BVB gewinnt 3:1 bei Werder:Die zweite Kraft

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Borussia Dortmund zeigt beim Sieg in Bremen eine in jeder Hinsicht reife Leistung. Trainer Thomas Tuchel platzt fast vor Stolz. Und bekommt danach ein launiges Jobangebot vom Gastgeber.

Von Frank Hellmann, Bremen

Mit dem Entspannungsfaktor ist das bei Thomas Tuchel so eine Sache. Zu Mainzer Zeiten war aus seinem unmittelbaren Umfeld schon häufiger die Sorge zu hören, dieser pedantisch veranlagte Fußballlehrer könne nicht uneingeschränkt zufrieden sein. Oder sich einfach mal zurücklehnen und genießen. Diese Bedenken können zumindest in der aktuellen Phase bei Borussia Dortmund mal beiseite geräumt werden. "Ich bin sehr, sehr zufrieden. Ein dickes Kompliment an meine Mannschaft", sagte der Trainer, der den vierten Sieg binnen neun Tagen mit großer Genugtuung aufnahm.

Mit einem 3:1 (2:1) bei Werder Bremen haben die Westfalen ein Statement abgegeben: Sie sind die zweite Kraft in der Bundesliga. Rückstand auf den FC Bayern auf fünf Punkte verkürzt, Vorsprung auf den FC Schalke auf sechs Zähler vergrößert. Wo schaut Tuchel in der Tabelle hin? Nach oben oder unten? Der 42-Jährige reagierte auf die Frage mit einem Schmunzeln. Und mit einer ausweichenden Antwort: "Wir schauen auf uns."

Nach Bremen ist vor Qäbälä

Wieder treffsicher: Marco Reus erzielt zwei Tore gegen Bremen. (Foto: Fabian Bimmer REUTERS)

Nein, für Begrifflichkeiten wie Bayern-Jäger ist Tuchel nicht zu haben. Lieber lobte er die "positiven Signale", die sein Ensemble von der Weser aussandte. Speziell die zweite Hälfte hatte dem Coach gefallen, "weil wir Konzentration, Qualität und Ausstrahlung hatten". Und: "Wir zeigen Geduld und Energie. Wir sind auf einem schönen Wege, aber den wollen wir beharrlich weitergehen." Deshalb könnten ja die BVB-Anhänger vom Derbysieg gegen den FC Schalke 04 am nächsten Sonntag singen, "aber erst einmal müssen wir in der Europa League den nächsten Schritt machen". Tatsächlich geht es zunächst am Donnerstag gegen den Nobody FK Qäbälä, dann erst kommt der Erzrivale aus Gelsenkirchen in den schwarz-gelben Stimmungstempel.

Die mindestens 5000 mitgereisten BVB-Fans in Bremen sahen nach dem Führungstor durch Marco Reus (9.), wie sich Werder bald zu befreien wusste und durch Anthony Ujah ausglich (32.). Es bedurfte schon einer Flanke mit dem Außenrist von Mats Hummels, um Henrikh Mkhitaryan per Kopf die erneute Gästeführung zu ermöglichen (44.). Der zweite Durchgang stand tatsächlich ganz im Zeichen der Dortmunder, die durch Reus nur noch eine von vielen Gelegenheiten nutzten (72.). Vor allem Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang vergab auf fast schon groteske Art zwei Großchancen. "Aber auch das gehört dazu", sagte Tuchel.

Gelöster Jubel: Thomas Tuchel (l.) umarmt Julian Weigl nach dem Schlusspfiff. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Sein Gegenüber Viktor Skripnik ("Dortmund hat verdient gewonnen") tröstete sich damit, dass seine Defensivtaktik - der Gastgeber verteidigte konsequent mit einer Fünferkette, in der Offensivallrounder Fin Bartels mit einrückte - weitgehend aufgegangen war. "Wir haben viel in dieses Spiel investiert", sagte der stark spielende Clemens Fritz, "nur hat uns nach dem verdienten Ausgleich das 1:2 einen kleinen Knick gegeben." Tatsächlich hätten die Hanseaten nur eine Chance gehabt, wenn sie das fein herausgespielte 1:1 in die Pause gerettet hätte. Im zweiten Durchgang fehlten "Mut und Power" (Geschäftsführer Thomas Eichin), um die bessere Mannschaft in Bedrängnis zu bringen.

"Das war kein Muss-Spiel"

"Wir waren in der zweiten Halbzeit bemüht, aber Dortmund lässt den Ball laufen - und wir laufen hinterher", räumte Kapitän Fritz ein. "Wir konnten ihnen gar nicht mehr weh tun, das war frustrierend." Doch groß grämen wollte sich das grün-weiße Lager deswegen nicht. "Dortmund hat enorme Qualität in der Offensive. Wir können froh sein, dass es beim 1:3 geblieben ist", erklärte Torwart Felix Wiedwald. "Uns wird das nicht zurückwerfen. Das war kein Muss-Spiel."

Kein großes Thema war hinterher, dass der beste BVB-Akteur, der zweifache Vorlagengeber und Torschütze Mkhitaryan, nach dem Aufwärmen von einem Pappgegenstand, offensichtlich ein zusammengeknüllter Getränkehalter, getroffen wurde, der aus der Ostkurve in Richtung Spielertunnel flog. Nach Darstellung der Dortmunder habe sich der Armenier deshalb nur kurz geschüttelt. Auch Tuchel wollte daraus keinen Staatsakt machen, zumal der Täter sofort identifiziert und abgeführt wurde. "Das war etwas total Leichtes. Das hat 'Micki' gar nicht beeinflusst und war nicht der Rede wert."

Der Mediendirektor wird zum Sprücheklopfer

Lieber lobte der BVB-Coach die freundliche Atmosphäre rund ums Weserstadion. "Schon mit Mainz war das so: Die Bremer Zuschauer unterstützten ihre Mannschaft total, sind aber sehr freundlich. Ich bin wirklich immer gerne hier." Dann schwärmte er sogar von den Flutlichtmasten, die man bei der Anfahrt zum Osterdeich sehe. Diesen Satz nahm der bislang wahrlich nicht als Sprücheklopfer aufgefallene Bremer Mediendirektor Michael Rudolph auf: "Sie sind ja noch jung, vielleicht klappt es ja noch mal mit einem Trainerjob hier." Es war der Spruch des Tages. Manche meinten sogar, so einen guten Scherz auf einer Pressekonferenz vor laufenden Kameras hier seit Jahren nicht mehr gehört zu haben. Rudolph bemerkte übrigens, dass sein Cheftrainer ganz verdutzt schaute. Deshalb fügte er in Richtung Skripnik noch schnell an: "Viktor weiß, dass ich ihn noch ganz lange behalten möchte."

© SZ vom 01.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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