Deutsche Läufer:Stecker gezogen

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Philipp Pflieger versucht in Berlin, eine neue Marathon-Bestzeit aufstellen. Er scheitert an einem Schwächeanfall nur wenige Kilometer vor dem Ziel.

Von Johannes Knuth, Berlin

Philipp Pflieger wirkte schon wieder recht gefasst, er trug schwarze Leggins, eine schwarze Jacke, und die schwarze Mütze hatte er sich tief ins Gesicht geschoben. Als habe er gerade einen erbaulichen Sonntagslauf durch den Tiergarten hinter sich. Nur die müden Augen, die aus einem schmalen Gesicht blickten, deuteten darauf hin, dass er im Stillen mächtig mit den dunklen Gedanken rang - nach diesem Streich, den ihm sein Sport gerade gespielt hatte.

"Ich bin ja nicht bescheuert", begann Pflieger seinen Vortrag nach dem Rennen. Er hätte sich niemals so flott in diesen Berliner Marathon geworfen, "wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich das drauf habe". 2:11:30 Stunden nämlich, eine neue Bestzeit, die Trainingswerte waren zuletzt prächtig gewesen. Bis Kilometer 30 war noch alles "relativ relaxt", erinnerte sich Pflieger. Ab Kilometer 33 fuhr ihm dann die Kälte in die Glieder, vom Wasser, das vom Boden aufspritzte. Plötzlich war es, "als habe jemand einen Stecker gezogen". Beim ersten Schwächeanfall stolperte Pflieger in die Absperrung, beim zweiten ging er fast zu Boden, beim dritten sank er in die Arme eines Betreuers. Drei, vier lumpige Kilometer vor dem Ziel. "Einfach extrem bitter", sagte Pflieger, "wenn man sich vier Monate extrem hart auf dieses eine Rennen vorbereitet."

Ab Kilometer 34 brach er ein - offenbar lag es am Magen

Das ist nun mal die Regel beim Marathon: Ein optimaler Rennverlauf ist die Ausnahme. Die Läufer beschreiten ab Kilometer 34 oder 35 oft ein "unbekanntes Terrain", sagte Pflieger, so lange und so schnell wie am Sonntag kann er im Training selten laufen, das wäre zu zehrend. Der Regensburger war bei einer dieser Expeditionen schon einmal zusammengebrochen, vor drei Jahren bei seinem Debüt. Das zweite Abenteuer in Berlin verlief dann besser (2:12:50), der Marathon am Wochenende war seine vierte Langstrecke überhaupt. "Sieht so aus, als ob es am Magen gelegen hätte", sagte sein Trainer Kurt Ring. Der schnellste Deutsche an diesem Tag war somit Thorben Dietz (LG Vulkaneifel), in 2:19:20 Stunden.

Besser lief es für Anna Hahner, die als erste deutsche Läuferin ins Ziel kam. Sie hatte nach dem Marathon in Rio fast drei Monate pausiert, eine Sehnenverletzung. Nun war sie "ohne Erwartungen ins Rennen gegangen, aber oft ist es ja das Beste, den Kopf auszuschalten", stellte sie nach den 42,195 Kilometern fest. Die hatte sie in 2:28:34 Stunden absolviert, ein starkes Comeback, nebenbei sicherte es die Zulassung für die EM in Berlin im kommenden Jahr. Philipp Pflieger hat im Frühjahr noch eine Chance, und selbst wenn es nicht klappen sollte: Mit seinen 30 Jahren gehört er in seinem Gewerbe fast noch zu den Berufsanfängern.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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