der Unfall durch den Sobiech-Treffer damit zunächst behoben.

Hummels selbstkritisch

Von der Souveränität eines Tabellenführers war zu Beginn der zweiten Halbzeit dann wenig zu sehen. Hannover kehrte mit mehr Esprit auf den Platz zurück, Sané hatte per Kopf die Chance zum Ausgleich, doch Bürki parierte stark (47.). Sobiech, dem Mats Hummels im Strafraum tollpatschigerweise das Spielgerät überließ, machte es besser: Der Pole überwand Bürki aus zehn Metern zum zweiten Mal (53.), die Arena tobte nun ob der neuerlichen Wendung. Hummels gab sich selbstkritisch: "Ganz klar, den Ball hätte ich haben müssen", sagte er. "Nach dem 2:2 hätte das Spiel auch in die andere Richtung gehen können", merkte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke später kritisch an.

Ging es aber nicht - und das lag vor allem an Felipe, dem Hannoveraner Abwehrmann, der noch zweimal entscheidend eingriff. Tuchel brachte in Adnan Januzai und Gonzalo Castro frische Kräfte. Das wirkte: Erst schlitterte Aubameyang noch um Zentimeter an einer Gündogan-Hereingabe vorbei (65.). Wenig später brachte Ginter, der am Flanken Gefallen gefunden hatte, den Ball erneut gefährlich herein. Aubameyang brachte den Ball aufs Tor, doch er traf den heranspringenden Felipe - der Ball lag im Netz (68.). Der Treffer wurde als Eigentor gewertet.

Damit nicht genug, mit seinem Handspiel im Strafraum wenig später kürte sich Felipe endgültig zum Hannoveraner Unglücksvogel. Aubameyang chippte den Ball vom Elfmeterpunkt frech ins Tor (84.), Felipe senkte traurig sein gelocktes Haupt. Er wusste, welchen Dienst er seiner Mannschaft erwiesen hatte. Tuchel lobte dagegen vor allem die Moral seiner Spieler. "Wichtig für die Entwicklung der Mannschaft war auch, dass sie nach dem überraschendem 0:1-Rückstand geduldig geblieben ist", sagte der Trainer.

© SZ vom 13.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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