Champions-League-Finalisten aus Madrid:Im Geiste von Manolo Escobar

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In einem kaum erinnerungswürdigen Spiel siegt Real Madrid gegen Manchester City - und macht erneut das Stadtderby gegen Atlético im Endspiel perfekt.

Von Javier Cáceres, Madrid

Chamartín ist ein Viertel in der spanischen Hauptstadt, in dem der nationale Stolz schon mal stärker zur Geltung kommt als anderswo. Und so war es nach dem Champions-League-Finaleinzug des ebendort, in Chamartín, beheimateten Klubs Real Madrid nur eine Frage der Zeit, bis der Gassenhauer von Manolo Escobar auf den Lippen euphorisierter Fans landete: "Lo, lo, lo looo, lo-lo-lo-lo-loooo . . .", setzten Real-Anhänger an, als sie nach dem 1:0-Rückspielsieg ihres Teams im Halbfinale gegen Manchester City (Hinspiel 0:0) aus dem Bernabéu-Stadion in die laue, fast sommerliche Nacht stürzten, und sie ernteten das erwünschte Echo: ". . . ¡qué viva Españaaaaa!"

Seit Mittwochabend steht fest: Die wichtigste Fußballtrophäe der Welt, die auf Klubebene vergeben wird, wird zum dritten Mal in Serie in spanische Hände gleiten. Wie im Jahr 2014 kommt es am 28. Mai in Mailand nicht nur zu einem spanischen Finale, sondern zum Duell der beiden größten Klubs aus Madrid: Der zehnmalige Champion Real trifft auf den Nachbarn Atlético, der zuvor den FC Bayern ausgeschaltet hatte: "Es spricht für die Qualität und allgemein für den spanischen Fußball, dass spanische Teams immer bis zum Ende dabei sind", sagte Mittelfeldspieler Toni Kroos, der als Real-Profi der einzige Finalteilnehmer mit deutschem Pass sein wird: "Es ist die beste Liga der Welt."

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(Foto: Francisco Sec/AP)

Ins Finale gehüpft: Real-Stürmer Gareth Bale feiert das 1:0 - das später aber dem Citizen-Profi Fernando als Eigentor zugeschrieben wurde.

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(Foto: David Ramos/Getty Images)

Der Empfang der Königlichen vor dem Spiel war standesgemäß.

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(Foto: David Ramos/Getty Images)

Auch wenn es hier anders aussieht: Manchester agierte fast während der ganzen Spielzeit mut- und harmlos.

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(Foto: Paul Hanna/Reuters)

Die Führung der Spanier in der 20. Minute war äußerst verdient.

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(Foto: Juan Carlos Hidalgo/dpa)

Als Spieler hat Zinedine Zidane die Champions League bereits gewonnen. Nun strebt er diesen Titel als Trainer an.

Wer den Real-Profis am Mittwoch bei der Arbeit zusah, konnte eine Ahnung davon bekommen, warum die Königlichen in der heimischen Liga zwar nur einen Punkt, aber eben doch hinter den gleichauf führenden Teams von Barcelona und Atlético liegen. Gegen Manchester City, das so trist spielte wie die Augen des chilenischen Trainers Manuel Pellegrini aussahen, tat sich Real erstaunlich schwer. Der Gegner aus England war einer zum Fremdschämen, personifiziert durch Mittelfeldspieler Yaya Touré, der ein paar Kalorienverbrennungsläufe gut vertragen könnte. Die Offensivkräfte von City, Sergio Agüero und der frühere Wolfsburger Kevin De Bruyne, waren inexistent. Es hatte etwas Sinnbildliches, dass Reals Siegtor nicht dem 100-Millionen-Stürmer Gareth Bale zugeschrieben wurde, sondern dem Citizen Fernando - er hatte eine Flanke des Walisers ins eigene Tor gelenkt (20. Minute). Die wichtigste Erkenntnis des Abends: Trainer Pellegrini hinterlässt seinem Nachfolger Josep Guardiola zwar nicht die Bürde eines Europa- Titels, wohl aber einen Haufen Arbeit. Denn Guardiola wird das Personal umfangreich austauschen müssen.

