Doping im Radsport:Neues aus der Welt der Scheinwahrheiten

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Nach Erkenntnissen der Doping-Untersuchungskommission des Klinikums Freiburg soll es bei Fahrern des "Team Telekom" bzw. des "T-Mobile Team" jahrelang systematisches Doping gegeben haben. Der deutsche Sport braucht jedoch nicht zu glauben, das Thema sei nun ausgestanden. Im Gegenteil.

Thomas Hahn

Dieser Zwischenbericht ist nur eine Etappe auf dem Weg zu dem, was man vielleicht einmal die Wahrheit über die Dopingmachenschaften in der Abteilung Sportmedizin des Universitätsklinikums Freiburg nennen kann. Das hat die unabhängige Expertenkommission in der Vorbemerkung ihres 23-seitigen Berichts selbst noch einmal festgestellt, indem sie schrieb: "Durch neue Erkenntnisse aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt, aber auch durch die Auswertung von weiteren, nun zur Verfügung stehenden Informationen ist indes mit weiteren Ergebnissen zu rechnen."

Wolfgang Jäger (rechts), Rektor der Uni Freiburg, und Hans Joachim Schäfer, früherer Richter, berichten über den Stand der Ermittlungen (Foto: Foto: AP)

Das bedeutet: Noch herrscht keine Ruhe an den Ufern des Freiburger Sumpfes. Die Universität hat den Fall ihrer allzu umtriebigen Sportärzte noch nicht gelöst, und auch der deutsche Sport braucht nicht zu glauben, das Thema sei nun ausgestanden. Im Gegenteil.

Schon dieser Zwischenbericht ist schließlich pikant genug. Er überrascht nicht unbedingt mit seinen Erkenntnissen, weil kritischen Betrachtern längst klar sein musste, dass die bisherigen Enthüllungen um das geständige Mediziner-Trio Lothar Heinrich, Andreas Schmid und Georg Huber noch etwas oberflächlich waren. Und dass Freiburger Ärzte zwischen 1993 bis 2006 systematisch Radsportler dopten, wie es der Kommission jetzt "schlüssig" erscheint, war nach all den Enthüllungen des vergangenen Jahres schon lange sehr naheliegend.

Aber immerhin bestätigt der Bericht einige weiter reichende Verdächtigungen, indem er Einblicke gewährt in die Systematik der Freiburger Leistungsmanipulationen, und widerlegt ein paar Scheinwahrheiten. Die Sportärzte-Lobby zeigte zuletzt gerne auf die drei geständigen Kollegen und erklärte sie zu Einzelfällen des Bösen.

Das war schon immer unglaubwürdig - jetzt nennt der Bericht der unabhängigen Kommission zwei weitere Freiburger Ärzte als Empfänger von Zahlungen aus dem verseuchten Radsport: die beiden früheren T-Mobile-Ärzte Andreas Blum und Stefan Vogt; Blum war bis Dezember 2006 in Freiburg, Vogt verlor seinen Job wegen seiner Verwicklungen erst kürzlich, am 10. März.

Der Bericht zeigt, wie lohnend das Radsportlerdopen sein kann, und führt damit das gutgläubige Publikum auf den Grund der Manipulationsmentalität bei Sportärzten; Engagements für Jahreshonorare bis zu 120.000 Euro soll Heinrich an seinem Arbeitgegeber vorbei eingegangen sein, weshalb das Land Baden-Württemberg auch schon Klage gegen ihn erhoben hat vor dem Arbeitsgericht Freiburg - ebenso wie gegen Heinrichs Kollegen Schmid.

Und wieder sticht ins Auge, dass selbst im Geständnis die Lüge lauert. Im Text des Zwischenberichts heißt es: "Die Erkenntnisse, die die Kommission im Rahmen ihrer Untersuchungen bislang hat gewinnen können, widersprechen den Angaben der Ärzte zum sachlichen und zeitlichen Umfang ihrer Dopingaktivitäten." Wieder erweisen sich Aussagen belasteter Sportweltbürger als öffentliche Täuschungsmanöver.

Es sind noch viele Fragen offen. Vor allem jene, woher die Dopingmittel kamen, welche die Freiburger Ärzte großzügig an ihre Sportler verteilten. Aus der Klinik-Apotheke nicht, bemerkt die Expertenkommission nach ihren Recherchen. Woher dann? Es scheint, als hätte diese Reise in die Abgründe des Sports erst so richtig angefangen.

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