Dirk Bauermann:,,Nur mit Ausländern geht es nicht''

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Vor dem Spiel gegen das Dream Team spricht der Basketball-Bundestrainer über Nachwuchsarbeit und die Zeit nach Nowitzki.

Andreas Burkert

SZ: Herr Bauermann, das Nationalteam hat zum zweiten Mal ein WM-Viertelfinale erreicht. Trotzdem warnen Sie vor einer Talsohle. Wird Deutschland bei der WM 2010 fehlen?

Immer voll dabei: Dirk Bauermann. (Foto: Foto: AP)

Bauermann: Es hängt sicher stark davon ab, was Dirk Nowitzki macht. Es ist realistisch, dass wir uns in einem Jahr ohne ihn - und ohne Ademola Okulaja und Patrick Femerling, die ja ein paar Jahre älter sind - mal nicht für die WM qualifizieren. Es wäre fast ein Wunder, wenn wir nicht in ein Loch fallen würden.

SZ: Sein Privattrainer Holger Geschwindner hat angedeutet, dass er über Peking 2008 hinaus mitspielen werde.

Bauermann: Es muss ihm halt Spaß machen bei uns, und er muss das Gefühl haben, dass es ihn sportlich weiterbringt. Das sind meine Argumente, alles andere weiß er selber: Wie wichtig seine Präsenz für den deutschen Basketball ist, wie viel Aufmerksamkeit uns das bringt. Das ist jetzt das erste Mal, dass ich es vom Holger selbst gehört habe, und auch Dirk hat das angedeutet, und das ist natürlich eine tolle Perspektive. Es kann der nächsten Generation nichts Besseres passieren, jemanden wie Dirk zu haben, der sie vielleicht noch zwei Jahre an die Hand nimmt, bevor er sie laufen lässt.

SZ: Der deutsche Basketball hatte den EM-Triumph 1993, er hatte den ersten deutschen NBA-Finalisten Detlef Schrempf, und nun ist er seit Jahren stolz auf den Weltstar Nowitzki. Wieso kommt die Basis trotzdem nicht voran?

Bauermann: Die Vergangenheit will ich nicht kommentieren. Natürlich ist manches versäumt worden, aber wichtig ist jetzt, dass der Profisport, also die erste und zweite Liga, und der Verband endlich zu gemeinsamen Konzepten finden. Tatsache ist, dass diese so genannte Goldene Generation bald abtreten wird. 2008 oder 2010 ist Schluss, dann wird ein Neuaufbau notwendig. Und man muss sagen, dass nicht sehr viel nachkommt.

SZ: Wie ist das möglich bei 82 Millionen Deutschen in einem Trendsport und mit einem Dirk Nowitzki, der seit acht Jahren in der NBA glänzt?

Bauermann: Weil keiner hochkommt mit dieser Qualität. Ich glaube, die Talentsichtung muss ganz jung ansetzen.

SZ: Nicht erst mit 12, 13 wie jetzt?

Bauermann: Ja, und die Spitzenförderung beginnt ja erst bei den 16-Jährigen. Das muss man nach vorne bringen, man muss sie im Alter von acht bis zehn Jahren begeistern. Das fehlt bei uns im Basketball, da ist vieles zufällig und beliebig. Es gibt traditionelle Standorte, die das seit Jahren machen, und es gibt Bundesliga-Standorte, die das tun - aber eben nicht alle und auch nicht alle Zweitligisten. Dabei wären das 50 Standorte, und wenn man jeden zu einem Förderprogramm verpflichten würde - dann müsste das doch Auswirkungen haben.

SZ: Im Fußball sind Fußballinternate sogar Teil der Lizenzanforderungen.

Bauermann: Das wäre im Basketball ein wichtiger Schritt, auch wenn das manchen Klub noch überfordert. Aber eine Talentförderung wäre sinnvoll, das könnte von mir aus heißen: ,,Be like Dirk''; er wäre das Aushängeschild, und der Verband würde die Trainer ausbilden, damit es kindgemäß passiert und keinen abschreckt. Damit wäre kein Klub finanziell überfordert.

