Deutschland - Holland, eine Vorschau:Hü-hott statt hin und her

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Gestern England - Frankreich gesehen: geweint. Vorgestern Griechenland - Portugal gesehen: geweint. Morgen Deutschland - Holland gucken: fluchen oder einschlafen.

Von Bernd Graff

Was ist denn so anders am deutschen Fußball? Einfache Antwort - einfache Antworten sind meistens die besten: Beim Weltfußball, und bester europäischer Fußball ist Weltfußball, geht es hin und her, beim deutschen hü und hott.

Beim Hin und Her von Weltgeltung geht es dramatisch auf und ab, aber immer nach vorn. Das deutsche Hü-hott aber geht immer in die Breite, verströmt diese gepflegte Mittelfeldlangeweile des ewigen Kurzpassspiels, das die Deutschen sogar einem Welt-Gegner aufzuzwingen verstehen. Hören Sie auf meine Worte und erinnern Sie sie morgen beim Holland-Spiel: Das deutschverquere Kurzpassspiel, es ist ein Kurzspaßspiel. Und die Holländer, sie müssen mit.

Haben Sie dagegen gestern Zidane gesehen? Ein Mann, der phasenweise nur elegant hinfällt, es schafft eine zweite Halbzeit fast völlig abzutauchen und dann aber den Nerv hat, in der 90. Minute bei einem Freistoß wie im Training draufzuhalten. Und als wär´s kein Stück von ihm, senst er knappe 100 Sekunden später auch noch einen Elfer rein - eine Gelegenheit, die die Brillanten besetzte Obersusi Beckham Minuten zuvor erfolglos versemmelte.

Zidane verkörpert das Prinzip, das Otto Rehhagel seinen Griechen als Mannschaft einbimste: Dazusein, wenn es drauf ankommt! Den Rest der Zeit können sie alle ja Ouzo trinken, in die Kirche gehen oder bloß elegant hinfallen: Dasein ist alles. Und auch nur dann, nur in einer präsenten Mannschaft, ist ein Zidane erst wirklich gut.

Nun zu den Deutschen. Während die Klassespiele eben manchmal in gleichem Kampf hin und her wanken, es unentschieden das Feld rauf und runter geht und eben ungewiss bleibt, wer wem wie den Todesstoß versetzt - so gleich verteilt scheinen dann Kräfte - schaffen es die Deutschen immer !i m m e r! , selbst fantastischen Mannschaften ihr rechtwinklig zum gegnerischen Tor ausgerichtetes Querpasskurzspaßspiel aufzudrücken. Und dann sehen selbst Heroen aus wie alte Meister - oder wie eben die Malteser.

Wen bitte wundert es, dass die deutsche Mannschaft eben gegen Malta so erfolgreich war - in einem extrabreiten Freiburger Stadion? Das war doch wie gemacht für die deutsche Hü-hott-Mentalität: Ein bisschen verzagtes Geplänkel, ein bisschen Angriffsausrutscher, wenn der Gegner nicht hinsieht. Hoppla, isser drin? Er ist. Sorry.

Sieht der Gegner aber hin, dann reichen schon die Ungarn zur Niederlage, dann reichen schon zwei nur halbwegs ernst gemeinte Hinher-Angriffe - und schon isser drin im Titankahntor. Während der deutsche Angriff im Mittelfeld versandet - wo isser nur? An Bobics Hacke? Nö.

Nein, nein, das ist kein Defätismus vor dem Holland-Spiel morgen, das ist praktizierte Mentalitätsgeschichtsschreibung. Die Deutschen lähmen jedes Spiel. Selbst wenn man in Ballack einen Mini-Zidane entdecken wollte, also einen potenziellen Matchwinner in Person - denn auch Ballack hätte den Nerv, einen Ball in letzter Sekunde doch noch reinzudrücken - geht doch Ballacks möglicher Glanz im Mittelfeldgeplänkel rund um den Anstoßkreis unter.

Wie anders, wie beherzt doch dagegen die Griechen, Franzosen, Engländer und Portugiesen. Die wissen rechtzeitig zur EM, was sie von einer EM wollen. Während Deutschland immer noch zu überlegen scheint, ob sie das Spiel, das hier nun mal gespielt wird, überhaupt spielen wollen. --- oder doch lieber Gruppenstricken?

Aber nein, nein, nein! Morgen, ganz bestimmt, morgen wird alles anders!

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