Deutsche Biathleten:Erst mal anlehnen

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Über Jahre krankheitsanfällig, jetzt einigermaßen stabil: Staffelläuferin Franziska Preuß half in Oberhof mit, Platz zwei hinter Frankreich zu sichern. (Foto: Karina Hessland/imago)

Das krankheitsgeschwächte deutsche Team ringt fünf Wochen vor den Olympischen Spielen um seine Form. Noch aber gibt man sich entspannt und optimistisch.

Von Saskia Aleythe, Oberhof

Das Kameralächeln hat sich Laura Dahlmeier schon antrainiert. Momente der Freude hatte sie zunächst nicht erlebt nach diesem siebten Platz im Verfolgungsrennen von Oberhof, es waren Momente der totalen Erschöpfung. Sie musste sich hinsetzen und anlehnen, vor ihr die Tribüne mit Tausenden Fans. Das Gesicht bleich, der Körper entkräftet, fast zehn Minuten vergingen, die Augen fielen ihr zu. Dann stand sie auf, lief langsam Richtung Interviewzone, Kamera wieder an, Lächeln wieder an. Stärke demonstrieren in schwierigen Phasen, das gehört im deutschen Biathlon derzeit dazu.

Schwächeanfälle von Dahlmeier lösen im Verband kaum noch Besorgnis aus, kennt man ja von der WM in Hochfilzen im vergangenen Februar. Zweimal war sie dort mit Kreislaufproblemen umgekippt, hatte die Wettbewerbe trotzdem zu ihren Festspielen gemacht mit fünf Gold- und einer Silbermedaille. Das Problem ist nur: Oberhof ist keine WM, in fünf Wochen beginnen die Olympischen Winterspiele, und da rückt Dahlmeiers Form allmählich in den Fokus. Es überwiege die Freude, dass es schon wieder ganz gut gelaufen sei, sagte sie in Oberhof zwar. Ob die Vorbereitung ihrer Ansicht nach planmäßig verlaufe? Dahlmeier antwortete ausweichend: "Wie man bei uns sagt: Wird schon werden." Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig gibt sich völlig tiefenentspannt, verweist lieber auf den Formaufbau, der in den kommenden zwei Weltcups vor Olympia noch erfolgen soll. Und auf die starke Mannschaftsleistung mehrerer Athletinnen: "Wir können die Last verteilen auf mehrere Schultern. Das ist mir deutlich lieber."

Vier Tage hatte der Weltcup in Oberhof Station gemacht, drei Tage vergingen ohne einen Deutschen auf dem Podest. Erst am Sonntag im Staffelwettbewerb klappte es mit Platz zwei für die Frauen, ohne die geschonten Dahlmeier und die Sprint-Vierte Franziska Hildebrand riss die Serie nach sechs saisonübergreifenden Triumphen. Dafür präsentierten sich die wieder genesene Franziska Preuß und Langlauf-Umsteigerin Denise Herrmann erstarkt, womit man bei der positiven Erkenntnis des Oberhof-Wochenendes angelangt wäre: In Pyeongchang erwarten Hönig bei der Staffelbesetzung eher Luxusprobleme. Das sei eine "kompakte, leistungsstarke Mannschaft, die vorne angreifen kann", meinte der Trainer. Für die Staffel mag das stimmen, für Einzelrennen ist das noch unklar: Da rannten zwar mit Herrmann und Dahlmeier schon zwei aufs Podium in dieser Saison - aber gerade Dahlmeier kämpft eben noch um ihre Form.

Im Sprint am Donnerstag lief sie mit zwei Fehlern auf Rang 13, in der Verfolgung nun auf Platz sieben. Bis zum Stehendschießen war sie da fehlerfrei geblieben. "Leider ist mir am Schluss die Puste ausgegangen. Sowohl beim letzten Schuss als auch auf der Schlussrunde", sagte Dahlmeier. Läuferisch ist sie nicht auf dem Niveau der vergangenen Saison, auch weil Erkältungen sie immer wieder ausbremsen. Die Probleme begannen schon mit dem Saisonstart, in Östersund ging sie wegen eines grippalen Infekts nicht an den Start, beim Weltcup in Hochfilzen kehrte sie zurück - und weinte. Ein 16. Platz und ein zehnter waren nicht das, was Laura Dahlmeier gewohnt war.

Hinz, Hammerschmidt und Lesser kränkeln, Schempp zwickt es im Rücken

"Sie muss ihre aktuelle Form akzeptieren, und das fällt ihr erst mal schwer", meinte Hönig damals. Vor dem Staffelrennen wollte sie schon abreisen, musste von den Trainern zum Bleiben überredet werden. In Annecy (Frankreich) lief Dahlmeier wieder aufs Treppchen, Platz eins, zwei und drei, doch dann machte sich schon wieder eine Krankheit in ihr breit. Den Showwettkampf auf Schalke sagte sie ab wegen eines Infekts. Auch Vanessa Hinz und Maren Hammerschmidt erkrankten über Weihnachten, "wir können nicht bei 100 Prozent sein", sagte Hönig nun. Die kommenden zwei Weltcups sollen die Olympiaform schärfen. "Wer jetzt in Höchstform ist, da bin ich mir nicht sicher, ob das in fünf Wochen noch genauso ist", glaubt er.

Mit Simon Schempp und Erik Lesser fehlten am Wochenende in Oberhof auch die bis dahin besten deutschen Männer. Lesser musste für alle Rennen erkältet absagen. Schempp machte den Sprint noch mit, doch ihn quälen schon seit Wochen Probleme im Rücken, die auch ins Bein ausstrahlen. "Läuferisch fühle ich mich momentan überhaupt nicht gut", sagte der Massenstart-Weltmeister von Hochfilzen.

"Man muss schauen, dass er sich voll auskuriert und der Muskel sich entspannen kann", sagte Männer-Bundestrainer Mark Kirchner. Ein neunter Platz von Sprint-Weltmeister Benedikt Doll in der Verfolgung war in Oberhof das beste Ergebnis, auch weil es am Schießstand allzu oft hakte. Nur Lesser hat in dieser Saison zweimal auf dem Podium gestanden, Kirchner sieht sein Team "dennoch auf einem guten Weg, wir sind voll im Plan". Mit der Sicht war es dann beim Staffelrennen so eine Sache: Der Nebel war so dicht, dass viele Athleten die Scheiben kaum sehen konnten, es war ein Rennen ohne sportlichen Wert. "Das sind unfaire Bedingungen, da hatte ich eine leichte aggressive Grundhaltung", sagte Doll, der überraschend mit nur einem Fehlschuss durchgekommen war. Dezente Genervtheit kann manchmal auch Positives hervorbringen.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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