Doping-Geständnis:Kronzeuge Jaksche

Lesezeit: 2 min

Radprofi Jörg Jaksche wird auspacken. Das könnte den ersehnten Durchbruch zur Aufklärung der Doping-Affäre bedeuten.

Andreas Burkert und Thomas Kistner

Zuletzt war Jörg Jaksche, 30, in der Toskana trainieren, an der ewig langen Strandroute neben den Apuanischen Alpen bei Viareggio rollte er mit einem Kollegen seines aktuellen Arbeitgebers Tinkoff. Die zwei unterhielten sich angeregt, manchmal lachte der Deutsche. Vielleicht ist er damals schon irgendwie erleichtert gewesen.

An diesem Wochenende dürfte Jaksche dagegen noch mehrmals grübeln, ob er nun wirklich den richtigen Weg eingeschlagen hat. Dabei besteht daran eigentlich kein Zweifel mehr. Sein Anwalt Michael Lehner hat ihm dennoch geraten, in den nächsten Tagen "in der Versenkung zu verschwinden, mit dem Rad, aber ohne Telefon". Denn natürlich habe Jaksche Angst, sagt Lehner, "er hat Schiss" - weil sein in der nächsten Ausgabe des Spiegel veröffentlichtes Doping-Geständnis eben "nicht nur autobiografisch" angelegt sei. Und solche Enthüllungen schätzt die verschworene Radsportclique gar nicht, Lehner sagt: "Wer weiß, ob sie ihm demnächst einen Prügel zwischen die Speichen schmeißen, oder ob er 'nen Tropfen Testosteron in die Trinkflasche kriegt?!" Allein deshalb gehe sein Mandant "ein sehr großes Risiko ein - und das finde ich respektabel".

Diesen Aspekte möchte der renommierte Sportrechtler aus Heidelberg jedenfalls berücksichtigt wissen, sollten sich nun Kritiker zu Wort melden und den Ansbacher an das lange Leugnen seiner durch die spanischen Polizeiakten recht überzeugend nachgewiesenen Verstrickung in das Dopingnetzwerk des Arztes Fuentes erinnern. Dort ist mutmaßlich der vormalige Liberty-Seguros-Fahrer Jaksche als "Nummer 20" und mit den Codenamen "Bella" und "Jorg(e)" notiert. Doch Jorge, den sie auch Jayjay rufen, hat stets alles abgestritten; in Kontakt mit Fuentes sei er gewesen, weil der Madrider Arzt wegen eines Krankheitsfalles in der Familie den Rat seines Vaters gesucht habe. Jaksches Vater ist Augenarzt, auch die Mutter ist Medizinerin. "Natürlich hat er lange den Kopf in den Sand gesteckt und geleugnet", sagt Lehner, 52. "Aber gucken Sie sich die Politik an, die Wirtschaft", wer gestehe da? Jaksche sei zudem "ein Kind seiner Gesellschaft", des Radsports. "Und dort muss erst mal jemand so eine schwere Entscheidung wie er treffen."

In der Tat ist davon auszugehen, dass es Jaksche nicht so hält wie der Giro-Sieger Ivan Basso, der nur unter dem Druck der Indizien den Betrug mit Fuentes' Blutservice einräumte - dann jedoch die in Aussicht gestellte Kooperation in der weiterhin schwelenden Operación Puerto verweigerte; weil er wohl massiv bedroht wurde. Jaksche indes will das jetzt durchziehen, und das könnte den ersehnten Durchbruch zur Aufklärung der Affäre ebnen. Als erster Radprofi dürfte Jaksche dann - zurecht - in den Genuss der Kronzeugenregelung kommen. "Ich werde sie beantragen und auf Reduzierung der Strafe auf ein Jahr plädieren", sagt Lehner. "Wenn alle fair mit ihm umgehen, wird er nächste Saison wieder Rad fahren." Üblich sind zwei Jahre Sperre.

Mit der Welt-Antidoping-Agentur Wada steht Lehner deshalb bereits seit längerem in Kontakt, den österreichischen Verband, bei dem Jaksche lizensiert ist, informierte er am Freitag. Der Jurist ist guter Dinge. "Denn es gibt einen Unterschied zwischen ihm und Aldag und Zabel - Jaksche wird viel konkreter sein und andere Namen nennen, vor allem später bei der Staatsanwaltschaft und vorm Sportgericht." Die früheren Telekom-Profis hatten in ihren Beichten nur über sich und verjährte Vergehen berichtet. Lehner: "Sein Geständnis ist umfangreicher, die Erwartungen werden erfüllt."

Und somit auch Lehners, denn der eigentlich auf Wirtschafts- und Baurecht spezialisierte Experte hat wohl stets gehofft, Jaksche werde sich doch einmal offenbaren und den Kronzeugen geben. "Mir sind Athletenrechte heilig", betont der ehrgeizige Hobbyathlet (zwei Ironman-Starts) - "aber es darf auch nichts unter den Tisch gekehrt werden." Vor einem Jahr hatte er gehofft, auch Jan Ullrich werde alles erzählen, sie hatten damals kurz Kontakt. Doch die prominente Figur des internationalen Sportskandals schweigt. "Ich appelliere an Ullrich, sich einen Stoß zu geben", sagt Lehner, "denn ihm bleibt kein besserer Weg." Und er sorgt für Erleichterung, ganz sicher.

© SZ vom 30.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: