Deutsche Spieler:Als Lohn große Gegner

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Kerber, Zverev, Bartel: Drei Deutsche erreichen das Achtelfinale in Melbourne am Sonntag.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Er, Mischa Zverev, gegen Malek Jaziri, da dachte er nur, dieses Duell "hätte auch erste Runde bei einem 250er sein können", also bei einem Turnier der untersten Kategorie der Profitour ATP. War es aber nicht. Die dritte Runde bei einem Grand Slam stand an, in Melbourne, Australian Open, Court 2. Doch das hat Zverev ignoriert, er hat dann auch auf dem Platz so getan, als sei es ein 250er, er sei "relativ ruhig" gewesen, er hätte ja auch "nervös werden können", noch nie hatte er ein Achtelfinale bei einem der vier wichtigsten Tennisturniere erreicht. Diese Aussicht hätte ihn verkrampfen lassen können. Nach dem 6:1, 4:6, 6:3, 6:0 gegen den Tunesier Jaziri hatte er auf dem Platz noch das Gefühl, dass der Sieg "nicht so emotional war wie gegen John" - in der zweiten Runde hatte er US-Profi Isner in einem Marathonmatch niedergerungen. Aber dann merkte Zverev, dass etwas anders war. Spätestens als die Pressekonferenz beginnen sollte und ein Dutzend britischer Reporter ihre Aufnahmegeräte vor ihn legten, spürte er: Das ist ein Grand Slam.

Titelverteidigerin Kerber findet ihren Rhythmus

Zuerst in feinstem Florida-Amerikanisch parlierte Zverev über seine jetzt schon beste Karrierephase, denn noch nie stand der 29-Jährige in der Runde der letzten 16 bei einem solchen Turnier, was er "amazing" fand. Für die Briten ist er zunächst der nächste Gegner ihres Andy Murray, aber natürlich haben sie auch mitbekommen, dass Zverev die ältere Hälfte der fabelhaften deutschen und oft in den USA trainierenden Zverev-Boys ist, die jetzt ihre fabelhafteste Zeit erleben, wie Zverev bestätigte. Alexander gegen den Spanier Rafael Nadal in Runde drei (am Samstag), Mischa gegen den Schotten Murray (am Sonntag) in Runde vier, "es ist schön, das zusammen zu erleben", sagte Mischa, mit 29 zehn Jahre älter als der aufstrebende Bruder und oft wegen Verletzungen zurückgeworfen.

Aus deutscher Sicht ist die jetzige Phase eine Begegnung mit großen Namen (Philipp Kohlschreiber bekam es mit dem Franzosen Gaël Monfils zu tun), auch Mona Barthel hat eine spezielle Verabredung: Weil die 26-Jährige aus Bad Segeberg die Australierin Ashleigh Barty 6:4, 3:6, 6:3 besiegt hat, trifft sie auf Venus Williams, 36, aus den USA. Vor einem Jahr hatte für Barthel aufgrund einer Viruserkrankung ein langer Leidensprozess begonnen, "im Großen und Ganzen ist er abgehakt", sagte sie, die nun das Leben von der guten Seite aufsaugen kann.

Am Freitag hatte sie die Ehre, das erste Match der "Night Session" zu bestreiten (bevor Roger Federer den Tschechen Tomas Berdych spielerisch filetierte). "Ich kann es noch nicht glauben. Ich habe jede Minute genossen, ich hatte ein sehr hartes Jahr", sagte Barthel, "ich wusste nicht, ob ich noch einmal würde Tennis spielen können." Ihr Erfolg basiert wahrlich auf Grenzerfahrungen, im bedeutungsschweren Großen wie im Kleinen - etwa im dritten Satz gegen Barty. Da lag Barthel 2:3 zurück. "Ich habe alle Matches gespürt und gedacht: Das ist deine Chance, gib' alles", sagte sie; in der Qualifikation war Barthel auch schon dreimal angetreten.

Mit dem Erreichen ihres ersten Grand-Slam-Achtelfinals hat sich Barthel theoretisch ins Fed-Cup-Team gespielt, praktisch wird sie wohl auf die lange Reise nach Hawaii Mitte Februar verzichten, wenn die erste Runde gegen die USA ansteht. "Ich muss sehen, wie ich das alles hier verkrafte", gibt sie zu. Ein Hintertürchen bleibt aber offen für sie, das ist abgesprochen mit Bundestrainerin Barbara Rittner, die fix Laura Siegemund, Andrea Petkovic und Julia Görges nominiert hat. Rittner ist auch deshalb als Tüftlerin gefordert, weil Angelique Kerber als Weltranglisten-Erste durchschnaufen will und für Hawaii abgesagt hat.

Dieser Schritt könnte sich zunehmend als der richtige erweisen, die Titelverteidigerin bringt sich tatsächlich wieder in Position bei den Australian Open. Kerbers 6:0, 6:4 gegen die überforderte Tschechin Kristyna Pliskova, Nummer 59 der Welt, war zwar "kein Maßstab", wie Rittner meinte. Schön war der jahresübergreifend zehnte Sieg in Melbourne für Kerber, die seit Mittwoch 29 Jahre alt ist, natürlich trotzdem. "Ich bin jetzt ein bisschen lockerer", sagte Kerber, die zuvor zweimal über drei Sätze gehen musste und phasenweise nicht überzeugt hatte. "Ich habe meinen Rhythmus gefunden", sagte sie und wirkte gelöster. Im Achtelfinale soll das auch Coco Vandeweghe (USA) zu spüren bekommen, die die Kanadierin Eugenie Bouchard 6:4, 3:6, 7:5 bezwungen hatte.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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