Darmstadt gegen Bremen:Frings gibt auf

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In der Nachspielzeit: Max Kruse gelingt gegen Darmstadts Ersatztorwart Daniel Fernandes spät das 2:0 für Bremen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach der unverdienten 0:2-Niederlage in seiner alten Heimat Bremen verliert Darmstadts neuer Trainer allmählich die Hoffnungen auf den Klassenerhalt. Werders Lage dagegen entspannt sich dank des glücklichen Sieges etwas.

Von JÖRG MARWEDEL, Bremen

"Psst, Torsten kommt und bringt uns Lilien und drei Punkte mit", stand auf der Rückseite des Werder-Stadionhefts. Torsten Frings, der Langzeit-Bremer, der 326 Bundesligaspiele für Werder bestritt und bis September als Co-Trainer amtierte, hat dieses Gastgeschenk als neuer Coach von Darmstadt 98 dann tatsächlich da gelassen. Hätte er allerdings wie die Darmstädter des Vorjahres noch Sandro Wagner als Torjäger im Team gehabt, hätten die Bremer ganz gewiss kein 2:0 und damit ihren dritten Sieg hintereinander feiern können; eher hätten sie nach ihrer schwächsten ersten Halbzeit in dieser Saison eine verdiente Niederlage gegen den Tabellenletzten hinnehmen müssen.

Vermutlich haben die abstiegsgeweihten Hessen noch nie ein solches Auswärtsspiel in der Bundesliga hingelegt: 58 Prozent Ballbesitz, 15:9 Torschüsse, 7:2 Ecken. Mindestens dreimal rettete Werder-Keeper Felix Wiedwald vor der Pause in letzter Sekunde, einmal rettete der Pfosten gegen Antonio Colak (8.). Und aus der Elf, die berühmt dafür war, aus der Abwehr weite Bälle zu spielen, um so ihre technische Unterlegenheit zu kaschieren, wurde ein Darmstädter Team, dass mit dem abgeklärten Regisseur Hamit Altintop den Gegner unter Druck setzte. Plötzlich musste Werder Konterfußball im eigenen Stadion spielen. Man hätte sich in der Pause fast gewünscht, dass der als Motivator bekannte Frings in die Werder-Kabine gekommen wäre, um die alten Kollegen aufzuwecken.

"Die Tabelle lügt nicht", sagt Torsten Frings, "wir spielen jetzt für uns."

Aber anscheinend hat auch der im Vergleich zu Frings eher schöngeistige Werder-Coach Alexander Nouri die richtigen Sätze gewählt. Er warf seinem Team recht lautstark vor, "zehn Kilometer weniger gelaufen zu sein". Es waren zwar in Wirklichkeit zu diesem Zeitpunkt nur drei Kilometer, aber seine Kritik kam offenbar an. Verteidiger Robert Bauer bekannte: "Das hat ein Stück weit an unserer Ehre gekratzt." Später sagte Nouri: "Über Taktik braucht man sich nicht zu unterhalten, wenn die Wege nicht gemacht werden." Fortan spulten auch die Bremer ihre Kilometer ab, weshalb Nouri folgendes Fazit fand: "Für die erste Halbzeit muss ich mich entschuldigen, für die zweite kann ich mich nur bedanken." Ein Dank, der vielleicht so übertrieben war wie der Beifall der Fans, die zur Pause noch wütend gepfiffen hatten.

Festhalten kann man aber, dass Nouri und seine Mitstreiter nicht auf die neue Frings-Spielweise eingestellt waren. Man wollte, so erläuterte Nouri, die 98er früh zwingen, die langen Bälle zu spielen. Und Maximilian Eggestein (er kam schon in der 32. Minute für den verletzten Zlatko Junuzovic) erklärte: "Einige wollten draufgehen, einige nicht. Es sollte eigentlich ein Wechselspiel sein." Die Frage bleibt also, ob Nouri seinen Spielern vielleicht einen zweideutigen Matchplan an die Hand gegeben hat. Womöglich sind auch solche Missverständnisse ein Grund, warum Manager Frank Baumann die Vertragsverlängerung mit dem Coach vorerst hinaus schiebt.

Die Bremer Glücksritter, die schon in Mainz (2:0) und Wolfsburg (2:1) eher schmeichelhaft gewonnen hatten, durften sich bei Max Kruse bedanken, dass es auch diesmal gut ging. In der 75. Minute verwandelte er einen Elfmeter zum 1:0, nachdem Claudio Pizarro von Aytac Sulu getroffen worden war. In der Nachspielzeit dann verwandelte Kruse ein Zuspiel von Fin Bartels cool zum 2:0. Später meinte Kruse, man sei einen großen Schritt vorangekommen, und letztlich sei es "scheißegal", wie man gespielt habe, wenn man nur gewinne.

Claudio Pizarro, 38, der erstmals tatsächlich wie ein älterer Herr über das Feld trabte, hat seinem alten Kumpel Torsten Frings, 40, nach dem Abpfiff zu einem "Riesenspiel" gratuliert. Doch nachdem Frings seiner alten Liebe Werder zu den "glücklichen Punkten" gratuliert hatte, befand er trocken: "Die Tabelle lügt nicht. Wir spielen jetzt für uns." Soll wohl heißen: Auch der neue Darmstädter Anführer hat sich bei elf Punkten Rückstand zum rettenden Platz 15 mehr oder weniger aufgegeben.

Für Werder wäre das eine gute Nachricht, es gäbe dann nur noch einen weiteren direkten Abstiegsplatz. Eine schlechtere Nachricht folgte prompt: Clemens Fritz wird am Freitag in Leverkusen fehlen. Der Kapitän hat sich eine noch nicht näher definierte Bänderverletzung zugezogen.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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