Andererseits: Derlei hätte man kürzlich auch von Real gedacht. Die Madrilenen erleben eine turbulente Saison: "Zwischendurch war es in der Meisterschaft eigentlich schon vorbei", sagte Kroos, da sei es "umso schöner, doch nach Mailand zu fahren". Und natürlich ist es auch schön in der Primera División, nur noch einen Punkt hinter den Tabellenführern Barça und Atlético zu liegen. Im Januar wurde der als Computer-Trainer verschriene Rafael Benítez durch Ex-Weltmeister Zinédine Zidane ersetzt: "Der Spaßfaktor hat sich schon erhöht im Vergleich zu vorher, das muss man deutlich sagen", erklärte Kroos und lobte den neuen Chef: " Zizou macht einen Super-Job, weil er uns verständlich macht, was er von uns haben will und uns absolut auf Augenhöhe begegnet. Das kommt gut an. Du gibst zwei, drei Prozent mehr, wenn du weißt, da steht einer an der Linie, für den du es gerne machst." Gegen City reichte eine "erwachsene" Leistung: "Wir haben über 180 Minuten keine Torchance zugelassen. Dabei wird uns oft vorgeworfen, dass wir nicht kollektiv verteidigen."

Kroos war elementarer Bestandteil dieser Defensive, er ersetzte den maladen Brasilianer Casemiro als "Sechser" vor der Abwehr. In Chamartín werden bei solchen Gelegenheiten die Brauen gehoben, die gängige Expertenmeinung lautet, Kroos sei vorne besser. Am Mittwoch glänzte er jedoch mit Präzisionsarbeit: 96 Prozent seiner 77 Pässe kamen bei Mitspielern an. "Gottseidank krieg' ich so etwas gar nicht mit", sagte Kroos mit Blick auf die Debatten, "ich fühle mich da genauso wohl." Für ihn sei von Belang, dass er im Zentrum spiele - "ob fünf Meter weiter vorne oder hinten, ist nicht so entscheidend. Mein Einfluss aufs Spiel ist meist der gleiche".

Weniger resolut antwortete er auf die Frage, welche Präferenz er habe - lieber die Champions League gewinnen oder die Meisterschaft? "Ich siedele beides gleich hoch an. Eine Liga mit Atlético und Barcelona zu gewinnen, hat auch was", sagte Kroos. Andererseits: "Natürlich merkt man den Enthusiasmus, wie wichtig hier die Champions League ist." Die Copa de Europa ist der Fetisch-Wettbewerb Reals.

In Madrids Bars wird bereits debattiert, wer im Finale Favorit ist: das erstaunliche Team Atléticos, das neun von zehn Duellen mit Real gewonnen hat, seit das Finale von Lissabon 2014 verloren ging (n.V. 1:4), und sich in der K.o.-Phase gegen die Meister aus Holland (Eindhoven), Spanien (Barcelona) und Deutschland (Bayern) durchsetzte? Oder Real, das vergleichsweise schwachen Gegnern wie AS Rom, Wolfsburg oder Manchester City begegnete? "Ich sehe keinen Favoriten", beteuerte Kroos.

Sollte Atlético erstmals in der Klub-Historie die Champions League gewinnen, würde Madrid mit dem Finalstandort Mailand gleichziehen. Es ist die einzige Stadt Europas, die zwei Klubs beherbergt, die den Henkeltopf gewinnen konnten: Inter und AC Milan. Die Marketing-Abteilung ließ die Spieler Reals nach Spielschluss in T-Shirts schlüpfen, auf denen "A por la Undécima" zu lesen war, in etwa: Auf zum 11. Henkelpott! Bei Atlético nahm man die Vorfreude, die in Chamartín herrscht, mit Interesse zur Kenntnis.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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