Chelsea düpiert München:Von Geisterhand vorgeführt

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Nach einer desolaten Vorstellung steht der FC Bayern in der Champions League vor dem Aus. Lediglich ein Elfmetertor in letzter Sekunde erhält dem Rekordmeister seine Hoffnung aufs Weiterkommen.

Trotz einer ziemlich desolaten Vorstellung wahrte der FC Bayern in der Champions League eine kleine Chance auf den Halbfinaleinzug. Die Elf von Felix Magath, die an der Londoner Stamford Bridge ohne die verletzten Stammstürmer antreten musste, kassierte im Viertelfinal-Hinspiel beim FC Chelsea eine blamable 2:4 (0:1)-Niederlage, beim Rückspiel am kommenden Dienstag stehen die Münchner nun mit dem Rücken zur Wand. Nur der zwischenzeitliche Ausgleichstreffer von Schweinsteiger (52.) und ein Foulelmeter von Ballack in der Nachspielzeit erhalten den Bayern das Fünkchen Hoffnung.

Wo steckte Jose Mourinho? Beim Anpfiff wusste es keiner, verbreitet wurde sogar, dass sich der ob seiner Verbannung von der Bank gekränkte Coach des FC Chelsea zu Hause vorm Fernsehgerät verkrochen hatte. Jedenfalls stand er offenkundig in regem Telefonkontakt mit Co-Trainer Clark, was wohl eine (nach Uefa-Reglement ebenfalls verbotene) Einflussnahme aufs Spiel bedeutete. Die gute Nachricht für Mourinho: Klub-Eigner Roman Abramowitsch will dem schmollenden Seelchen mit Hang zur Selbstinszenierung jüngste Abwanderungsgedanken per Gehaltserhöhung austreiben.

Medienberichten zufolge soll Mourinhos Salär von jährlich 6,14 Millionen Euro auf 7,6 Millionen gehoben werden, zuzüglich Vertragsverlängerung bis 2010. Der bisherige Vertrag endet 2007. Abramowitsch war persönlich nach London geeilt, um das Angebot zu unterbreiten und den Angestellten zum Bleiben zu überreden. Zudem soll Mourinho mehr Einfluss auf die Klubführung erhalten.

Salihamidzic für Makaay

Im Stadion war des Trainers Geist jedenfalls allgegenwärtig. Nach nur vier Minuten ging Chelsea in Führung, irgendwie von einer höheren Kraft gesegnet: Coles harmloses Schüsschen fälschte Lucio unerreichbar für Kahn ab, und schon konnten die Fans mit "Jose-Mourinho"-Chören feiern. Es war das schnellste Gegentor, das die Bayern seit dem (gewonnenen) Champions-Finale 2001 hinnehmen mussten, und es warf die tollkühnen taktischen Pläne von Felix Magath zunächst über den Haufen.

Dabei hatte der Münchner Coach vor dieser Partie geblufft wie noch nie zuvor: Torjäger Roy Makaay saß nicht mal auf der Bank, weil er laut Selbsauskunft nur "zu 90 Prozent" belastbar war - tags zuvor hatte er noch das Abschlusstraining bestritten und bei der Pressekonferenz Einsatzbereitschaft vorgetäuscht.

Für Makaay rückte Salihamidzic neben Guerrero in den Sturm (wo er kaum zu sehen war), es fehlte ja auch Pizarro mit Muskelfaserriss. Rätselhaft die Verbannung Schweinsteigers auf die Reservebank, nachdem der Jungstar seine aufsteigende Formkurve zuletzt am Samstag in Wolfsburg mit einem Tor und einer Vorlage gekrönt hatte. Stark wie nie hatte ihn Manager Hoeneß dort gesehen - Magaths Perspektive muss eine völlig andere gewesen sein.

