Doping im Radsport:Das Blut ist schon in Italien

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Dem suspendierten Giro-Sieger Ivan Basso drohen Verfahren, was die Teams weiter ermutigt: Das komplette Peloton soll zum DNS-Test.

Andreas Burkert

Johan Bruyneel war nicht anwesend in den Katakomben des Fußballstadions von Charleroi, wo sich am Dienstagabend zahlreiche Kollegen des belgischen Radmanagers trafen. Eingeladen zum ,,informellen Treffen'' über das weitere Vorgehen bezüglich der Aufarbeitung des spanischen Dopingskandals hatte Christian Prudhomme, der Direktor der Tour de France, deren Veranstaltergesellschaft A.S.O. auch den Flèche Wallonne (siehe Meldung) organisiert. Und so hat Bruyneel nicht die flammende Rede Prudhommes hören können, die der Franzose auf den Radsport hielt und auf die Verpflichtung, den Sportbetrug zu bekämpfen. Bruyneel ließ sich, und das sagt viel aus über die Strategie des Discovery-Teamchefs, von Assistent Dirk Demol vertreten - und von einem Anwalt.

Ivan Basso: Verfahren drohen. (Foto: Foto: dpa)

Bruyneels Gesandte haben der Runde immerhin bestätigt, was wenige Stunden zuvor für eine gewisse Zufriedenheit im Peloton gesorgt hatte: Discovery Channel hat Mannschaftskapitän Ivan Basso, 29, suspendiert - eine Reaktion auf die Wiederaufnahme der Untersuchungen gegen den Giro-Sieger in Italien. ,,Man kann darüber streiten, ob es in Ordnung war, Basso überhaupt anzunehmen'', sagt T-Mobile-Direktor Luuc Eisenga mit einem Verweis auf den Ethik-Code der Teams (welcher die Verpflichtung verdächtigter Profis untersagt). ,,Trotzdem, das ist ein sehr guter Schritt.''

Discovery äußerte sich nur per Pressemitteilung zur Suspendierung des Lombarden. Man habe Basso nahegelegt, ,,nicht zu starten, solange weitere Informationen zu den neuen Untersuchungen in Italien'' Aufklärung schafften. Basso wird in Akten der spanischen Polizei verdächtigt, Kunde des Dopingarztes Fuentes gewesen zu sein und von diesem neben Medikamenten ebenso unerlaubte Bluttransfusionen erhalten zu haben. Basso leugnete bisher jeglichen Kontakt zum Mediziner, dessen Verfahren in Madrid im März eingestellt worden war wegen damals noch fehlender Gesetzesgrundlagen. Die italienische Sportjustiz indes will Basso nun am 2. Mai in Rom erneut vernehmen - der Anti-Doping-Agentur des Nationalen Olympischen Komitees Coni liegen bereits sieben Blutbeutel aus Madrid vor, die ihm zugeordnet werden. Auch die Staatsanwaltschaft von Bergamo hat den DNS-Abgleich mit dem Blut aus Spanien im Sinn - mit diesem Vorgehen hatten zuletzt die Bonner Ermittler Jan Ullrich als Fuentes-Kunden enttarnen können.

,,Der DNS-Abgleich ist nützlich, aber nicht entscheidend'', sagte Ettore Torri, Chef der italienischen Antidoping-Agentur. ,,Wir haben genügend Material, um unsere Schlüsse zu ziehen - wir haben in Madrid so lange an die Türen der Behörden geklopft, bis wir das Material hatten.'' Die Gazzetta berichtete überdies, Interpol sei im Besitz von Unterlagen über einen SMS-Verkehr Bassos mit Fuentes während des Giro d'Italia 2006.

Dass Basso nun ein Startverbot erhalten hat, ist auch nach Ansicht von T-Mobile-Sprecher Eisenga ,,ein Zeichen, dass es wohl deutliche Hinweise gibt - grundlos würde man ihn ja nicht vorladen und suspendieren''. Doch mit dem spektakulären Einbremsen von nunmehr zwei einstigen Tourstars wollen sich die Teamchefs nicht zufrieden geben. Sie haben laut Gerolsteiner-Manager Hans-Michael Holczer ausgemacht, auf dem Jahrestreffen der Teamorganisation IPCT - an diesem Samstag, ebenfalls in Charleroi - ,,den Abgleich aller ProTour-Fahrer mit dem Blut aus Spanien ernsthaft zu diskutieren - denn wir müssen das Problem aus der Welt bekommen, sonst bekommen wir das immer wieder aufs Brot gestrichen''. Dieser massive Vorstoß der deutschen Fraktion, die ,,durch das Vorgehen der deutschen Behörden'' deutlich gestärkt sei, wie Holczer zufrieden anmerkt, habe durchaus Chancen: ,,Ich bin der Überzeugung, dass so eine demonstrative Aktion deutlich mehr als die Hälfte der Stimmen erhalten wird.'' Und je länger er darüber nachdenke, ,,dass 600 ProTour-Fahrer nach Madrid fliegen, desto mehr Gefallen finde ich an dieser Idee''.

Noch ist Überzeugungsarbeit zu leisten, wie sich beim Flèche zeigte: Lampre mit Giampaolo Caruso und Caisse d'Epargne mit Constantino Zaballa boten je einen Profi von der Fuentes-Liste auf. Zudem ließ die A.S.O. die zwielichtige Tinkoff-Crew starten, die mit Jörg Jaksche, Danilo Hondo und vor allem Tyler Hamilton drei schlecht beleumundete Fahrer einstellte. ,,Es kann doch nicht sein, dass Tinkoff den Ethik-Code nicht unterschrieben hat'', klagt Luuc Eisenga, auch mit dem Thema werde man sich am Samstag befassen. Prudhomme hatte dazu in Charleroi entgegnet, unangenehme Zugeständnisse müsse er derzeit in Kauf nehmen, um ans Ziel zu gelangen: ,,Wir wollen doch eine kollektive Antwort, keine kurzfristige - und wir wollen uns nicht durchwurschteln wie die letzten zehn Jahre.''

© SZ vom 26.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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