Doping im Sport:Verlorener Kampf gegen das Doping

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Der Sport bringt die Kraft zur Selbstreinigung nicht auf, und die Politik hat das Interesse verloren.

Thomas Kistner

Aus Sicht des Sports ist der Antidopingkampf auf dem bestem Wege. Zur Rundum-Überwachung der Athleten durch die Weltantidoping-Agentur Wada gehört womöglich bald die elektronische Fußfessel, schlampige Gesellen wie der deutsche Hockeyspieler Draguhn, der 2008 in geselliger Runde einen jäh angesetzten Dopingtest versäumte, müssen mit jahrelangen Sperren rechnen. Zugleich wurde dem Publikum bei Olympia in Peking eine neue, als porentief rein beglaubigte Heldengeneration vorgeführt: Amerikas Schwimmwunder Phelps und die jamaikanische Bodenrakete Bolt. In dies Bild passten Chinas tolle Turn-Frauen, die in Kinderkörpern steckten.

Der Radsportler Bernhard Kohl wurde 2008 des Dopings überführt. (Foto: Foto: AFP)

So präsentiert sich der Spitzensport: Hier ständig neue Höchstleister, die mit unfassbaren Rekorden das Schneller-höher-weiter-Spektakel befeuern; Mutanten der Sportindustrie. Dort der Kampf gegen einzelne Sünder, die es im Sport immer geben wird - das räumen die Funktionäre gern ein: Sport könne nicht sauberer sein als der Rest der Gesellschaft, schwarze Schafe gebe es überall. Aber mit den ein, zwei Prozent Positivfällen, die Zehntausende Testverfahren weltweit seit Jahrzehnten ausweisen - eine merkwürdig konstante Größenordnung -, kann das Sportkartell gut leben.

So weit die Innenansicht. Von außen, objektiv besehen, hat dies nichts mit der Realität zu tun. Tatsache ist, dass im Sport ein klarer Systemzwang herrscht, speziell in Kraft- und Ausdauersparten muss dopen, wer mithalten will. Dieser Strukturzwang ließ international operierende Netzwerke entstehen, die nur per Zufall entdeckt werden, wenn staatliche Organe ermitteln: In Kalifornien und Madrid, in Wien oder Freiburg, wo Koryphäen der nationalen Sportmedizin systematisch gedopt haben.

Auch das ist ja signifikant: Nicht halbseidene Weißkittel, sondern international reputierte Hämatologen sind in die Netzwerke Madrid und Wien verwickelt. Das Dopinggeschäft lohnt sich. Es ist so lukrativ wie der Drogenhandel, und ähnlich dimensioniert. Nur wird es bisher kaum verfolgt.

Bekannt ist auch, dass die paar schwarze Schafe, auf die sich die Geschäftemacher des Sports gern herausreden, Unfug sind. Viele Mittel sind nicht zu finden oder leicht zu verschleiern, der Rest oft nur in engen Zeitfenstern nachweisbar. Die Wahrheit liegt also nicht in irgendwelchen Laborstatistiken, sondern in Expertisen, wie sie zum Beispiel saarländische Sportwissenschaftler 2005 Zur Häufigkeit des Dopings im Leistungssport vorlegten. Sie befanden anhand von 586 anonymen Datensätzen deutscher Kaderathleten, dass "bei einer Leistungssportkarriere in mindestens jedem vierten Fall der Einsatz verbotener Mittel anzunehmen" sei und schätzten den Doperanteil auf bis zu 48 Prozent.

Solche Zahlen ignoriert der Sport. Sie zeigen ja, was zu erwarten wäre von effektiven Strafgesetzen, die den Ermittlern ein konzertiertes Vorgehen mit Hilfe von Instrumenten wie Telefonmitschnitten ermöglichen würden - es wäre der merkantile GAU. Die Enthüllung einer prosperierenden Wunderwelt, die auf Betrug fußt. Der autonome Riese Sport hat beste Gründe, ein effektives Strafgesetz abzulehnen. Er will die Sache selbst regeln. Er hat ja seine Wada.

Die Illusion Peking könnte noch platzen, 500 Proben werden nachgetestet; jedoch nicht auf alles, was es gibt. Dafür sorgt die Wada, das neue Feigenblatt des Sports. 1999 zwangen die Regierungen der Welt dem Sport diese Agentur auf, nach hartem Ringen haben die Verbände die Kontrolle übernommen. Die Politik schaut auf andere Krisenplätze, Europa hat gar nur noch Vertreter aus Dopinghochburgen wie Spanien und Russland im Wada-Vorstand.

Diese Agentur probt neuerdings ein altes Sportklassenrecht. Der Fußballweltverband Fifa, mächtigster von allen, darf ein Sonderrecht für seine Kicker auf testfreie Urlaubszeiten proklamieren. Dann regeneriert mal schön, der Antidopingkampf ist schon verloren.

© SZ vom 25.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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