Deutsche Meisterschaften:Läuferin im Werferland

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Der Samstag gehört in Kassel Gesa-Felicitas Krause. Die Mittelstreckenläuferin, längst für Olympia qualifiziert, gewinnt über 3000 Meter überlegen. In Rio ist mit ihr zu rechnen.

Von Saskia Aleythe, Kassel

In der letzten Kurve ist Gesa-Felicitas Krause plötzlich verschwunden. Die Hindernisläuferin ist flink unterwegs bei diesen Deutschen Meisterschaften in Kassel, schon früh setzt sie sich von allen anderen ab, läuft davon. Doch dann, auf den letzten 100 dieser 3000 Meter, gibt es doch noch ein bisschen Gewusel: Krause überrundet die Konkurrenz - und läuft locker ins Ziel. Mit neuem Meisterschafts-Rekord.

Deutsche Meisterschaften im Olympischen Jahr sind relevanter als sonst, man will sich ja in Position bringen für den Höhepunkt im Spätsommer. Werfer stehen dabei für gewöhnlich im Fokus, sind sie es doch, die die Konkurrenz in der Welt am ehesten zum Grübeln bringen. Das ist 2016 nicht anders. Doch dieser Samstag in Kassel, er war auch einer der Läufer: vor allem wegen Gesa-Felicitas Krause.

Krause lächelt nicht auf den zahlreichen Plakaten: Sie meint es ernst

Man kann das schon so sagen: Seit ihrer WM-Medaille im vergangenen Sommer in Peking gehört die 23-Jährige zu den viel beachteten deutschen Leichtathleten. Im Finale schnappte sie sich Bronze, "das war ein ganz tolles Erlebnis für mich", sagt sie heute. In ganz Kassel hängen Plakate mit Krause, sie ist die Werbefigur für diese Meisterschaften, prangt auch auf dem Veranstaltungsheft. Eindringlicher Blick hinterm akkurat frisierten Pony, die Arme schwingen wie beim Rennen. Lächeln tut sie nicht, hier meint es schließlich jemand ernst mit seinem Sport.

Sieg im Alleingang: Gesa Felicitas Krause gewinnt den Hindernislauf in Kassel. (Foto: Ronny Hartmann/Getty Images)

Krause hat sich längst für Olympia qualifiziert, sie lief in Kassel mit 9:31,00 Minuten gar nicht ihre schnellste Zeit in diesem Jahr und doch war dieser Wettbewerb eine Bestätigung, dass man sie in Rio schon auf dem Zettel haben darf. Aktuell ist sie die Neunte der Welt. "Ich habe da letztes Jahr ein kleines Statement setzen können, dass man als weiße Läuferin auch mitlaufen kann", sagt Krause. Es ist eine Genugtuung für sie. "Man wird mittlerweile auch von den Athletinnen in Afrika respektiert und als Konkurrenz wahrgenommen. Das ist auch für mich persönlich wichtig".

Deutschland ist kein Läuferland, wer es dennoch auf der Tartanbahn versuchen will, muss schon eine besondere Motivation mitbringen. Krause fährt regelmäßig nach Kenia, seit 2010 schon, und macht sich dort im Höhentrainingslager konkurrenzfähig. "Das ist ein einmaliges Flair, das man da miterleben darf", sagt sie. Und meint: die Begeisterung fürs Laufen.

Kohlmann knackt Olympia-Norm

Auch Cindy Roleder kennt diese Begeisterung, als Hürdensprinterin gewann sie in Peking WM-Silber, in Kassel präsentierte sie sich auch in guter Verfassung. Nach einem, nicht von ihr verursachten, Fehlstart lief sie in 12,86 Sekunden ins Ziel. "Es war nicht einfach mit dem Fehlstart, sich noch mal aufzurappeln und zu fokussieren", sagte sie, war aber dann umso zufriedener. Am meisten jubelte aber Fabienne Kohlmann: Die 800-Meter-Läuferin knackte im Vorlauf die Olympia-Norm. Lange hatte sie sich mit Problemen an der Achillessehne geplagt, "da ging nichts mehr, die letzten beiden Rennen habe ich total versemmelt". Nun habe sie sich gesagt: alles oder nichts. Es ist alles geworden.

Sechster deutscher Meistertitel in Folge: David Storl stößt seine Kugel im Auestadion in Kassel auf 20,75 Meter. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Schwer vergleichbar waren die Finalläufe über 100 Meter: Bei mehr als zwei Meter Gegenwind pro Sekunde kamen Julian Reus und Tatjana Pinto als Erste ins Ziel. Reus mit einer Zeit von 10,3 Sekunden, seine Bestzeit liegt bei 10,05 Sekunden. Pinto lief mit 11,22 Sekunden schon bis auf drei Hundertstel an ihre schnellste Zeit heran.

Heidler holt sich ihren zehnten Titel

Freilich bekamen auch die Werfer ihre Aufmerksamkeit in Kassel, Hammerwerferin Betty Heidler holte sich etwa den zehnten deutschen Meistertitel, was allein schon viel über ihre Konstanz auf diesem Niveau aussagt. "Ich bin auf dem richtigen Weg", sagte Heidler, die mit einer Weite von 75,32 Metern fast sechs Meter weiter als die Zweitplatzierte Kathrin Klaas warf. Aktuell steht Heidler auf Rang vier in der Welt, die Spiele in Rio sollen die Letzten der 32-Jährigen werden.

Am Anfang seiner Karriere steht noch Speerwerfer Thomas Röhler, der derzeit einen Rausch erlebt. Mit drei Würfen führt er die Weltjahresbestenliste an, sein weitester Versuch war Anfang Juni in Oslo: Auf 89,30 Meter. In Kassel reichten ihm 86,81 Meter zum souveränen Sieg.

Bei David Storl läuft es noch nicht rund

Bliebe noch Kugelstoßer David Storl, der nach überwundener Verletzung im Knie an seiner Wettkampfform feilt. Auch Storl wurde souverän Meister, mit 20,75 Metern würde es in Rio aber "nur für die Qualifikation reichen", sagt er selber. Es läuft noch nicht rund bei Storl in diesem Jahr, "ich komme überhaupt nicht in diese Wettkampfstimmung rein, sodass es einfach keinen Spaß macht, wenn man die Technik nicht umsetzen kann". Doch Storl will die Sache gelassen angehen, "das Wichtigste ist jetzt: Ruhe bewahren".

Für Krause sind die Meisterschaften nun Geschichte, sie hat die Aufmerksamkeit für einen Tag ein bisschen weg von den Wurfdisziplinen gelenkt. Schon am Sonntag sieht das ja wieder anders aus: Da präsentieren Olympiasieger Robert Harting (Diskus), Weltmeisterin Christina Schwanitz (Kugelstoßen) und Weltmeisterin Katharina Molitor (Speer) ihre Form in der Olympia-Saison.

© SZ vom 19.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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