Champions League:Mut zur Lücke

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Eine couragierte Bremer Ersatzmannschaft bezwingt Real Madrid verdient mit 3:2 und hat noch Aussichten auf das Achtelfinale der Champions League.

Exakt 116 Sekunden waren gespielt, als sich Clemens Fritz an den Oberschenkel fasste. Er hatte gerader ein Sprintduell gewonnen, aber seiner Muskulatur hatte das gar nicht gefallen. Noch weniger erfreut war Bremens Trainer Thomas Schaaf, der im vorletzten Champions-League-Gruppenspiel gegen Real Madrid wieder mal eine B-Elf aufs Feld schicken musste - nicht nur ohne den verletzten Frings und den gesperrten Diego, sondern auch ohne Torwart Wiese und ohne Borowski, dem im Abschlusstraining eine Muskelverhärtung zuflog.

Jubel, unverhoffter: Daniel Jensen und Per Mertesacker nach dem Bremer Sieg. (Foto: Foto: dpa)

Nun also auch noch Fritz: Nach sechs Minuten humpelte er vom Feld, und es passte zu diesem abenteuerlichen Spiel, dass er zwischendurch seine Oberschenkelmuskulatur ignorierte und mit strammem Antritt Werders Führungstor vorbereitete. Am Ende siegte eine offensive und couragierte Bremer Ersatzelf an einem Abend voller Abwehrlücken verdient mit 3:2 (2:1), was ihnen in zwei Wochen ein echtes Endspiel bei Olympiakos Piräus beschert. Mit einem Sieg wären die Bremer im Achtelfinale. "Wir haben jetzt alles selber in der Hand", sagte Manager Klaus Allofs, "wir mussten wieder viele Ausfälle verkraften, aber wir sind als Team zusammengerückt und haben einen unbändigen Willen gezeigt."

Die Bremer Aufstellung las sich auch diesmal wieder recht abenteuerlich: Während Daniel Jensen die Rolle von Regisseur Diego übernahm, tauchte auf Jensens Halbposition einer auf, den man nach siebenmonatiger Verletzungspause fast vergessen hatte: das ehemalige Edeltalent Aaron Hunt, der ein beliebter Überraschungsgast ist. Schon einmal hatte ihn Schaaf aus dem Hut gezaubert, in der vorigen Saison gegen den FC Barcelona - zwar war ihm die lange Pause deutlich anzumerken, aber es reichte, um Reals Abwehr einmal zu überraschen.

Überhaupt konnte Reals Abwehr, in der auch Christoph Metzelder spielte, an diesem Abend eines besonders gut: überrascht werden. Das begann schon in der vierten Minute, als Fritz eine Flanke versandte, die Sanogo zu Rosenberg weiterleitete, der den Ball ins spanische Tor lenkte. Es war das überraschende Führungstor, das gut passte zu einer kuriosen ersten Halbzeit. Es entwickelte sich ein Spiel, in dem beide Teams eine Spielweise pflegten, die man in solchen Partien selten sieht: Beide Teams zeigten ein recht optimistisches Deckungsverhalten, sie standen vor allem im Mittelfeld sehr luftig im Raum. Immer wieder ließen beide einladend die Räume klaffen, so auch Werder in der 14. Minute, als nach Hunts Ballverlust ein Turbokonter rollte, den Robinho mit elegantem Schlenzer vom Strafraumeck abschloss. Auch dieses 1:1-Ausgleichstor passte ins Muster dieses Spiels, weil Per Mertesacker Robinho nicht störte, sondern lieber eskortierte.

In dieser Szene ließ sich erkennen, warum man auch vor einer ungeordneten Ausgabe von Real Madrid stets auf der Hut sein muss: wegen der individuellen Klasse der Spieler, die immer dann aufblitzt, wenn man es als Gegner gar nicht gebrauchen kann. Dennoch kam dieser Spielstil den Bremern entgegen: Sie hatten genug Platz für schicke Ballstaffetten, sie konnten sich herrlich in Stimmung spielen. In der 40. Minute gelang ihnen ein Tor, auf das auch Real stolz gewesen wäre: Der starke Rosenberg preschte den rechten Flügel entlang und trat eine Flanke in die Mitte, die Sanogo aus der Drehung kunstvoll einschoss.

Nach der Pause erhöhte Werder das Tempo, und auch wenn Real durch van Nistelrooy eine große (46.) und eine riesengroße (56.) Chance herausspielte, so musste man doch staunen über das mitunter dilettantische Abwehrverhalten, das Werder unter anderem das 3:1 durch Hunt (58.) ermöglichte. Nun spielten die immer stärker werdenden Bremer zielsicher in die Lücken, aber sie gingen mit ihren Chancen sehr großzügig um. Das rächte sich fast, weil auch Werder an diesem Abend den Mut zur Abwehrlücke besaß. Van Nistelrooy gelang noch der Anschlusstreffer, was die Schlussphase unnötig spannend machte. Denn ein Remis hätte Werders Hoffnungen auf ein Weiterkommen zunichte gemacht.

Bremen: Vander - Fritz (6. Tosic), Mertesacker, Naldo, Pasanen - Baumann - Vranjes, Hunt (76. Harnik) - Jensen - Sanogo (87. Carlos Alberto), Rosenberg.

Madrid: Casillas - Sergio Ramos, Metzelder, Pepe, Marcelo - Robinho (75. Robben), Diarra, Gago (61. Higuain), Guti - van Nistelrooy, Raul

Tore: 1:0 Rosenberg (4.), 1:1 Robinho (14.), 2:1 Sanogo (40.), 3:1 Hunt (58.), 3:2 van Nistelrooy (71.)

© SZ vom 29.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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