DFB-Akademie:Tür an Tür mit Hansi

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Der DFB plant sein Kompetenzzentrum als Denkfabrik, in der Trainer ausgebildet und Stürmer wiederentdeckt werden.

Von Christof Kneer, München

In der neuen deutschen Fußballakademie ist kein Büro geplant, an dessen Türschild "Mittelstürmer" steht. Auch wird es keine eigene Abteilung geben, die sich mit der Herstellung und Verbreitung von Außenverteidigern befasst. Und ein Ressort, in dem ausschließlich das Thema "Chancenverwertung" behandelt wird, ist ebenfalls nicht vorgesehen. Diese Hoffnung muss man allen Fußballanhängern nehmen, die sich von der geplanten DFB-Akademie eine sofortige Bearbeitung der Problemstellen im deutschen Fußball versprechen. Aber Hansi Flick, seit knapp zehn Monaten Sportdirektor beim DFB, ist trotzdem der Überzeugung, dass alles gut wird.

Hansi Flick muss manchmal schmunzeln, wenn die Leute so was fragen: Ob man in diesem neuen Zentrum auch dafür sorgen könne, dass es in Deutschland bald wieder Mittelstürmer gibt? Er könnte es sich leicht machen und "ja" sagen, aber er weiß ja nicht, ob das die Wahrheit wäre. Kann er wissen, ob es in fünf Jahren den klassischen Zentralangreifer noch gibt? Oder gibt es dann längst einen Mittelstürmer neuen Typs, der anders aussieht als früher, aber genauso trifft?

Beim DFB möchten sie den Fehler von 1990 vermeiden

Das, was der DFB da vorhat mit seiner Akademie, ist zu komplex für einfache Antworten, aber es geht natürlich auch darum, genau solche Trends zu antizipieren. Wie sieht der Fußball wohl in fünf Jahren aus? Welche Fähigkeiten, die man heute noch unterschätzt, werden dann gefragt sein? "Wahrnehmung" sei ein großes Thema, sagt Flick, beim DFB experimentieren sie deshalb schon mit Brillen, die zu Schulungszwecken bewusst die Wahrnehmung behindern.

Die geplante neue Akademie soll, im direkten wie im übertragenen Sinne, die zentrale Anlaufstelle des deutschen Fußballs werden. Im direkten Sinne sollen dort künftig Schiedsrichter und Trainer ebenso ausgebildet werden wie die deutschen Junioren-Nationalteams, auch die A-Nationalelf soll vor Länderspielen möglichst oft dort stationiert sein. Es soll auch diskrete Ressorts zur Karriereplanung geben, an die sich - zum Beispiel - Spieler mit Migrationshintergrund wenden können, die sich von verschiedenen Nationen bedrängt fühlen.

Im übertragenen Sinne soll die Akademie eine Denkfabrik sein, die dank kurzer Wege und offener Türen möglichst viele interne Experten am Denken beteiligt - um anschließend externe Experten an den Denkergebnissen teilhaben zu lassen. DFB-Juniorentrainer sollen in der Akademie Tür an Tür mit Trainerausbildern, Sportpsychologen und Spielanalysten wohnen, und Flick könnte sich in den neuen Räumlichkeiten gut Seminare und Round-table-Gespräche mit Nachwuchstrainern der Bundesligaklubs vorstellen, die dann auch an den Trainingseinheiten der Juniorennationalteams teilnehmen.

Der deutsche Fußball, das ist zumindest der Plan, soll sich gegenseitig und möglichst eitelkeitsfrei mit Wissen infizieren - was am Ende auch dazu führen soll, dass bald wieder Mittelstürmer und Außenverteidiger vorrätig sind.

Ein Expertenstab hat unter Flicks Federführung bereits jene Positionsprofile erarbeitet, an denen sich die DFB-Nachwuchstrainer ebenso orientieren sollen wie an der offiziellen Spielidee, die ebenfalls schriftlich niedergelegt ist. So sollen die DFB-Juniorentrainer in Zukunft früher und in gemeinsamer Absprache erkennen, welcher Spieler laut Rollenprofil zum Außenverteidiger oder Mittelstürmer taugt - und im Idealfall wäre der rote Fußballfaden, den sie in ihrer Frankfurter Fabrik knüpfen, so überzeugend, dass viele Vereinstrainer ihn weiterknüpfen.

So weit die Theorie. Welche Reibungsverluste in der Praxis zu verzeichnen wären, bliebe abzuwarten, aber beim DFB sind sie überzeugt, dass sie keine Wahl haben. Länder wie Frankreich, Spanien und England hätten längst "solche Kompetenzzentren", sagt Flick, die seien "da einen Tick voraus". Das ist das Argument, mit dem der DFB für sein Projekt wirbt: Wir sind zwar Weltmeister, aber wir dürfen nicht nachlässig werden! Haben wir uns nicht schon mal eingebildet, "auf Jahre hinaus unschlagbar" zu sein, wie Franz Beckenbauer 1990 kühn beschloss? Bis zum nächsten WM-Titel dauerte es dann 24 Jahre.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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