Deutscher Sieg beim Auftakt der Handball-WM:Die erste Ahnung

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Zum WM-Auftakt besiegen die deutschen Handballer Brasilien nach etwas holprigem Spiel 27:22.

Christian Zaschke

Handball-Bundestrainer Heiner Brand hat eine Lieblingsband. Es ist die Kölner Band ,,De Höhner'', eine Stimmungsband, die auf den ersten Blick so gut zu Brand zu passen scheint wie AC/DC zu Angela Merkel.

Doch schlummert im nach außen so ruhigen Bundestrainer eine Stimmungskanone. Als er gefragt wurde, ob er denn von der Atmosphäre in der Halle etwas mitbekommen habe, sagte er: ,,Ich habe mal kurz reingeschaut, als die Höhner gespielt haben. Da war ich natürlich sofort guter Stimmung.''

Die Höhner spielen das offizielle Lied zur Handball-WM, und sie spielten es erstmals am Freitag in der Berliner Max-Schmeling-Halle zu Eröffnung des Turniers. Knapp zwei Stunden später war Brand immer noch recht guter Stimmung, denn die deutsche Mannschaft hatte im ersten WM-Spiel Brasilien 27:22 (12:10) besiegt.

,,Wir haben gewonnen'', sagte Brand und schob so gut gelaunt wie freundlich hinterher: ,,Das ist das einzig Positive.'' Damit meinte er, dass das deutsche Spiel bisweilen noch holprig wirkte.

Vor der Partie hatte es allerlei Brimborium gegeben; so wurde zum Beispiel der laut Hallensprecher ,,größte Handball der Welt'' aufs Feld gerollt. Er war in der Tat sehr groß, und wäre in der Halle jemand mit Händen wie Baggerschaufeln gewesen, so hätte er mit dem Ball ein paar Würfe probieren können. Doch selbst die anwesenden Funktionäre verfügten nicht über Hände dieser Art, weshalb sie sich aufs Reden beschränkten.

Fast eine Träne der Rührung

Ulrich Strombach, der Präsident des Deutschen Handball-Bundes, war so wenig nervös vor dem Ereignis, dass er bei der offiziellen Begrüßung die linke Hand lässig in seiner Hosentasche vergrub, und weil das so gut geklappt hatte, vergrub er die Hand da gleich wieder, als er wenig später seine kurze Eröffnungsrede hielt. Die WM offiziell zu eröffnen, oblag dem Bundespräsidenten Horst Köhler, und dem gelang das souverän, obwohl er keine Hand in der Tasche vergrub.

Er sagte getragen: ,,Ich erkläre die Handball-WM für eröffnet.'' Danach setzte ein erstaunlicher Jubel ein, der eine erste Ahnung davon vermittelte, was in den kommenden zwei Wochen in den WM-Hallen los sein wird. ,,Die Stimmung war unglaublich'', sagte Linksaußen Dominik Klein, der erzählte, er habe aufpassen müssen, dass ihm beim Einlaufen nicht eine Träne entwischte; so bewegt war er.

Für Rührung war allerdings bald kein Platz mehr, denn die Brasilianer begannen stark, und als sie nach knapp vier Minuten 3:1 in Führung gingen, war zu sehen, dass sie sich handballerisch gut entwickelt haben. So gut, dass sie nach zehn Minuten immer noch führten (5:3), was Heiner Brand dazu bewog, eine Auszeit zu nehmen. Die Brasilianer waren gut, seine eigene Mannschaft war nervös, es war klar, dass er eingreifen musste. Was er der Mannschaft denn gesagt habe? Brand sagte: ,,Ruhe, Ruhe, Ruhe.''

Nach diesen Worten fand die Mannschaft etwas besser ins Spiel. Ganz allmählich drehte sie die Partie und lag nach gut 20 Minuten 10:6 in Führung. Damit hatten die Brasilianer das Spiel zwar noch nicht verloren, aber es war klar, dass es gegen die favorisierte deutsche Auswahl nun schwierig werden würde. Bei 12:10 ging es in die Halbzeit, wieder hatte Brand Gelegenheit mit der Mannschaft zu reden, und wieder schien er die richtigen Worte gefunden zu haben.

Die Deutschen zogen schnell auf 16:11 davon. In der Folge spielten sie nicht schlecht, zeigten jedoch, dass es noch ein weiter Weg ist bis zu der Form, in der man eine WM gewinnen kann. Torsten Jansen sagte: ,,Wir waren heute vielleicht überheiß, dann will jeder zuviel. Wir hätten alle mehr Geduld haben müssen.'' Diese Überhitze gepaart mit Ungeduld führte dazu, ,,dass wir zehn hundertprozentige Chancen vergeben haben'', wie Kapitän Markus Baur hinzufügte.

Der Sieg gegen die Brasilianer geriet jedoch nicht in Gefahr. Die Deutschen sicherten ihren Vorsprung, über 18:15 ging es auf 20:16, und als es zehn Minuten vor dem Ende 22:17 stand, war klar, dass die Mannschaft das erste Spiel der WM gewonnen hatte. ,,Jetzt sind wir im Turnier'', sagte Kreisläufer Sebastian Preiß, euphorisiert von der Atmosphäre.

Im Turnier sein heißt auch: Am Sonntag steht die Partie gegen die Argentinier an. Denen ist zwar vor vier Jahren eine Überraschung gelungen, als sie den späteren Weltmeister Kroatien besiegten, doch es ist höchst unwahrscheinlich, dass so etwas noch einmal passiert. ,,Gegen Argentinien werden wir schon ruhiger zur Sache gehen'', sagte Michael Kraus, ,,obwohl die bestimmt auch heißblütig und kampfstark sind. Immerhin wissen die deutschen Spieler jetzt, was sie in den Hallen erwartet: ,,De Höhner'' und sehr viel Lärm.

© SZ vom 20.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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