Doping-Fahnder:Die Jäger formieren sich

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Vier Staatsanwaltschaften ermitteln die Dopingaffäre um Jan Ullrich und Jörg Jaksche. Geheimunterlagen sollen eine Nähe von Ullrich zum spanischen Skandal-Arzt Fuentes belegen.

Hans Leyendecker

In der Radsport-Dopingaffäre wird, wie jetzt bekannt wurde, seit einer Weile auch gegen den in Österreich lebenden Ansbacher Profi Jörg Jaksche, 30, wegen Verdacht des Betruges ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Ansbach geht dem Verdacht nach, dass Jaksche, dessen Name in der Affäre um den Arzt Eufemiano Fuentes häufig auftauchte, Rennveranstalter betrogen haben soll.

Nach Angaben eines Schweizer Insiders liegen "wirklich brisante" Unterlagen gegen Jan Ullrich vor. (Foto: Foto: AP)

Der Fall des 30-Jährigen Radprofis spielte am Donnerstag bei einem Koordinierungstreffen von vier deutschen Staatsanwaltschaften im Wiesbadener Bundeskriminalamt (BKA) eine wichtige Rolle. An der Begegnung nahmen neben dem Ansbacher Kollegen zwei Staatsanwälte aus Bonn sowie Strafverfolger aus Freiburg und Göttingen teil.

Ermittlungen gegen Ullrich wegen Betrugsverdachts

Die Bonner ermitteln seit Monaten gegen den früheren Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich wegen Betrugsverdachts zum Nachteil seines früheren Rennstalls T-Mobile, sowie gegen Ullrichs ehemaligen Betreuer Rudy Pevenage wegen Verdachts der Beihilfe und des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz.

Die Göttinger Strafverfolger ermitteln seit August 2006 gegen einen Arzt aus dem Harz und dessen Frau, eine Apothekerin, wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Angeblich gibt es ein europäisches Netzwerk, das Fuentes mit illegalen Mitteln versorgt haben soll; ein Knoten darin soll angeblich der deutsche Mediziner gewesen sein. Der Verdächtige, ein Anästhesist, hat schon vor einer Weile mit seiner Klinik einen Aufhebungsvertrag ausgehandelt.

Die Freiburger Strafverfolger ermitteln seit kurzem gegen zwei von der Uni-Klinik suspendierte Ärzte. Die beiden Mediziner hatten vor einigen Wochen über ihre Anwälte erklären lassen, dass sie seit den neunziger Jahren das Doping im Team Telekom unterstützt hätten. Beide waren von dem Molekularbiologen Werner Franke angezeigt worden. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingeleitet.

Bei dem Koordinierungstreffen der Ermittler in Wiesbaden, das ein BKA-Abteilungsleiter moderierte und bei dem weitere Dokumente aus den Ermittlungen der Spanier überreicht wurden, ging es auch um Strategien bei künftigen Ermittlungen. Danach erhoffen sich einige Staatsanwaltschaften von den Ermittlungen der Freiburger Kollegen in Deutschlands Sportklinik Nummer eins wichtige Erkenntnisse für ihre eigenen Verfahren.

Lesen Sie auf Seite 2, wieso Jörg Jaksche ins Fadenkreuz der Ermittler gekommen ist.

Politisch ist das Freiburger Verfahren heikel, weil die Universität, zu der die Klinik gehört, bemüht ist, zur Elite-Universität ernannt zu werden. Da könnte der Dopingfall stören. Andererseits hat die Uni eine eigene Aufklärungs-Kommission eingerichtet; auch versichern die Freiburger Ermittler, es gebe in dem Verfahren keinerlei politischen Druck.

Soll die Nummer 20 auf der Fuentes-Liste sein: der Ansbacher Jörg Jaksche. (Foto: Foto: dpa)

Übersichtlicher sind die Fälle Jaksche und Ullrich. BKA-Beamte, die seit knapp einem Jahr im Dopingsumpf ermitteln, hatten nach einer Staatsanwaltschaft Ausschau gehalten, die den Fall Jaksche bearbeiten könnte und waren in Ansbach gelandet. Bei der Auswertung spanischer Unterlagen waren sie immer wieder auf den Namen des in Kitzbühl lebenden früheren Ansbachers gestoßen. Der ehemalige Wohnort ergab die Zuständigkeit.

Jaksche als Kronzeuge?

Da Jaksches früherem Team Liberty Seguros von der Guardia Civil systematisches Doping unterstellt wird - die Mannschaft existiert nicht mehr - konnte der Radsportler seinen Rennstall nicht betrogen haben. So verfielen die Ansbacher auf die Idee, Jaksche könne durch Doping Rennveranstalter hereingelegt haben. Die spanische Guardia Civil hält Jaschke für einen guten Kunden von Fuentes. Der Deutsche soll die Nummer ,,20'' auf der Fuentes-Liste sein. Ihm werden die in den Akten häufig auftauchenden Bezeichnungen ,,Bella, Jorge'' und ,,J.J.'' zugeordnet - Jaj-Jay ist Jaksches Spitzname.

Der österreichische Verband, bei dem Jaksche lizensiert ist, hat kein Verfahren gegen ihn eröffnet, weil die vom Weltverband UCI weitergereichten Unterlagen unvollständig seien. Jaksche erklärte mehrmals in der Vergangenheit, er habe ,,nichts Illegales getan''. Andererseits hätte der eloquente Radsportler das Zeug zum Kronzeugen.

Diese Rolle wird Ullrich vermutlich nie einnehmen. Die Bonner Ermittler haben in seinem Verfahren mittlerweile die in Belgien beschlagnahmte Unterlagen erhalten. Daraus soll hervorgehen, dass Helfer von Ullrich, Pevenage vorneweg, einen sehr engen Draht zu Fuentes hielten. In den nächsten Wochen wird in der Schweiz darüber entschieden, ob Unterlagen, die im Fall Ullrich von den Eidgenossen beschlagnahmt worden sind, an die Deutschen weitergereicht werden.

Ein Schweizer Insider, der auf Anonymität besteht, erklärt, die Unterlagen seien ,,wirklich brisant''. Angeblich belegten sie ,,sehr deutlich die Nähe von Ullrich zu Fuentes''. Mit einem Abschluss der Ermittlungen noch in diesem Sommer ist aber auch in Bonn, wo sich drei Strafverfolger um das Verfahren kümmern, nicht zu rechnen.

© SZ vom 23.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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