Der Flügelflitzer:Tore und Tofu

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Die Tierschutzorganisation Peta kürt die vegetarierfreundlichsten Stadien der Bundesliga - und macht damit klar, dass Fußball kein Männersport mehr ist.

Merlin Scholz

Früher, als Fußball noch echten Männern vorbehalten war, da war das so: Auf dem Platz standen wahre Kerle, sie hießen Rudi, Harry oder Karl-Heinz, sie trugen Schnauzbart und waren nicht nur Leitwölfe, sondern sahen auch so aus. Der Vertikalpass war noch nicht erfunden, dafür die gutgetimte Blutgrätsche. Ihre heutigen metrosexuellen Nachfolger hätten sie aus den Latschen gegrätscht, wenn diese sich ihnen mit ihren gegelten Haaren und den weißen, ballerinaartigen Fußballschühchen in den Weg gestellt hätten.

Ist die Bratwurst bald ein Relikt vergangener Fußballzeiten? Vegetarier sind in den Stadien auf dem Vormarsch und verlangen nach fleischfreiem Essen. (Foto: Foto: dpa)

Und auch auf den oft unüberdachten Rängen - die heutigen heimeligen Arenen gab es da noch nicht - regierte das Testosteron. Da versammelten sich gestandene Typen in zumeist viel zu engen Jeanswesten, genannt Kutten, die versehen waren mit Aufnähern, auf denen Sätze geschrieben standen wie "Unser größter Sonnenschein - Fußball und besoffen sein".

Ball, Bier und Bratwurst - mehr brauchte der Fan früher nicht

Damals, das ist wohl der große Unterschied zu heute, war Fußball und vor allem das Drumherum noch eine ziemlich einfache Angelegenheit. Für den Fan brauchte es nur drei Dinge, um einen glückseligen Nachmittag zu verleben: Die drei "B"s - Ball, Bier und Bratwurst. Kurzum: Fußball war ein Männersport.

Heute ist das freilich anders. Da laufen Spieler über den Rasen, die nicht einmal mehr vollständige Nachnamen haben, sondern auf Verniedlichungen wie "Schweini" oder "Poldi" hören und der schon lange nicht mehr schwarzweißgepunktete Ball rollt durch Stadien, die nicht mehr Stadion heißen oder Kampfbahn, sondern Arena (Bayern, Schalke) oder gar Park (Dortmund).

Dieser Trend greift nun auch auf die Tribüne über: Dort werden die bierbäuchigen Kuttenträger zunehmend durch sportlich durchgestylte Menschen mit Polohemden ersetzt und für die Frauen bieten viele Klubs - das ist kein Scherz - mittlerweile rosafarbene Fankleidung an, ganz ohne Respekt vor den eigentlichen Vereinsfarben.

Schuld an dieser Entwicklung ist - man traut sich das in dieser Zeit, wo der arme Mann sowieso schon für alles und jeden verantwortlich gemacht wird, kaum zu sagen - Jürgen Klinsmann. Mit dem Sommermärchen 2006 wurde der Volkssport Fußball vollends zum Happening für die Massen und auf den Public-Viewing-Plätzen der Republik wurden die prolligen Aufnäher durch schwarzrotgoldene Schminkstifte ersetzt.

Mit dem Wandel des Publikums wurde nun auch der Nimbus der drei "B"s angegriffen. Genügte die Bratwurst früher als einziges Kulinarium, so braucht es heute schon ein größeres Speisenangebot, um den Polohemden- und Rosa-Schal-Trägern Gaumenfreuden in der Halbzeitpause zu bereiten.

Und so wundert es nicht, dass nun schon zum zweiten Mal eine Rangliste mit den - die Bierbauch-Bratwurst-Fraktion bitte jetzt ganz stark sein - "vegetarierfreundlichsten Stadien" der Fußball-Bundesliga erstellt wurde. Die Liste, die von der Tierschutzorganisation Peta veröffentlich wurde, basiert auf einer einzigen Frage: Wie viele fleischlose Gerichte bietet die Stadion-Gastronomie dem vegetarischen Fan an?

Und irgendwie ist es keine Überraschung, dass nach einer Saison, in der Jürgen Klinsmann immerhin 29 Spieltage lang die Verantwortung an der Säbener Straße trug, nun der FC Bayern München den Titel des vegetarierfreundlichsten Bundesligavereins führen darf.

"Aus etwa 20 Alternativen kann der vegetarische Stadiongänger wählen. Im Restaurant gibt es mindestens ein vegetarisches Gericht pro Vorspeise, Suppe, Salat, Pasta, Hauptgang, Brotzeit und Dessert. Dazu bieten die Kioske und Fantreffs neben den schon erwähnten Standards auch Baguettes, Donuts und Muffins an", heißt es auf der Peta-Homepage über das Fan-Menü in der Fröttmaninger Arena. Außgerechnet jener Verein, der von Uli Hoeneß - seines Zeichens Gründer einer Wurstfabrik - gemanagt wird. Auf Platz zwei: Schalke 04. Der Aufsichtsratsvorsitzende dort ist Clemens Tönnies, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe "Tönnies Fleisch".

Was kommt also noch, wenn schon solche Verantwortliche, die mit Fleisch und Würsten, also mit echtem Männeressen, zu Geld kamen, sich ihren Anhängern beugen und ihnen bereitwillig vegetarische Fankost liefern? Folgt nach dem Sturz der Bratwurst womöglich auch bald der Einzug des alkoholfreien Bieres in sämtliche Zapfhähne? Bei der WM und EM ist dies ja mittlerweile schon gang und gäbe - was übrigens während der EM 2008 bei einem schwedischen Fan für den traurigsten Gesichtsausdruck des gesamten Turniers sorgte.

Nein, so weit ist es noch nicht. Zumindest solange es sie noch gibt, die Stadien, in denen Fußball wenigstens was das Kulinarische anbelangt, wird er ein wahrer Männersport bleiben. Zum Beispiel in dem von Hannover 96. Die Niedersachsen sind mit nur drei Punkten abgeschlagener Letzter in der Peta-Tabelle und dürfen sich so als die heimlichen Behüter des fettigen Fleisches fühlen. Nur auf dem Platz, da gibt es Magerkost. Das ist nicht verwunderlich, denn die Mannschaft spielt in einer Arena und kein Akteur heißt Harry oder Rudi oder Karl-Heinz.

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