Darts:Das kleine Wunder von Lakeside

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Auch wenn Michael Unterbuchner nun ins Halbfinale bei der WM gekommen ist, bleibt der Sport für den Bundesligaspieler ein Hobby. (Foto: James Chance/Getty)

Der Münchner Michael Unterbuchner erreicht als erster Deutscher das Halbfinale bei einer Darts-WM. Erst die Nummer eins der Weltrangliste kann seinen Lauf stoppen.

Von Johannes Kirchmeier

Michael Unterbuchner schüttelte seinen Kopf, lief zur Dartscheibe und holte sich seine Pfeile ab. Er ahnte, dass er sein Spiel verlieren würde. Statt der dreifachen 20 hatte er nur die Eins getroffen. Doch wenn man genauer hinsah, erkannte man: Unterbuchner schüttelte nicht nur den Kopf. Er lächelte auch. Mit seinen Pfeilen stellte er sich zur Seite, schaute seinem englischen Gegner Mark McGeeney beim Gewinnen zu und applaudierte ihm hinterher. Sein Lächeln aber blieb.

Unterbuchner wollte eigentlich einfach nur Erfahrung sammeln

Als sich die beiden Konkurrenten dann im Lakeside Country Club in Firmley Green, England, nach dem WM-Halbfinale umarmten, sagte der britische TV-Kommentator: "Michael Unterbuchners Märchen endet im Semifinale. Aber wie hat der uns in dieser Woche unterhalten!"

Eigentlich ist Darts ja ein ganz einfacher Sport, bei dem man mit kleinen Pfeilen auf eine Scheibe wirft. Dreimal der eine, dreimal der andere und dann geht es wieder von vorne los. Und eigentlich galt dabei quasi immer auch ein Grundsatz: Bei der WM schauen die Deutschen den anderen beim Gewinnen zu. Bis zur vergangenen Woche. "Ich denke schon, dass ich damit Werbung für den deutschen Dartssport machen konnte", sagt der Münchner Unterbuchner, der für den DC Black Birds Kelheim in der Bundesliga antritt, ein paar Tage nach dem Halbfinale in Firmley Green.

Unterbuchner ist vor der Dartscheibe, aber auch im Leben, ein ruhiger Kerl, der nicht zum Überschwang neigt - und daher untertreibt er auch hier etwas. Schließlich gab es vor ihm vier Deutsche, die bei der WM gemeinsam null Spiele gewonnen haben. Unterbuchner hat dagegen gleich bei seiner ersten Teilnahme vier Spiele gewonnen - und das als Qualifikant.

Der 29-Jährige hatte sich im vergangenen September die Teilnahmeberechtigung für das Turnier erst erspielen müssen, bevor er sein kleines Wunder von Lakeside schaffen konnte, wo die WM zum 33. Mal stattfand. Hingefahren ist er ohne Zielsetzung: Er wollte "einfach nur die Zeit genießen, Erfahrungen sammeln und vor allem mit viel Spaß spielen". Gestoppt hat ihn dann in McGeeney erst die Nummer eins der Weltrangliste, die wiederum im Finale am Sonntag Landsmann Glen Durrant unterlag. Durrant ist nun Sieger der WM der British Darts Organisation (BDO).

Wie etwa im Boxen gibt es im Darts mehrere Weltverbände. Die mittlerweile weitaus bekanntere PDC (Professional Darts Corporation), die ihre WM traditionell um die Jahreswende ausspielt, hatte sich 1992 von der BDO abgespalten. "Es sind zwei Verbände. Bei einem gibt es mehr Preisgelder, aber die tun alle das Gleiche: Mit drei Darts auf eine Scheibe werfen", sagt Unterbuchner salopp. 1,8 Millionen Pfund schüttete die PDC bei der WM an ihre Spieler aus, die BDO 300 000 Pfund. Die stärksten Spieler der Welt starten daher auch als Profis bei der PDC. Unterbuchner sieht im Geld auch den Hauptgrund, wieso er der erste deutsche Halbfinalist bei der BDO-WM ist: "Die jungen Spieler versuchen schnell, in der PDC mitzuspielen, weil es in Deutschland nur wenige Sponsoren für den Sport gibt." Allerdings hat es auch bei der PDC noch kein Deutscher ins WM-Achtelfinale geschafft.

Mit dem Halbfinaleinzug hat er sich für die WM 2019 qualifiziert

Das wird in nächster Zeit auch Unterbuchner nicht ändern. Man merkt ihm an, dass er sich mit den Feiertouristen bei der PDC-WM, die ja in ihrem Drumherum eher einer Karnevals- als einer Sportveranstaltung gleicht, nicht so recht anfreunden mag. "In Lakeside ist es schon ruhiger und es sind mehr Leute da, die sich für den Dartssport interessieren." Für ihn bleibt Darts ein Hobby ("Spaß machen soll es ja auch noch"), er arbeitet als Fachkraft für Lager und Logistik in München und übt das Pfeilewerfen neben seinen Bundesliga-Einsätzen für den deutschen Meister 2016 zweimal die Woche drei Stunden lang. Für einen Wechsel zur PDC hat er noch Zeit, wenn man bedenkt, dass der PDC-Rekordweltmeister Phil Taylor gerade mit 57 Jahren in Rente gegangen ist.

Dass Unterbuchner sich mit seinem großen Erfolg selbst überraschte, zeigt seine Reiseplanung. Den Rückflug von Freitag buchte er auf Samstag um - und flog aus bekannten Gründen doch erst am Sonntag. Den ersten kleinen Teil seines Preisgeldes (15 000 Pfund) musste er also in den Flug investieren. Das kann er verschmerzen: Durch seine Halbfinal-Teilnahme qualifizierte er sich für die WM 2019. "Dann ist mein Ziel, noch einen Schritt weiter nach vorne zu machen und ins Finale einzuziehen." Lächeln wird er auch dann wieder. Nur applaudieren sollen hinterher die anderen.

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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