Deutsche Tourenwagen Masters:Mister Norisring hat sich verzockt

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Der jüngste Fahrer ist der schnellste im Feld: Pascal Wehrlein (Mercedes-AMG) passiert vor Teamkollege Robert Wickens die Zielflagge. (Foto: Juergen Tap/dpa)

DTM-Spitzenreiter Jamie Green sollte die Mercedes-Serie in Nürnberg stoppen und Audi einen Heimsieg bescheren. Doch er greift zu den falschen Reifen. So gewinnt Pacal Wehrlein, der Jüngste im Feld.

Von Philipp Laberenz

Erst Wolken, dann Nässe, immer Jahrmarktatmosphäre. Jamie Green, 33, steht in der Boxengasse des Norisrings und grinst. Regen ist er gewohnt, auch der Trubel macht dem Briten nichts. Er zieht seine Kappe zurecht, blickt in den Himmel, "englische Verhältnisse", sagt er trocken. Als kurz vor dem Start zum fünften Saisonrennen der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) ein Gewitter am Nürnberger Stadtrand vorbeizieht, die Zuschauer auf dem Zeppelinfeld unter Schirme flüchten, die Rennleitung sogar kurz überlegt, das Rennen erst später zu starten, übt sich der Führende der Rennserie in Gelassenheit. Regen ist im Motorsport so eine Sache, nur wer im Regen besteht, ist ein richtig guter Rennfahrer. Regen macht den Unterschied, auf diesem superengen Stadtkurs in Nürnberg sowieso. Vier Kurven, zwei Kehren, eine Schikane: 2,3 Kilometer Stop and Go. Oder auch: Rutsch und Schlitter. Green weiß das, panisch macht ihn das nicht. "Schon während des Trainings hatte ich ein gutes Gefühl, und auch da war es eine Lotterie", sagt er.

Green und der Norisring, das passt. "Mister Norisring" rufen sie ihn hier. Vier Siege, zwei zweite Plätze hat er auf dem Stadtkurs eingefahren, seitdem er 2005 von der Formel 3 in die DTM wechselte. Der letzte Erfolg liegt allerdings bereits ein Weilchen zurück. Zuletzt holte er 2012 mit Mercedes hier den Sieg. Sein Wechsel zu Audi im selben Jahr kam überraschend, seine konstanteste Saison hatte er damals für die Stuttgarter gefahren, Rang drei im Gesamtklassement hinter BMW-Pilot Bruno Spengler und Markenkollege Gary Paffet war ein Erfolg. Im dritten Jahr endlich scheint sich der Wechsel auszuzahlen. Audi scheint das schnellste Auto zu haben, Green fuhr beim Auftakt am Hockenheim und in der Lausitz drei Siege heraus, führte die Fahrerwertung vor dem ersten Rennen in Nürnberg souverän vor dem zweiten Audi-Fahrer Mattias Eckström an.

Green spekulierte auf eine trockene Strecke. Wagemutig.

Aber: Mercedes ist seit 2003 ungeschlagen am Norisring, auch bei der Qualifikation am Samstag fuhren vier der ersten fünf Fahrer ein Auto mit dem Stern. Nur Green als Dritter hatte das Quartett gesprengt. Im Rennen sollte es aber Platz 1 werden. Und zwar mit Hilfe einer waghalsigen Taktik. Trotz des Regens und obwohl die meisten Rivalen Regenreifen aufziehen ließen, entschied sich Green für Slicks. Mutig. Green spekulierte darauf, dass die Strecke schnell abtrocknen würde. Wagemutig. Eine Lotterie.

Die Rechnung wird nicht aufgehen. Das Rennen wird am Ende Pascal Wehrlein gewinnen. Der jüngste Fahrer im Feld, gerade mal 20. Aus Sigmaringen. Mercedes-Pilot. Stammfahrer in der DTM, Testfahrer der Silberpfeile in der Formel 1. Das größte Talent, das sie bei Mercedes gerade haben. Und Green? Wird am Ende, als die Sonne wieder scheint, schlechte Laune haben wegen seines siebten Platzes.

Er hat sich verzockt. Die Trockenreifen haben ihn gebremst auf der nassen Strecke. Kein Halt, keine Geschwindigkeit. Green verliert gleich nach dem Start einige Plätze, reiht sich nach der ersten Runde auf Platz elf ein. Mercedes zieht davon. Christian Vietoris, der Schnellste nach dem Qualifying, wird bald von Wehrlein überholt, dann auch von Robert Wickens und Gary Paffet, alle Mercedes. Die Dominanz der Stuttgarter in Franken bleibt ungebrochen. Da hat selbst Mister Norisring keine Chance.

Am Sonntag muss Mercedes Gewicht aufladen

Doch ein Fiasko ist Greens siebter Platz auch nicht. "Immerhin", sagt Audi-DTM-Chef Dieter Grass, "hat Jamie seine Tabellenführung ausgebaut. Außerdem verlieren wir etwas an Performance-Gewicht." Das Gewichts-Handicap sieht das Reglement für die schnellsten Fahrzeuge im Feld vor. Weil Green zuletzt so erfolgreich war, musste er in Nürnberg am Samstag mit dem schwersten Auto starten. Am Sonntag muss dagegen Mercedes aufsatteln. Darum habe Green beim zweiten Rennen durchaus Chancen auf den Sieg, hofft Gass.

Favoriten sind aber die Mercedes-Fahrer. "Das Paket von Fahrer und Auto stimmt, wir sind gut unterwegs und werden am Sonntag wieder angreifen", sagte Ulrich Fritz, der der DTM-Chef von Mercedes.

Auch bei BMW, die bisher eine äußerst enttäuschende Saison erleben, waren sie zufrieden am Samstag. Zwar landete Titelverteidiger und Lokalmatador Marco Wittmann nur auf Platz neun, doch mit Bruno Spengler und Martin Tomczyk fuhren zwei BMW-Fahrer unter die ersten Sechs. BMW-Motorsportchef Jens Marquardt war daher mit Blick auf den Sonntag positiv gestimmt: "Wir sind das Rennen aggressiv angegangen und haben einige Erkenntnisse gewonnen, die uns weiterbringen. Die Pace auf den trockenen Abschnitten passte jedenfalls."

© SZ vom 28.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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