Der Fall Sachenbacher:Eine Studie, die den Zweifel nicht zerstreut

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Der Deutsche Skiverband legt zum Hämoglobin-Fall Evi Sachenbacher-Stehle eine Expertise vor, die den Fis-Chefmediziner Saltin nicht überzeugen kann.

Thomas Hahn und Thomas Kistner

Die Langläuferin Claudia Künzel hatte gerade Silber im Sprint errungen, und so begann die Pressekonferenz der Deutschen Skiverbandes (DSV) mit einer Würdigung durch Thomas Pfüller, Sportdirektor und Generalsekretär des DSV. Dann wurde es ernst, nicht Künzels Erfolg war ja Grund für diese Zusammenkunft mit Pfüller und DSV-Präsident Alfons Hörmann, sondern die Geschichte um den erhöhten Hämoglobin-Wert der Kollegin Evi Sachenbacher-Stehle.

16,4 Gramm pro Deziliter hatte deren Hämoglobinwert vor Beginn der Spiele betragen, um 0,4 höher als erlaubt, was ihr laut Reglement des Weltskiverbandes Fis eine Schutzsperre von fünf Tagen einbrachte. Der deutsche Ärger war enorm, weil man sich ungerechtfertigt verdächtigt fühlte; erhöhte Hämoglobin-Konzentration gilt nicht nur als Gesundheitsrisiko, sondern auch als Symptom für Blutdoping. Teamarzt Ernst Jakob beschwerte sich, weil der medizinische Direktor der Fis, Bengt Saltin, eine Ausnahmegenehmigung für Sachenbacher nicht erteilt hatte, obwohl die Sportlerin laut Jakob natürlicherweise erhöhte Hämoglobin-Werte habe. Der DSV zog sogar vor den Sportgerichtshof Cas, scheiterte aber und sah sich bald in einen Widerspruch verstrickt, weil Saltin aus seiner Datenbank vorlas: Sachenbacher habe nach seinen Tests Werte zwischen 14,0 und 15,6 g/dl aufgewiesen, die keine Ausnahmegenehmigung rechtfertigten und den Anstieg auf 16,4 g/dl sehr verdächtig erscheinen ließ.

Das war der Konflikt, den der DSV nun auflösen wollte. Die wichtigste Frage aber, wie es zu dem sonderbaren Anstieg Sachenbachers seit einer Messung beim Weltcup in Davos Tage vor der Spiele-Eröffnung um ein ganzes Gramm kommen konnte, lösten die DSV-Funktionäre nicht auf. Sie verlegten sich darauf, nachzuweisen, dass sie zu Recht eine Ausnahmegenehmigung bei der Fis beantragt hätten. Dazu verwiesen sie auf ein Gutachten der hämatologischen Abteilung der Klinik der Universität Tübingen vom 6. September 2005. Im Rahmen dieses Gutachtens seien insgesamt 22 Hämoglobin-Werte aus "diversen Blutkontrollen" eingereicht worden, wie Hörmann aus einer Presseerklärung des DSV zitierte. "Davon lagen vier über dem Grenzwert von 16,0 und sechs im Grenzbereich zwischen 15,5 und 16,0."

Eigentlich war das nur die Wiederholung des Widerspruchs, der die Beobachter schon über die gesamten Spiele verwirrt hatte. Äußerungen Thomas Bachs, Vizepräsident des IOC, in der ARD, entnahm Hörmann immerhin, dass die fälligen Dopingtests bei Sachenbacher negativ seien. Weiter hieß es in der DSV-Erklärung: "Der Vorschlag der Fis für eine Belastungsstudie bei Evi Sachenbacher-Stehle (...) wird gemeinsam aktiv umgesetzt." Sachenbacher stehe "auf eigenen Wunsch" gleich nach Olympia für die Studie zur Verfügung.

Interessant auch, dass sich ein anderer DSV-Funktionär zu Wort meldete, nämlich der Antidoping-Beauftragte des DSV, Professor Paul Nowacki. Die SZ erreichte gestern eine Presseinformation von Nowackis Lehrstuhl für Sportmedizin der Universität Gießen. Darin geht es um eine Expertenkonferenz am 9. Januar, in Kopenhagen, an der DSV-Arzt Jakob, Nowacki, Saltin und ein Mitarbeiter Saltins teilgenommen hatten. In dem Papier finden sich interessante Darstellungen. Etwa, dass man sich bei dem Treffen darauf geeinigt hätte, dass die Ausnahmegenehmigung für Staffelläufer Jens Filbrich, der in dieser Saison auch mit erhöhtem Hämoglobin-Wert auffällig war, bei Olympia nicht gelte. Später hat es doch noch geklappt - richtig "überzeugt", sagte Saltin am Mittwoch, sei er allerdings nicht. Hörmann sagte, dass Filbrichs Ausnahmegenehmigung am Montag nach den Spielen auslaufe.

In Nowackis Erklärung heißt es auch, dass man sich einig war, dass Sachenbacher-Stehle ein "positiver Responder" auf Höhenbedingungen sei, dass sich ihr Organismus also schnell an Höhenlagen anpasse, was hohe Hämoglobin-Werte zur Folge hat. Bundestrainer Jochen Behle sei darüber umgehend informiert, weshalb Nowacki rügt: "In Kenntnis der intensiven Reaktion auf ein Höhentraining mit einer vermehrten Blutneubildung hätten der Bundestrainer und sein medizinisches Betreuungsteam die Skilangläuferin Evi Sachenbacher-Stehle nicht vor den Olympischen Spielen einem Hypoxie-Training aussetzen dürfen." Nowacki lässt zudem mitteilen, was er von dem Versuch des DSV hielt, vor den Cas zu ziehen: "So war auch der Widerspruch des DSV beim Sportgerichtshof (... ) im Fall der Skilangläuferin Sachenbacher völlig überflüssig, da eine Ablehnung des Widerspruchs zu hundert Prozent - wie erfolgt - zu erwarten war."

Saltin beharrte am Mittwoch: Sachenbachers Werte seien so niedrig gewesen, dass die reklamierte Anpassung nicht zu einem erhöhtem Wert hätten führen dürfen. Und die Tübinger Expertise beinhalte, so weit vom DSV nun vorgelegt, nichts Neues für ihn: "Der einzige Wert im Tübinger Report, den ich kenne, ist 14,9. Dazu wurde ein Schwankungsbereich der Messwerte von zirka 14,3 bis 16,3 angegeben." Die Quelle dieser Werte fehle ihm. Saltin stellt eine pikante Frage: "Wer hat denn diese Messungen gemacht, die Uni Tübingen oder Dr. Jakob?"

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