David Beckham:Galaktisch mit Verspätung

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Sie haben den englischen Nationalspieler bei Real Madrid aussortiert, gedemütigt, nicht mittrainieren lassen. Vor seinem Abschied in die USA pflegt er dennoch sein Image als Gentleman.

Javier Caceres

Es brandete Beifall der Journalisten auf, als David Beckham sich im Presseraum der Sportstadt von Real Madrid erhob und sich den grauen Einreiher knöpfte. "David, the hand!'', riefen ihm die Fotografen zu, und David tat, wie ihm geheißen. Ein letzter Wink, für die Titelseiten des morgigen Tages. "Adiós'' wird draufstehen und nicht "hasta luego'' - also: "Mit Gott'' statt "Auf bald''.

Adiós Madrid: David Beckham vor seinem letzten Spiel für Real. (Foto: Foto: AFP)

Denn schon am Anfang der einstündigen Pressekonferenz stellte er klar, dass er seine Entscheidung, nach dem letzten Spieltag in die USA überzusiedeln, um fortan bei Los Angeles Galaxy in der Major League Soccer zu spielen, keinesfalls bereue - und schon gar nicht abändern würde.

"Warum gehst Du jetzt, und warum überhaupt?'', entfuhr es dem Reporter einer Madrider Sportzeitung, die ihre Zuneigung zu Real zum Geschäftsprinzip erhoben hat, und so oft wurde die Frage, anders verkleidet, aufs Neue gestellt; so oft wurde die Möglichkeit eines U-Turns ausgelotet, dass einer der zahlreichen britischen Reporter, die Beckhams letzte Pressekonferenz auf spanischem Boden verfolgen wollten, sich verwundert die Augen rieb und fragte: "Kommt dir dies hier nicht alles wie ein Witz vor, David?'' Beckham lächelte.

"Die härteste und schwierigste Saison in meiner Karriere"

"Ich werde niemals Real Madrid kritisieren, niemanden'', sagte er, und es wirkte, als schwöre er einen Eid. Grund genug nachzukarten hätte er ja, doch der Wille, sein einträgliches Gentleman-Image zu pflegen ist größer als das Verlangen danach, offene Rechnungen zu begleichen - von denen es nicht wenige gibt, am Ende einer Saison, die David Beckham als "die härteste und schwierigste in meiner Karriere'' bezeichnet.

Im Januar hatten sie ihn aussortiert, gedemütigt, nicht mittrainieren lassen, auf die Tribüne verbannt wie einen Hund. "Mittelmäßiger Hollywood-Schauspieler'', rief ihm der durchaus zur Geschwätzigkeit neigende Real-Präsident Ramón Calderón hinterher; "nie wieder'' würde er das Trikot von Real Madrid tragen, versicherte Trainer Fabio Capello.

Ein Spiel vor der Meisterschaft

Mittlerweile hat Beckham sie umgestimmt: Capello ließ sich von der Mannschaft überzeugen, dass Beckham zurück ins Team müsse, und seine Rückkehr leitete eine unwahrscheinliche Aufholjagd ein, die Real Madrid bis an die Spitze der spanischen Liga gespült hat und am Sonntag als Spitzenreiter in den letzten Spieltag der Primera División geht.

Nicht zuletzt Dank Beckham. "Er wirkt wie befreit, als habe er das Kind in sich wieder entdeckt'', urteilte Jorge Valdano, der frühere argentinische Weltmeister und Fußball-Philosoph, in einer Kolumne der Zeitung Marca. Er hat eine andere Erklärung: Er ist ausgeruhter.

In der Tat hat er unfassbar fit gewirkt und auch deshalb so gut gespielt, dass Präsident Calderón sogar das Gerücht von einer Klausel in die Welt setzte, nach der Beckham gegen eine millionenschwere Summe von seinem Vertrag mit LA Galaxy zurücktreten könne. Ein heuchlerischer Wunschglauben ist das, ,,der Präsident hat mich nie angesprochen'', sagt Beckham.

Plötzlich haben sie in Madrid wieder gern: David Beckham geht trotzdem. (Foto: Foto: AP)

Das gescheiterte Galacticos-Modell

"Diese Klausel gibt es nicht'', fährt er fort und bekundete so seine Bereitschaft zur Amnesie. "Es ist egal, was in der Vergangenheit passiert ist.'' Nur Manager Pedja Mijatovic bekommt von David Beckham zum Abschied noch einen kleinen Seitenhieb mit. "Er weiß immer, wie er am besten seine eigenen Interessen verteidigt.'' Kunstpause. "Und die von Real Madrid.''

Dabei aber belässt es Beckham. "Das Wichtigste ist das Spiel am Sonntag, denn ich bin vor vier Jahren zu diesem Verein nicht deshalb gekommen, um mit Stars wie Raúl, Zidane, Figo, Roberto Carlos oder Ronaldo zu spielen, sondern um Trophäen zu gewinnen'', sagte er. Dass diese bislang ausgeblieben waren, galt als das unwiderlegbare Indiz dafür, dass das Galacticos-Modell gescheitert war, welches der frühere Real-Präsident Florentino Pérez begründet hatte.

Es beruhte auf der Annahme, dass es reiche, die namhaftesten und besten Fußballer unter Vertrag zu nehmen, um Erfolg zu haben; und krankte letztlich daran, dass das Modell keine Rücksicht darauf nahm, dass Fußballer auch zusammen passen müssen. Mittlerweile spielt Figo bei Inter, Zidane ist Rentner und das Moppelchen Ronaldo wurde von Trainer Capello nach Italien gemobbt.

Botschafter des US-Fußballs

Und es mutet wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass Beckham, der Mega-Galactico, der letzte verbliebene Held, erst zu Glanz und Erfolg kommt, seit er weiß, dass er gehen muss. Gegen seinen Willen. ,,Ich habe oft genug gesagt, dass ich meine Karriere gerne hier beenden würde'', ruft er in Erinnerung.

Nun wird er stattdessen Botschafter für den US-Fußball, wie er auf Englisch erklärt, er sei zu schüchtern, Spanisch zu sprechen. Ein paar Brocken in der Sprache von Cervantes wirft er schließlich doch hin, als er gefragt wird, was er am meisten in Erinnerung behalten werde: "Die sechs Trainer, die fünf Präsidenten, die vielen Spieler. Und dass ich vier Häuser gemietet habe.'' Im neuen Eigenheim in Hollywood sollte er lieber sesshaft bleiben: Er blätterte dafür mehr als 16 Millionen Euro hin.

© SZ vom 15.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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