Dortmunds Gegner Lissabon:Sphinx vom Niederrhein

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Setzte im Hinspiel den entscheidenden Wirkungstreffer für Lissabon: Kostas Mitroglou (rechts neben dem Dortmunder Marcel Schmelzer). (Foto: imago/Global Images)

Kostas Mitroglou hat sein Glück als Fußballprofi erst spät gefunden. Es läuft jetzt so gut, dass er sogar irre Offerten aus China ablehnt.

Von Javier Cáceres

Ein paar Freunde traf Konstantinos Mitroglou ins Herz, zwei Wochen ist es her - und noch immer schmerzhaft wie im ersten Moment. Denn Mitroglou, 28, stellte im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League als Stürmer von Benfica Lissabon gegen Dortmund das 1:0 her, das die Borussia am Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF) aufholen muss, "und Kostas hat einige Freunde, die BVB'ler sind", sagt Sawas Kosmidis am Telefon. Kosmidis ist der Onkel von Mitroglou. Er betreibt in Neunkirchen-Vluyn, wo der griechische Nationalspieler aufgewachsen ist, einen Imbiss. Und er weiß, dass die Eltern, die immer noch in dem Ort wohnen, sowie eine Reihe von einstigen Schulkameraden sich nach Dortmund begeben werden, um Mitroglou live zu sehen. In einem Königsklassenspiel vor 65 849 Zuschauern.

Mitroglou lernte das Spiel in der Jugend des MSV Duisburg

Geträumt hat Mitroglou von solchen Bühnen lange, erreicht hat er sie auf verschlungenen Wegen. Geboren wurde der Mann, den alle bloß Kostas rufen, zwar am Golf von Thasos, in der Hafenstadt Kavala. Doch noch als er ein Bub war, zogen seine Eltern nach Neunkirchen-Vluyn, nur 60 Kilometer von Dortmund entfernt; er selbst hat auch einen deutschen Pass. Mitroglou spielte er bei TuS Preußen-Vluyn und dem SV Neunkirchen; später beim MSV Duisburg in der Jugend. Er galt als überaus talentierter A-Jugendspieler, schaffte es bis in die U23 von Borussia Mönchengladbach, doch der Weg in die Bundesliga blieb ihm versperrt. Dafür empfahl er sich über Griechenlands U19-Nationalelf für ein Engagement beim Erstligisten Olympiakos Piräus, wo er von 2007 an - nach kurzen Ausleihen bei Panionios und Atromitos Athen - den Durchbruch als Profi schaffte.

In Griechenland nannten sie ihn "den Deutschen". Mitroglou holte mit Olympiakos zehn nationale Trophäen und reüssierte auch in der Champions League, ehe er 2014 für eine Ablöse von 14,5 Millionen Euro zum FC Fulham nach England ging; unter anderen trainierte ihn dort der in der Premier League glücklose Felix Magath. Verletzungen warfen Mitroglou immer wieder zurück, und das erklärt, dass er bis ins Jahr 2017 von der zu ätzenden Titeln neigenden englischen Boulevardpresse als "Fulham-Flop" geführt wird.

Ihre Aufmerksamkeit zieht er aus gutem Grund auf sich. Denn nach einer kurzen Rückkehr als Leihspieler zu Olympiakos Piräus (und Spekulationen über einen Wechsel zu Borussia Dortmund) landete Mitroglou 2015 in der portugiesischen Hauptstadt - und fand dort seine Bestimmung. Zunächst galt Cristiano Ronaldos Stammklub Sporting Lissabon als interessiert. Doch Mitroglous Wechsel wurde zu einem heftigen Politikum, als Benfica deutlich mehr Geld bot als Erzrivale Sporting: 1,5 Millionen Euro Leihgebühr und eine Kaufoption über weitere 7,5 Millionen Euro. Benfica zog die Option - nachdem Mitroglou 19 Ligatreffer erzielt und sich den Spitzname MitroGolo verdient hatte. Golo steht im Portugiesischen für "Tor".

Auch in dieser Saison läuft es für Mitroglou prächtig. Zwar vergab der 1,89 Meter große, bullige Stürmer am vergangenen Wochenende bei Benficas 1:0-Sieg gegen CD Feirense drei gute Chancen, zuvor aber hatte er in sechs Pflichtspielen in Serie getroffen; in seinen vergangenen 17 Spielen kam der bullige Mittelstürmer auf 18 Tore. Auch deshalb geriet er in diesem Winter ins Visier des chinesischen Vereins Tianjin Quanjian. Dessen Trainer Fabio Cannavaro war derart versessen darauf, Mitroglou zu verpflichten, dass er bereit gewesen sein soll, seine Einstiegsofferte von mehr als 30 Millionen Euro Ablöse auf 45 Millionen zu erhöhen. Doch Kostas Mitroglou lehnte ab - China könne warten.

Das steigerte seine Beliebtheit in Lissabon ungemein. Dort lieben sie den klassischen Mittelstürmer, der überaus pragmatische Tore schießt. Sein mysteriöser, sphinxhafter Blick wirkt mitunter teilnahmslos, seine Bewegungen sind eher von Arbeit als von Eleganz geprägt, ästhetische Ansprüche verfolgt er nicht. Doch dahinter verbirgt sich eine Geistesgegenwart, die beim 1:0 gegen den BVB im Estádio da Luz gut zu beobachten war, als er den Spielverlauf auf den Kopf stellte.

Nun ist er im Westfalenstadion gefordert, wo er nicht nur auf der Tribüne Freunde finden wird, sondern auch in der gegnerischen Abwehrreihe: Mit Dortmunds Innenverteidiger Sokratis spielte Mitroglou unter dem früheren Dortmunder Coach Michael Skibbe in der griechischen Nationalelf zusammen.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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