Doping im Radsport:Das System kollabiert

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Giro-Sieger Ivan Basso gesteht vor Italiens NOK Blutdoping und die Verwicklung in den Fuentes-Skandal. Selbst Piti, eine deutsche Schäferhündin, spielt mittlerweile eine Rolle.

Andreas Burkert

Vom Gesetz der Omertà schreibt der frühere Masseur Jef D'hont in seinem soeben veröffentlichten Enthüllungsbuch: Das Peloton müsse schweigen, oder das System breche zusammen. Der Belgier stellt die Dopinghistorie des Radsports dar, die offenbar auch die frühere Telekom-Mannschaft betrifft und deren inzwischen vom Nachfolgeteam T-Mobile suspendierten Sportärzte.

Erhofft sich Straferleichterung: Radprofi Ivan Basso. (Foto: Foto: AFP)

Dass auch die Gegenwart des Pelotons geprägt ist vom systematischen Betrug, ahnt das Publikum spätestens seit der Razzia der spanischen Polizei vor knapp einem Jahr in Madrid. Doch das Gesetz des Schweigens galt lange auch für die Operación Puerto, und dass es tatsächlich gebrochen würde, erschien undenkbar.

Unter der Last der Beweise indes und angesichts einer Drohkulisse, welche das scharfe italienische Antidoping-Gesetz darstellt, sieht sich nun doch jemand dazu gedrängt, die Wahrheit zu erzählen, zumindest einen Teil davon: Ivan Basso, 29, neben Jan Ullrich der prominenteste Fahrer aus der mutmaßlichen Kundendatei des spanischen Drogendruiden Eufemiano Fuentes, hat vor dem Nationalen Olympischen Komitee Coni verbotenes Blutdoping und damit die Verwicklung in den Betrügerring gestanden. Das System ist kollabiert.

Basso war vergangene Woche vom Coni vernommen worden, ehe man sich vertagt hatte - einen DNS-Abgleich lehnte er ab. Die spätere Ankündigung der Staatsanwalt, Basso könne auf Strafminderung hoffen, falls er kooperiere, hat nun jedoch für die spektakuläre Wende gesorgt.

Am Montag bat Basso von sich aus um ein weiteres Treffen, es fand nachmittags in einer Anwaltskanzlei im römischen Nobelviertel Parioli statt. "Ivan Basso hat seine Verantwortung in der Operation Puerto in vollem Umfang zugegeben und uns seine volle Kooperationsbereitschaft zugesichert", teilte das Coni später in einer Erklärung mit.

Ganz offenbar lagen auch dem Chef der Coni-Antidoping-Kommission, Ettore Torri, reichlich Beweise vor. Die Rede ist in den Unterlagen aus Madrid von eindeutigen Telefonaten mit Fuentes und SMS-Verkehr. Basso könnte zudem in das Verfahren von Bergamo verwickelt sein, das nach einer Razzia in einem Fitnesscenter auch gegen seine Schwester Elisa eröffnet wurde.

Der Lombarde kann nun darauf hoffen, in Italien mit einer Geld- statt einer Gefängnisstrafe davon zu kommen - und vor der Sportjustiz mit einer Sperre von nur noch einem Jahr, obwohl UCI-Chef Pat McQuaid dies zunächst ablehnte: "Zwei Jahre sind zwei Jahre. Das sind die Regeln der Wada für ein Erstvergehen."

Der ignorante Rennstall Discovery Channel

Das Coni hatte zuletzt die Ermittlungen gegen Basso wieder aufgenommen, nachdem in Deutschland der von der Bonner Staatsanwaltschaft vorgenommene DNS-Abgleich bei Ullrich positiv gewesen war und überdies neues Material aus Spanien eingetroffen war.

Der Inhalt der Akten ließ sogar den lange ignoranten US-Rennstall Discovery Channel handeln: Er suspendierte Basso, kurz darauf wurde der Vertrag aufgelöst. "Der öffentliche Druck hat sicher auch dazu beigetragen, dass Basso kooperiert", sagte T-Mobile-Teamchef Rolf Aldag am Montag, der Italiener könne "vielleicht Vorbild für andere Verdächtige sein."

Bassos Geständnis dürfte jedenfalls dem Peloton das nächste Erdbeben bescheren. Lange sind ja die zunächst gut 50 Verdächtigten - inzwischen ist sogar von 107 die Rede - der Ansicht gewesen sein, es durch Leugnen wieder in den Sattel zu schaffen. Ullrichs Überführung und die weiterhin akribisch ihre Unterlagen auswertende Guardia Civil erhöhten jedoch den Druck.

Zwar dementiert Ullrich bis heute Kontakte zu Fuentes, ebenso der Ansbacher Jörg Jaksche. Doch nachdem die beiden prominentesten Pächter der Blutregale in Fuentes' Kühlschränken enttarnt sind - Ullrich wurde als Nr. 1 geführt, Basso als Nr. 2 -, könnte bald weitere Kundschaft benannt werden. Ihr wird die Manipulation durch Bluttransfusionen und Doping mit Präparaten wie Wachstumshormonen vorgeworfen.

Treffen dürfte es bald auch Alejandro Valverde, den amtierenden ProTour-Sieger aus Spanien. Denn wie die Gazzetta berichtet, waren in einem der Fuentes-Labore auch Blutbeutel vom Kapitän des Caisse d'Epargne-Teams gelagert - mindestens eine davon ist sogar mit Epo-Spuren verseucht gewesen. Die Ermittler hatten im Herbst 99 der insgesamt rund 220 sichergestellten Blutbeutel an ein Labor geschickt.

Valverdes deutsche Schäferhündin

In acht Proben fanden sich Epo-Spuren, die Beutel waren mit den bisher noch nicht bekannten Codenamen "Klaus", "Sevillian" (mit großer Wahrscheinlichkeit der frühere Ullrich-Helfer Oscar Sevilla), "Gemma", "Mari" und "Falla" versehen - sowie mit "VALV. PITI," in Fuentes' Listen auch als "Nummer 18" erwähnt.

"Piti" heißt Valverdes deutsche Schäferhündin, womit sich aus den Betrugslisten zumindest etwas Tierliebe lesen ließe - auch Birillo, einer von Bassos Codenamen, bezieht sich auf einen vierbeinigen Hausfreund.

Offensichtlich aus patriotischen Gründen hatte sich der Druck auf Valverde in Spanien bisher in Grenzen gehalten, eine belastende Veröffentlichung in der SZ vom 16.9.06 hatte der spanische Verband pauschal zurückgewiesen.

Ähnlich waren die Italiener im Herbst mit Basso verfahren. Am Montag jedoch gab sich Radpräsident Renato Di Rocco geläutert und lobte Basso: "Ivan hat getan, was alle von Marco Pantani erwartet haben." Pantani kann die Omertà jedoch nicht mehr brechen. Er starb im März 2004 an einer Überdosis.

© SZ vom 8.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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