Dank der dürftig bestückten Offensivabteilung hatten die Bayern den Gastgebern wenig entgegenzusetzen. Chelseas Verteidiger Johnson musste den Ball schon selbst per Brust mustergültig für Ze Roberto ablegen, um die erste Münchner Chance zu kreieren - wie so oft schaffte es der Brasilianer nicht, die Großchance in ein Tor umzuwandeln. Immerhin, beflügelnd war das Erlebnis, fünf Minuten später hatten die Bayern die nächste Gelegenheit.

Allerdings ließen Ballack und Co. einen Freistoß an Chelseas Strafraumgrenze erneut Ze Roberto schießen, den Mann mit der feinen Technik und der chronisch miserablen Torausbeute - die Kugel flog übers Gehäuse. Frust und Konfusion danach in Münchner Reihen, zwei Chancen von Lampard und Gudjohnsson kurz hintereinander versiebten die Briten, und Kahn klärte im Herauslaufen gegen den Isländer. So blieb es beim knappen Pausenrückstand.

Magath korrigierte sich selbst, brachte Schweinsteiger für Salihamidzic. Und auch Ersatztorwart Rensing lief sich warm, Kahn hatte sich bei einem Luftkampf mit Terry eine Blessur zugezogen. Er machte allerdings weiter, und vereitelte zwei Minuten nach Wiederbeginn die nächste Chelsea-Chance, als plötzlich Duff alleine vor ihm stand.

Auf der Gegenseite holte Schweinsteiger den nächsten Münchner Freistoß heraus, Torentfernung 18 Meter. Ballack trat den Ball in die Mauer, Ze Robertos Nachschuss konnte Cech nicht festhalten - und Schweinsteiger vollendete das von ihm selbst eingeleitete Gesamtwerk per Abstauber aus sechs Metern zum 1:1 (52.). Den Gruß Richtung Magath auf der Trainerbank verkniff er sich allerdings.

Bayerns Rumpf-Elf war wieder im Rennen, Mourinhos Taktikflüsterer auf der Chelsea-Bank zupfte ervös an seiner Wollmütze herum - der Gegentreffer musste als echte Betriebspanne verbucht werden. Lampard behob sie nach 60 Minuten, per Flachschuss aus 18 Metern zum 2:1, Drogba hatte zuvor ein Kopfballduell mit Kovac gewonnen.

Mourinhos Assistent wechselte Huth für Johnson ein, die Bayern konnten sich so ein besseres Bild vom DFB-Auswahlspieler machen, der als Leihgabe für sie im Gespräch ist.

Doch die Akzente setzte weiter der überragende Lampard. Nach 70 Minuten stand er erneut (und wie Kollege Gudjohnsson) völlig frei im Gäste-Strafraum, Makeleles Pass stoppte er mit der Brust und jagte ihn aus der Drehung und acht Metern Entfernung ins Tor.

Kurz darauf fast das 4:1 - Drogba tanzte die überforderte Münchner Innenverteidigung aus, drosch den Ball aber noch über die Querstange. Bei den Bayern, wo Scholl für Ze Roberto gekommen war, lief weiter nichts zusammen.

Trotzdem steckte sich die Belegschaft auf der Chelsea-Bank weiter verstohlen wie die Schulbuben Zettelchen zu - dass es sich dabei um Anweisungen des unsichtbaren Mourinho handelte, darf als gewiss unterstellt werden.

Die Uefa müsste, sofern ihr etwas an der Einhaltung des eigenen Regelwerks liegt, eine Aufzeichnung der Partie als Prüfmaterial für ihren Disziplinarausschuss anfordern.

Den Bayern aber war spätestens ab der 82. Minute nicht mehr zu helfen - da hatte Drogba aus einem Getümmel im Fünfmeterraum heraus das 4:1 erzielt.

Dann aber die dritte Minute der Nachspielzeit: Carvalho reißt Ballack um, der den Strafstoß sicher zum 2:4 verwandelt. Im Rückspiel "reicht" nun ein 2:0. Oder: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

© Süddeutsche Zeitung vom 7.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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