SZ: Ein Trend der WM ist, dass Teams wie Spanien, Italien, Türkei und Serbien dem Nachwuchs eine Chance geben. Sie können es sich aber auch leisten, weil diese Länder den Nachwuchs schützen.

Bauermann: Völlig richtig, aber dort hat Basketball auch eine andere Tradition. Sie können das Wegbrechen einer Generation besser wegstecken. Bei den Spaniern sind in jedem Jahrgang drei, vier Spieler, bei denen du denkst: Die kommen oben an. Bei uns wäre es eine Katastrophe, wenn ein Tim Ohlbrecht (18-jähriger Center, der nach Bamberg wechselt/Anm.), ein Nicolai Simon oder Philip Zwiener (beide Berlin) nicht oben ankommen. Denn dann ist dort keiner mehr - da kannst du gucken, so viel du willst.

SZ: Die BBL macht es dem Nachwuchs aber auch schwer, zuletzt musste nur ein Deutscher auf dem Bogen stehen. Die Quote wird nur zögerlich angehoben.

Bauermann: Sie ist trotzdem wichtig, denn die Liga hatte sich ja entschlossen, den Markt komplett zu öffnen. Aber man muss überlegen, ob man etwa bis 2012 auf sechs Deutsche kommt. Und es gibt ja in der Fußball-Bundesliga auch die Regelung der Local Player, die vom Verein selbst ausgebildet sein müssen - auch so etwas würde Druck erzeugen. Es ist wichtig, dass die Einsicht wächst, dass es nur mit Ausländern nicht geht; wenn alle Klubs über Lizensierungs-Bestimmungen gezwungen würden, etwas zu tun.

SZ: Das BBL-Präsidium hat auch Sie kritisiert, weil Sie ja als Bamberger Klubcoach gleichfalls ,,nicht über den Tellerrand'' schauen würden. Widerspricht nicht der Bundesligacoach Bauermann oft dem Nationaltrainer Bauermann?

Bauermann: Das sehe ich nicht so. Wenn ich dafür werbe, dass jeder Bundesligist in Talentsichtung investiert - das heißt doch nicht, dass ich mit fünf, sechs Deutschen in Bamberg spielen muss. Da wird leider eine berechtigte Argumentation abgetan mit dem Argument, ich würde selbst nur zwei Deutsche spielen lassen. Ich muss doch mit den existierenden Regeln umgehen dürfen als Vereinstrainer - und andererseits das fordern, was ich für wichtig halte. Das kommt mir vor wie Mundtotmachen, nach dem Motto: Der soll's Maul halten und sich aufs Nationalteam konzentrieren.

SZ: Ihre Konzentration gilt nun dem Duell mit dem Starensemble der USA. Wie geht man so ein Spiel an, das man eigentlich nicht gewinnen kann?

Bauermann: Man versucht halt, den Spielern klar zu machen, dass sie es mit einer bestimmten Spielweise lange ausgeglichen gestalten können. Und dann ist ja am Ende eines solchen Spieles immer alles möglich, weil dann tatsächlich der große Favorit ans Denken kommt. Dann gibt es eine Chance - auch wenn sie nur bei zwei, drei vier Prozent liegt.

SZ: Freuen Sie sich auf das Spiel?

Bauermann: Man muss aufpassen, dass man als Trainer vor so einem Spiel nicht zum Fan wird. Wer hat denn eine solche Möglichkeit wie wir jetzt, 40 Minuten gegen solche Spieler und Trainer zu kämpfen? Unabhängig vom Ausgang ist das auch für mich das Spiel meines Lebens, auch wenn wir gegen die nur einmal bei hundert Versuchen gewinnen können. Selbst wenn wir mit 40 Punkten verlieren, werde ich das genießen. Blamieren können wir uns jedenfalls nicht.

© SZ vom 29.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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