Die Strecke der Tour de France:Über einen Deich nach Paris

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3360 Kilometer, sieben Hochgebirgsetappen und vier Favoriten: Nibali, Froome, Quintana und Contador.

Von Johannes Aumüller

Ganz einträchtig saßen die vier Männer beisammen, und eine Verwechslung mit einer kleinen Camping-Gesellschaft war nicht gänzlich ausgeschlossen. Sie hatten auf gemütlichen Stühlen Platz genommen, die Stimmung schien gut zu sein, vor ihnen stand ein kleiner Monitor und unter dem Tisch eine Kiste belgisches Bier mit lauter leeren Flaschen. Dieses Bild schickten die Macher der Tour de France um die Welt, und die vier Männer dürften in den nächsten drei Wochen noch häufig zu sehen sein. Denn die Radsportszene erwartet auf den 3360 Kilometern, die gegen den Uhrzeigersinn nach Paris führen, eine der spannendsten Auseinandersetzungen um den Gesamtsieg seit Langem; manch einer träumt schon vom Showdown auf den legendären Kehren nach Alpe d'Huez, die am vorletzten Tag auf dem Programm stehen.

Gute Chancen haben dabei vor allem die vier von den Campingstühlen. Da ist der Italiener Vincenzo Nibali (Astana), der die Tour im Vorjahr gewann; der Brite Christopher Froome (Sky), der die Rundfahrt vor zwei Jahren für sich entschied; der Kolumbianer Nairo Quintana (Movistar), der 2014 beim Giro d'Italia triumphierte; und schließlich der Spanier Alberto Contador (Tinkoff), mehrmaliger Sieger großer Rundfahrten, zuletzt vor wenigen Wochen beim Giro.

Nur 42 Kilometer Zeitfahren - ein Nachteil für Froome

Die Organisation hat jedenfalls das Ihre für ein größtmögliches Spektakel getan und trotz dieser Zeiten, in denen die Welt skeptischer auf unmenschlich erscheinende Leistungen blickt, ein anspruchsvolles Programm zurechtgebastelt. Schon die erste Woche ist happig: Anstatt der üblichen Flachetappen stehen diverse Schwierigkeiten an, unter anderem ein windanfälliges Finale auf einem niederländischen Deich, ein Abschnitt durch die Ardennen und viele Kopfsteinpflaster - wo mancher Favorit schon Zeit verlieren könnte. Später gibt es in den Pyrenäen und Alpen gleich sieben Hochgebirgsetappen, und auch die sogenannten Überführungsetappen zwischen den großen Gebirgen sind schon mal gemütlicher gewesen, weil sie diesmal nicht nah der Küste entlangführen, sondern weit ins wellige Hinterland hineinreichen.

Der Brite Froome dürfte dabei aus dem Spitzenquartett derjenige sein, der diese Streckenführung am meisten bedauert. Denn er ist sicher der stärkste Zeitfahrer unter den Favoriten - doch die Zeitfahr-Kilometer sind diesmal arg reduziert. Nach den 14 zum Auftakt in Utrecht am Samstag folgen nur noch 28 im Teamzeitfahren. So wenig "Kampf gegen die Uhr" gab es bei der Tour seit der Einführung dieser Disziplin 1934 nicht.

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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